Historie: Die Fans des 1. FC Kaiserslautern, Teil 2/2

„Alle haben ihren Platz im Vereinsgefüge“

„Alle haben ihren Platz im Vereinsgefüge“

Nicht nur gegen Barcelona: Bengalische Feuer als Stilmittel der Fankultur eroberten von Kaiserslautern aus ganz Fußball-Deutschland, wie hier beim FCK-Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt am 22. Februar 1992; Foto: Imago

Heute im zweiten Teil der Fan-Historie auf „Der Betze brennt“: Wie der FCK unter Norbert Thines zum Vorreiter in Sachen Fan-Arbeit wurde und wie die sportlichen Erfolge der 1990er Jahre die Stimmung im Fritz-Walter-Stadion negativ beeinflussten.

Im März 1977 verlieh der 1. FC Kaiserslautern unter Präsident Jürgen Friedrich und Geschäftsführer Norbert Thines seinen Fanclubs erstmals einen offiziellen Status. Mehr als zehn Jahre später, im Juli 1989, folgte der „1. Kongress der FCK-Fanclubs“, aus dem schließlich der Fanbeirat entstand. Mit diesem Gremium wurde dem großen Einzugsgebiet des Vereins Rechnung getragen, dessen Fanclubs ab sofort in verschiedene Regionen eingeteilt wurden und feste Ansprechpartner erhielten. Vor allem in den 1990er Jahren gingen vom Fanbeirat viele beachtete Aktionen aus, wurden auch mit Unterstützung des zwischenzeitlich zum Präsidenten aufgerückten Norbert Thines ganz neue Wege in der Fanarbeit gegangen. Vorbildlich ist seither das soziale Engagement der FCK-Fans, die seinerzeit Hilfskonvois nach Bulgarien, Weißrussland oder Kroatien organisierten und noch heute in vielfältigster Form aktiv sind, wenn es darum geht, gute Taten zu tun und Institutionen wie „Mama/Papa hat Krebs“ oder die Deutsche Knochenmarkspenderdatei unterstützen.

Bundesweiter Vorreiter in Sachen Fan-Arbeit

Im Jahr 2014 ist, auch dem Zuschauerboom der letzten 20 Jahre geschuldet, eine deutliche Erweiterung der professionellen Fan-Arbeit festzustellen: Während der Fanbeirat sein Hauptaugenmerk auf die Betreuung der regionalen Fanclubs zurückgefahren hat, arbeiten im Verein selbst mittlerweile drei festangestellte Fanbeauftragte. Hinzu kommt die auf der zwei Mal jährlich stattfindenden Fanversammlung im Fritz-Walter-Stadion gewählte Fanvertretung als Bindeglied zwischen Anhang und Funktionären sowie das vom Steuerzahler und vom Fußball finanzierte Fanprojekt als unabhängige Instanz der sozialen Fan-Arbeit. Eine eigene Fanabteilung im Gesamtverein ist zudem nach dem Vorbild anderer Klubs in Vorbereitung.

Doch auch ohne Unterstützung von offizieller Seite gelang es den FCK-Fans immer wieder, Akzente zu setzen. Kaiserslautern hat alle Facetten der deutschen und internationalen Fankultur mitgenommen, ob das Auswärtsfahrten, Schwenkfahnen oder Fanzines waren. Im Internet treffen sich die Roten Teufel heute auf „Der Betze brennt“, einer der größten Fan-Homepages des Landes, und vielen anderen Seiten. Schon in den 1950er Jahren besuchten Tausende die Auswärtsspiele in der Oberliga Südwest oder reisten mit prall gefüllten Sonderzügen zu den Endspielen nach Berlin. Die 40.000 FCK-Fans, die 1991 im Müngersdorfer Stadion die Deutsche Meisterschaft feierten, bedeuten einen deutschen Auswärtsrekord für die Ewigkeit. Ein historischer Tag war auch der 2. August 1985: Beim Abschiedsspiel von Hans-Peter Briegel, der ein Jahr zuvor nach Verona gewechselt war, wurde die Westkurve erstmals in größerem Ausmaß mit bengalischen Feuern und bunten Rauchbomben verschönert. Die FCK-Fans hatten dieses optische Stilmittel von ihren Italien-Besuchen bei der „Walz aus der Pfalz“ mitgebracht und setzten einen Trend, dem schnell ganz Deutschland folgte. Bei demselben Spiel wurde auch zum ersten Mal eine überdimensionale Blockfahne präsentiert, nachdem die großen, rot-weißen Schwenkfahnen schon seit den 1970er Jahren ihren Teil zum Bild des „Mythos Betzenberg“ beigetragen hatten.

Der Erfolg bringt auch Probleme mit sich

Doch mit der Hochzeit dieses auch von den Massenmedien projizierten „Mythos Betzenberg“ begannen gleichzeitig die Probleme. Ging das 5:0 gegen Real Madrid 1982 als „das lauteste Spiel der FCK-Geschichte“ in die Annalen ein, das 3:1 gegen den FC Barcelona 1991 als „das Spiel der 100 Bengalos“, so waren es paradoxerweise gerade die sportlichen Erfolge und das Zuschauerwachstum der 1990er Jahre, die zu einer spürbaren Verschlechterung der Stimmung führten. In der Westkurve standen plötzlich Konsumenten inmitten der tobenden Masse, welche teilweise ebenso vom Erfolg verwöhnt schien. Hinzu kamen Einschränkungen von Außen wie das strikte Verbot der bengalischen Feuer oder die von der UEFA geforderten Klappsitze in der Westkurve. Die Rentner mit ihren schwingenden Regenschirmen auf der alten Nordtribüne, die immer wieder als liebevoll verklärtes Symbol für die Bastion Betzenberg herhalten müssen sind heute undenkbar, Geldstrafen und Platzsperren wären zu befürchten. Der „moderne Fußball“ forderte auch bei den Fans ihren Tribut, die ihre Mannschaft nun nicht mehr mit allen Freiheiten unterstützen konnten, sondern sich gleichzeitig auf Nebenkriegsschauplätzen wie dem Kampf für den Erhalt der Stehplätze (1990er Jahre: „Sitzen ist für'n Arsch“, „Fußball braucht Stehplätze - Ich steh' zum FCK“), für fangerechte Anstoßzeiten (2000er Jahre: „Pro 15:30“, „Kein Kick vor Zwei“, „We don't like mondays“) oder heute in großer Vielfalt für Fan-Rechte und gegen übertriebene Sicherheitshysterie tummeln müssen. Vorbildlich: Unter Federführung des Fanbeirats waren die FCK-Anhänger vor 20 Jahren einer der Vorreiter der mittlerweile von allen Fußballverbänden getragenen Aktion „Rote Karte dem Rassismus“.

Aus den Stimmungsproblemen der 1990er Jahre entwickelte sich auf dem Betzenberg eine neue Fankultur, die gleichzeitig in ganz Deutschland die Stadien eroberte: Die Ultras. Fahnen, Bengalos und lautstarke Fangesänge gehörten in Kaiserslautern schon vor der Gründung der „Generation Luzifer“ (1998) als Dachorganisation dazu, jetzt kamen noch imposante Choreographien, kritische Spruchbänder und ein hohes Maß an Organisation dazu. Die Ultras und parallel dazu auch viele „normale“ Fans wollten sich einmischen, das Spiel wenigstens zum Teil zurückgewinnen und dem Fußballgeschäft ihren eigenen Stempel aufdrücken. Heute hat sich die Ultraszene, zu der beim FCK auch noch die „Frenetic Youth“ und das „Pfalz Inferno“ als größere Gruppen zu zählen sind, ihren festen Platz in Kaiserslautern und in Deutschland erarbeitet. Immer wieder kommt es dabei zu Konflikten und doch sind die Ultras, denen von Soziologen der Status als am stärksten wachsende Subkultur in Deutschland zugesprochen wird, nicht mehr aus den Stadien wegzudenken - für manchen Kritiker sind sie unfreiwillig sogar zum festen Bestandteil des „modernen Fußballs“ geworden.

Die Ultras prägen mittlerweile das optische Bild der Westkurve, sind aber bei weitem nicht das alleinige Spiegelbild der immer noch vielschichtigen FCK-Fanszene. Auch heute sind die Lautrer Fans noch auf allen Ebenen aktiv, egal ob sozial, stimmgewaltig, farbenfroh oder vereinspolitisch. Oder einfach im Alltag, wenn sie die rot-weiße Fahne gegen all die Bayern- und Dortmund-Fans der heutigen Zeit hochhalten. Die Stimmung im Fritz-Walter-Stadion ist nicht mehr die der früheren Jahre, im tristen Zweitliga-Alltag ist der Betze manchmal nur halb gefüllt. Aber dann gibt es sie doch immer wieder, diese Fußballfeiertage, in denen die Westkurve und mit ihr das ganze Stadion eine Magie ausstrahlt, die in einer einzigartigen Atmosphäre und ohrenbetäubender Kulisse mündet.

Auch heute noch mehr als anderswo: Was zählt, ist die Liebe zum FCK

Im mittlerweile fast 50.000 Zuschauer fassenden Fritz-Walter-Stadion, das baulich nicht mehr viel mit dem engen Hexenkessel der Mythos-Jahre 1985 bis 1994 gemein hat, haben viele Merkmale der durchgestylten Fußball-Moderne Einzug gehalten. Und doch gilt in etwas abgeschwächter Form noch immer das, was in vielen anderen Stadien, zwischen Business-Seats und Paycard-Catering, abhanden gekommen ist: Im Fritz-Walter-Stadion steht der Geschäftsführer neben dem Fließbandarbeiter neben dem Schüler, der Zurückhaltende neben der Ausflippenden, der Ultra neben dem Rentner. Vor allem in der Westkurve, aber auch auf den anderen Tribünen ist dieses Wir-Gefühl noch zu spüren: Egal, wer Du bist, es zählt nur unsere gemeinsame Liebe zum FCK!

Oder, um es mit den über 20 Jahre zurückliegenden Worten des Lautrer Fan-Pioniers Norbert Thines zu sagen: „Müllmann und Staatsminister, Arbeitsloser und Bankdirektor, Pfälzer, Saarländer, Ausländer, Christ, Atheist, Moslem, Rollstuhlfahrer und Leistungssportler, Sponsor und Fanclub, Kind und Oma/Opa, Putzfrau, Student, Polizist, Winzer, Reich und Arm, Mitglied, Sympathisant, und und und… Alle haben ihren Platz im Vereinsgefüge, finden ihre Akzeptanz, ein Stück 'Kultur', da frei aus dem Volke kommend!“

Eure Geschichten auf DBB: Wie hat sich die Fankultur seit Deinem ersten Besuch auf dem Betzenberg verändert? War früher wirklich „alles besser“ oder manches einfach nur „anders“? Erzähl es uns und diskutiere mit im Forum von „Der Betze brennt“!

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Thomas

Weitere Links zum Thema:

- Teil 1 der Fan-Historie: „Nie eine solch stimmgewaltige Kulisse erlebt“

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