Gegner-Vorschau 2012/13, Teil 2: Die Fans

Von Kultclubs, alten Bekannten und grauen Mäusen

Von Kultclubs, alten Bekannten und grauen Mäusen

Screenshot aus dem beim Fußballfilmfestival „11mm“ ausgezeichneten Kurzfilm „Sogenannte Reisebegleiter“ über die Fanszene von Dynamo Dresden

Im zweiten Teil unserer Gegner-Vorschau nehmen wir die Fankurven der 2. Bundesliga unter die Lupe. Ähnlich wie bei den Stadien sind auch hier alle Varianten mit dabei - von einigen der besten deutschen Kurven bis hin zum kaum dreistelligen Auswärtsmob. Wobei imposantes Stadion nicht zwingend imposante Fanszene bedeuten muss.

- Gegner-Vorschau, Teil 1: Die Stadien - Von Stahlrohrtribünen, Baustellen und WM-Stadien
- Gegner-Vorschau, Teil 3: Die Teams - Von Favoriten, Geheimtipps und Abstiegskandidaten

Zum Saisonauftakt messen sich die Fans des 1. FC Kaiserslautern mit denen des 1. FC Union Berlin. Leider findet dieses Spiel am Montagabend statt, sonst wären wohl mindestens so viele „Eiserne“ wie beim letzten und bisher einzigen Vergleich beider Teams auf dem Betzenberg zu erwarten. Die 2.000 Gästefans im April 2010 bedeuteten eine für Zweitligaverhältnisse sehr gute Kulisse und sie fühlten sich wohl in Lautern, wie später auch die Auszeichnung mit dem JWD-Pokal („Jut war't, danke!“) als bester Gastgeber der Saison zeigte. Umgekehrt durften es sich auch der FCK-Anhang an der Alten Försterei gut gehen lassen, wo beachtliche 2.000 Auswärtsfahrer an jenem Montag im November 2009 aufschlugen. Dass die Union-Fans ihr Stadion zu großen Teilen selbst gebaut haben, ist in Deutschland einzigartig, das Verhalten beim „Sicherheitsgipfel“ vergangene Woche ebenfalls: Das Präsidium des FCU blieb der politischen Showveranstaltung fern und setzte sich darüber hinaus öffentlichkeitswirksam für den Erhalt von Stehplätzen ein. Die Köpenicker Fans danken ihrem Verein diesen Zusammenhalt mit einem neuen Rekord beim Dauerkartenverkauf, der aufgrund des Stadionumbaus beim neuen Wert von 8.000 Tickets bereits vor Wochen gestoppt werden musste.

Weniger zu sagen gibt es zum VfR Aalen, bei dem übernächste Woche das erste Auswärtsspiel des FCK ansteht. Ebenso wie die Mit-Aufsteiger Jahn Regensburg (3.789) und SV Sandhausen (2.616) lag der VfR in der Zuschauertabelle der 3. Liga mit einem Schnitt von 4.365 Besuchern trotz Siegesserie nur in der unteren Hälfte. Wie bei jedem Profiverein gibt es zwar auch bei den drei Neulingen eine kleine Zahl supportwilliger Fans, aber viel mehr als neue Stadien und hoffentlich den einen oder anderen Sieg werden diese Spiele dem FCK-Anhang wohl nicht bieten können - willkommen in der zweiten Liga!

Das Spiel gegen Jahn Regensburg im November, unter der Woche um 17:30 Uhr, könnte dabei den Saison-Minusrekord im Fritz-Walter-Stadion und vor allem im Gästeblock aufstellen... wenn da nicht noch Vereine wie der FC Ingolstadt mitspielen würden. Sportlich wollen die Bayern in absehbarer Zeit in die Bundesliga aufsteigen, fanmäßig haben sie aber maximal Drittliga-Niveau. Woher soll auch bei einem Verein, der erst 2004 durch die Fusion der beiden unterklassigen Ingolstädter Traditionsclubs MTV und ESV entstanden ist, eine nennenswerte Fanszene kommen? Folglich belegte der FCI in der Saison 2011/12 mit 7.563 Besuchern auch den letzten Platz der Zuschauertabelle in Liga zwei. Zum bisher einzigen Spiel in Kaiserslautern begleiteten die Schanzer im Februar 2009 gar nur 130 Unentwegte.

Das Highlight aus Fan-Sicht dürften in dieser Saison sicher die beiden Spiele gegen Dynamo Dresden darstellen. Zuletzt spielten die Sachsen Anfang der 1990er Jahre mit dem FCK in einer Liga und schon damals ging es meist hoch her, wie die älteren Auswärtsfahrer von beiden Vereinen zu berichten wissen. Die öffentliche Wahrnehmung als die „bösen Buben des deutschen Fußballs“ haben sich die Dresdner bis heute bewahrt, aber Dynamo ist viel mehr als Skandale und Krawalle: Sowohl zuhause als auch auswärts gehören sie zu den besten Fanszenen der Republik, hinter den Aufsteigern Frankfurt und Düsseldorf hatten sie in der vergangenen Saison den dritthöchsten Zuschauerschnitt der zweiten Liga. 24.848 Besucher verfolgten die Spiele im Rudolf-Harbig-Stadion, obwohl die Partie gegen den FC Ingolstadt offiziell mit „null“ Zuschauern gewertet wurde: Dynamo machte aus der Not eine Tugend und verkaufte 41.738 (!) „Geistertickets“ für das vor leeren Tribünen stattfindende Heimspiel. Auch zum ersten Heimspiel der neuen Saison muss der sächsische Traditionsverein erneut eine DFB-Strafe absitzen, gegen 1860 München sind nur 16.000 Zuschauer zugelassen. Glück für die FCK-Fans: Sie schlagen erst zum zweiten Spiel in Dresden auf und dürfen sich somit auf ein volles, stimmungsvolles Stadion freuen.

Doch die Roten Teufel treffen nicht nur auf Neulinge und Exoten, sondern sehen in der zweiten Liga auch viel altbekanntes wieder. So kommt es beispielsweise nach zwei Jahren Pause wieder zum Vergleich mit dem TSV 1860 München, mit dem es immer wieder Versuche zur Belebung der langjährigen Fanfreundschaft gibt. Tatsächlich gibt es quer durch die FCK-Familie auch nach wie vor einzelne gute Kontakte, obgleich die Zeit der ganz großen Fanfreundschaften in Deutschland wohl endgültig vorbei ist. Die eingefleischten Löwenfans haben es seit Jahren schwer: Was in den 1990er Jahren mit dem Umzug vom geliebten Grünwalder Stadion ins Olympiastadion begann, setzte sich zehn Jahre später mit dem Wechsel in die Bayern-Arena fort und gipfelte vor einem Jahr im Einstieg des jordanischen Investors Hasan Ismaik, der viel Staub aufwirbelte. Wieviele Fans den Löwen dabei verloren gingen - unter anderem stellten die Ultras der „Cosa Nostra“ ihre Aktivitäten in der Arena ein - wird an den sinkenden Besucherzahlen deutlich. In der letzten Saison sahen im Schnitt 22.898 Zuschauer die Spiele in der überdimensionierten WM-Arena, zum letzten (Montags-)Spiel in Kaiserslautern reisten im März 2010 nur noch 800 Löwenfans mit.

Alte Bekannte sind auch die Mit-Absteiger. Die aktive Fanszene von Hertha BSC hat sich in den letzten Jahren positiv entwickelt, was die Stimmung im Stadion angeht, ist aber immer noch stark abhängig vom launischen Hauptstadt-Publikum. Von dem Dasein als Langweiler bis hin zum Zuschauerkönig im größten Zweitliga-Stadion scheint hier alles möglich - je nach sportlichem Erfolg. Nach Kaiserslautern brachten die Berliner zuletzt im Dezember 1.500 Fans mit, die neue Saison beginnt mit einem Zuschauer-Teilausschluss und maximal 27.500 Besuchern gegen den SC Paderborn.

Die gleiche DFB-Strafe bekam mit dem 1. FC Köln ein weiterer langjähriger Wegbegleiter aufgebrummt, was zum Heimauftakt gegen den SV Sandhausen aber keinen übermäßig großen Verlust bedeuten dürfte. Jeder interessierte Fußballfan hat die vielen Negativschlagzeilen mitbekommen, die im letzten Jahr über den FC-Fans ausgeschüttet wurden und letztendlich zum Rückzug der Ultras von der „Wilden Horde“ führten. Mittlerweile hat die WH ihre Rückkehr für die neue Saison angekündigt und will mit den anderen Ultragruppen wie „Coloniacs“, „Boyz“, den vielen aktiven Fanclubs und der nach wie vor sehr großen, jecken Fanszene die Stadien rocken. Wenn beim Auswärtsspiel im gut gefüllten Müngersdorfer Stadion wieder die kölschen Lieder erklingen, dürfte das auch für die dagegenhaltenden FCK-Fans ein Höhepunkt in Sachen Stimmung im sonst oft tristen Zweitliga-Alltag werden. Bei Auswärtsspielen verzeichnet der einst unglaublich reisefreudige FC-Anhang in den letzten Jahren einen leichten Rückgang, in Kaiserslautern waren beim ersten Auswärtssieg seit über 20 Jahren im vergangenen Februar aber immerhin noch 2.500 Kölner mit dabei.

Diese Zahl werden die grauen Mäuse der Liga wohl kaum erreichen: Der SC Paderborn spielte im letzten Jahr zwar bis zuletzt um den Aufstieg mit, gilt den meisten Beobachtern aber mittlerweile als Inbegriff der zweiten Liga. Ob der Zuschauerschnitt von 10.246 in der vielleicht nicht mehr so erfolgreichen neuen Saison gehalten werden kann, erscheint ebenso zweifelhaft wie die Steigerung der Auswärtsfahrer von zuletzt 150 im Fritz-Walter-Stadion. Aber die paar, die da sind, bemühen sich immerhin.

Als ähnlich unscheinbarer Verein gilt der FSV Frankfurt, der sich aber beim näheren Hinsehen einen gewissen Charme bewahrt hat. Die Bornheimer stehen nunmal im Schatten der in Frankfurt alles überstrahlenden Eintracht, aber sie machen das Beste daraus. Für die dabei gewesenen FCK-Fans ist die Gastfreundlichkeit beim Lautrer Aufstiegsspiel im April 2010 unvergessen. Das Stadtteil-Publikum am Bornheimer Hang ist durchaus sympathisch, auch wenn überragende Stimmung oder große Choreographien hier eher nicht zu erwarten sind. Der übliche Zuschauerschnitt von rund 5.000 wurde in der vergangenen Saison alleine durch das Auswärts-Heimspiel gegen die Eintracht (50.250 Besucher im Waldstadion) auf knapp 8.000 hochgeschraubt. Für kurzes Aufsehen sorgte der Verein, als er die Ultras der „Senseless Crew“ vorübergehend aussperrte, mittlerweile sind die Stimmungsmacher aber wieder am Start.

Nur zwei Mal gastieren die Roten Teufel in der neuen Saison im Ruhrpott. Nicht ganz unähnliche Vereine und Fanszenen sind dort mit dem MSV Duisburg und dem VfL Bochum anzutreffen. Die beiden langjährigen Erstligisten stehen derzeit selbst in der zweiten Liga kurz davor, zu grauen Mäusen zu werden, was nicht nur die unterdurchschnittlichen Zuschauerzahlen von je rund 13.500 unterstreichen. Im Schatten der großen Vereine aus Dortmund oder Schalke müssen der MSV und der VfL seit eh und je ihr ein bis zwei Nummern kleineres Dasein fristen, können aber immerhin auf eine treue Fan-Basis blicken. Mehr als in Ingolstadt, Paderborn oder Sandhausen wird hier allemal geboten. Während der MSV derzeit versucht, mit einer Marketing-Kampagne („1902 - Wir sind dabei“) dem rückläufigen Dauerkartenverkauf zu begegnen, kommt es gegen den VfL zum ersten Aufeinandertreffen seit über sieben Jahren für den FCK. Man darf gespannt sein, was sich beim Grönemeyer-Klub getan hat seit jenem Spiel im April 2005, bei dem 700 mitgereiste VfL-Fans ihren Auswärtssieg am Betzenberg bejubelten.

Eine sehr vielschichtige und unabhängig vom sportlichen Erfolg stets lebendige Fanszene kann Eintracht Braunschweig sein Eigen nennen. Der Deutsche Meister von 1967 hat eine Basis, von der die benachbarten Vereine aus Wolfsburg und Hannover nur träumen können und setzt seit vielen Jahren Maßstäbe bei den Besucherzahlen in den unteren Ligen. Zuletzt sahen im Schnitt 21.396 Zuschauer die Heimspiele im Eintracht-Stadion, was einen Platz im oberen Drittel der zweiten Liga bedeutet. In Lautern schlugen die Braunschweiger zuletzt im Mai 2007 auf, als 200 befreundete Waldhof-Fans den von nur noch 300 eigenen Fans begleiteten und bereits als Absteiger feststehenden BTSV unterstützten. Besonders die Ultraszene in Braunschweig ist auch bei anderen Sportarten wie Wasserball, Hockey oder Damenhandball aktiv.

Zum Saisonende hin geht die Reise für den FCK dann noch zwei Mal in den wilden Osten. Legendär bei Erzgebirge Aue - oder im Volksmund nach wie vor: Wismut Aue - ist und bleibt der leckere Nudeltopf im Gästebereich. Aber auch die Fanszene ist beachtlich, wenn man die Rahmenbedingungen in der sächsischen Kleinstadt berücksichtigt: Aue zählt nur 17.000 Einwohner, lockte aber auch letzte Saison trotz Fast-Abstieg zu jedem Heimspiel im Schnitt 9.355 Zuschauer ins kultige Erzgebirgsstadion. Auch auswärts können die Sachsen große Fanscharen mobilisieren - wenn sie wollen. 2006 bevölkerten beim ersten Auftritt in Kaiserslautern noch 2.500 lautstarke Gäste das Fritz-Walter-Stadion, im darauf folgenden Abstiegsjahr waren es dann nur noch 700.

Den Abschluss der in diesem Jahr besonders ausgeprägten „Neue-Länder-Tour“ bildet schließlich im April die Partie im östlichsten Osten bei Energie Cottbus. Sowohl sportlich als auch mit Blick auf die Zuschauer sind in der Lausitz die ganz wilden Jahre zwar vorbei, aber die Fanszene des ostdeutschen Fußballclubs mit der mittlerweile längsten Zugehörigkeit zur ersten und zweiten Bundesliga (seit 1997) ist immer noch vorhanden. Und das, obwohl der FC Energie noch zu DDR-Oberligazeiten allerhöchstens eine graue Maus ohne nennenswertes Zuschaueraufkommen war. Wunderdinge sind vom Cottbuser Anhang aber auch nicht zu erwarten: Vergangene Saison besuchten die Heimspiele im Stadion der Freundschaft durchschnittlich 11.272 Zuschauer (Platz 13), auf den Betze begleiteten die Brandenburger zuletzt 350 Fans im März 2011.

Den Abschluss der kommenden Zweitliga-Saison bildet schließlich das Heimspiel gegen einen Verein, der in letzter Zeit einer der treuesten Begleiter des FCK war: Gegen keinen Verein spielten die Roten Teufel in den letzten fünf Jahren so oft, wie gegen den FC St. Pauli. Die stets von vielen Umlandfans begleiteten „Freibeuter der Liga“ müssen eigentlich niemandem mehr vorgestellt werden, ihre fanpolitischen Aktivitäten und das Stadion-Feeling am Millerntor („Hells Bells“) sind fast schon legendär. Bei vielen Fußballfans ist der FCSP deshalb sehr beliebt, was ihn bei einigen aber auch schon wieder unbeliebt macht und darüber hinaus viele Trend-Fans anzieht. Auch alteingesessenen Sankt-Pauli-Fans ist die starke Kommerzialisierung ihres Stadtteilclubs schon seit einiger Zeit ein Dorn im Auge.

Über mangelnde Abwechslung kann man sich also nicht beschweren, wenn die Westkurve den Fanszenen aus Paderborn und Dresden, St. Pauli und Sandhausen gegenübersteht. Aber erste Liga ist dann doch irgendwie schöner!

Deine Meinung: Auf welche gegnerische Fanszene freust Du Dich in der kommenden Saison am meisten? Wen singen die FCK-Fans locker an die Wand, wer ist ein ebenbürtiger Gegner? Erzähl es uns im Diskussionsforum!

Voraussichtlich übermorgen im dritten Teil der Gegner-Vorschau auf „Der Betze brennt“: Die sportliche Seite der zweiten Liga.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Thomas

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