Interview mit Rechtsanwalt Dr. Andreas Hüttl aus Hannover

"Die Mitglieder sollten sich genau informieren"

"Die Mitglieder sollten sich genau informieren"


Rechtsanwalt Dr. Andreas Hüttl hat in den letzten Jahren bei Hannover 96 miterlebt, was nach einer Ausgliederung alles schief laufen kann. Im Interview spricht er unter anderem darüber, was beim 1. FC Kaiserslautern besser gemacht werden sollte.

Der Betze brennt: Andreas Hüttl, immer mehr Fußballvereine in Deutschland haben ihre Lizenzspielerabteilung ausgegliedert. Welche Gründe gibt es denn überhaupt für eine Ausgliederung in eine Kapitalgesellschaft?

Hüttl: Als Grundlage für die Notwendigkeit einer Ausgliederung steht zunächst stets die Frage der Gemeinnützigkeit eines eingetragenen Vereins im Mittelpunkt. Verkürzt gesagt, gemeinnützige Vereine dürfen grundsätzlich keine Gewinnerzielungsabsicht haben. Ein Umstand, der im heutigen Fußballgeschäft sicher einige Probleme hervorrufen kann. Für den Fall, dass die Gemeinnützigkeit aberkannt werden würde, kann es zu erheblichen steuerrechtlichen Nachteilen kommen. Durch die Ausgliederung wird diesem Problemfeld der Boden entzogen. Die ausgegliederte "Profi-Gesellschaft" kann selbstverständlich mit Gewinnerzielungsabsicht geführt werden. Der verbleibende "Restverein" mit den weiteren Sparten des Breitensports trägt im Falle der Ausgliederung des Profibereichs dann kein Risiko mehr. Ein weiterer Grund für eine Ausgliederung, der meistens eine ebenso hohe Relevanz beinhaltet, ist die Beschaffung von frischem Kapital für den Profibereich.

"Die Abhängigkeit von einem Hauptinvestor wäre gefährlich"

Der Betze brennt: Gerade Ihr Lieblingsverein Hannover 96 steht in letzter Zeit im Zusammenhang mit der 50+1-Regel oder Anteilsverkäufen immer wieder im Fokus der Öffentlichkeit. Auch mit Blick auf die anstehende Abstimmung am Sonntag in Kaiserslautern: Wo sehen Sie denn Chancen, wo Gefahren einer Ausgliederung?

Hüttl: Wenn ich mir die entsprechenden Mitteilungen des 1. FC Kaiserslautern "Zusammen Zukunft schaffen! - zukunft.fck.de" so anschaue, scheint die bereits von mir erwähnte Beschaffung von frischem Kapital ein erheblich mitbestimmender Grund für die anstehende Abstimmung zu sein. Gefahren einer Ausgliederung, gerade in Hinsicht auf die Gegebenheiten in Hannover, sind vor allem in einer möglichen Abhängigkeit von dem "Hauptinvestor" sowie in der Frage des Umgangs mit den Rechten der Mitglieder des eingetragenen Vereins zu sehen.

Der Betze brennt: Der 1. FC Kaiserslautern will in eine "GmbH & Co. KGaA" ausgliedern. Können Sie uns als Außenstehender diese Rechtsform nochmals erläutern?

Hüttl: Die Rechtsform der GmbH (Gesellschaft mit beschränkter Haftung) beschränkt die Haftung zunächst auf das Kapital dieser Gesellschaft. Die Rechtsform der GmbH & Co KG ist grundsätzlich eine Sonderform einer Kommanditgesellschaft (KG), also einer Personengesellschaft, in der der Komplementär grundsätzlich persönlich unbegrenzt haftet. Anders als dort wird diese grundsätzlich unbegrenzte persönliche Haftung durch die Nutzung einer GmbH, also einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, "gedeckelt". Ziel dieser Konstruktion ist es, Haftungsrisiken für die hinter der Gesellschaft stehenden Personen auszuschließen oder jedenfalls auf das Kapital der GmbH zu begrenzen. Die Rechtsform der GmbH & Co. KGaA ist die einer Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA), deren Komplementär eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) ist.

Durch die Wahl dieser Mischform lässt sich die Haftung der Kommanditgesellschaft auf das Vermögen der GmbH beschränken, ohne die Rechtsform der Kommanditgesellschaft auf Aktien aufgeben zu müssen. Zu den Spielbetriebsveranstaltern, die diese Rechtsform nutzen, gehören sowohl Borussia Dortmund als auch Hannover 96. Der Unterschied liegt in der Verfügbarkeit der Aktien. Während bei Borussia Dortmund die Aktien grundsätzlich frei gehandelt werden, werden die Aktien - oder besser Gesellschaftsanteile - in Hannover von einigen wenigen Gesellschaftern gehalten und können grundsätzlich nicht von anderen Personen frei erworben werden.

Der Betze brennt: Schaut man sich die Ausgliederungspläne in Kaiserslautern genauer an, setzt der FCK auf vier unterschiedliche Säulen, in denen Interessierte investieren können. Sehen sie große Unterschiede zum Konstrukt bei Hannover 96 und wie beurteilen Sie denn das "Lautrer Modell"?

Hüttl: Ich sehe da tatsächlich gar keinen so großen Unterschied. Wenn ich das "Lautrer Modell" richtig deute, sollen auch hier einige, möglichst aus der Region stammende Investoren gefunden werden, die die Aktien halten und sich finanziell in dem ausgegliederten Spielbetriebsveranstalter engagieren. Nichts anderes ist in Hannover der Fall.

"Wertvorstellungen des FCK? Wünschen kann man sich alles!"

Der Betze brennt: Die Verantwortlichen des FCK wollen nach eigener Aussage nur Investoren, die sich mit den eigenen Zielen und Wertvorstellungen identifizieren können. Halten Sie diesen Wunschgedanken im Fußball, wie er sich heute darstellt, überhaupt noch für umsetzbar?

Hüttl: Ach, wünschen kann man sich alles. Die Möglichkeit des Weiterverkaufs von Anteilen kann meines Erachtens jedoch nicht vollständig ausgeschlossen werden. Ob weitere Erwerber ebenfalls die Wertvorstellungen des FCK teilen würden, wäre eine nicht zu unterschätzende Frage, möglicherweise aber eben auch ein Risiko.

Der Betze brennt: Was sollten die Mitglieder des 1. FC Kaiserslautern tun, bevor sie am Sonntag auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung zum Stimmzettel greifen?

Hüttl: Sie sollten sich genau informieren über was dort abgestimmt wird und sich nicht auf etwaige Hochglanzprospekte und seichte Versprechungen verlassen. In Hannover wurde bei der Ausgliederung beispielsweise garantiert, dass der Stammverein immer das letzte Wort haben wird. Was aus diesen Versprechungen geworden ist, zeigt sich aktuell sehr offensichtlich: Nichts.

"In Hannover wurden die Versprechen von vor der Ausgliederung gebrochen"

Der Betze brennt: Welche Rechte haben Mitglieder eines Vereins nach einer Ausgliederung noch?

Hüttl: Was den Verein angeht, dieselben wie vorher. Was den Einfluss auf den ausgegliederten Spielbetriebsveranstalter betrifft, kaum bis gar keine mehr. Je nach konkreter Ausgestaltung der satzungsrechtlichen Befugnisse. Mein Erleben der Umstände in Hannover lassen die entsprechenden Befürchtungen jedenfalls nicht leiser werden.

Der Betze brennt: Als abschließende Frage noch ein kleiner Blick über den Tellerrand des Themas Ausgliederung: Glauben Sie, dass man die 50+1-Regel in ihrer jetzigen Form noch lange aufrechterhalten kann?

Hüttl: Wenn die Mitglieder der DFL sich des Wertes dieser Art der Mitbestimmung und Verbundenheit mit den Vereinen bewusst werden und darum kämpfen, glaube ich das schon. Wenn die Gier nach kurzfristigen Finanzzuwächsen sich durchsetzt, wohl eher nicht.

Der Betze brennt: Wir bedanken uns für das Gespräch.

Die Vereinsmitglieder des 1. FC Kaiserslautern entscheiden am kommenden Sonntag, den 03. Juni 2018 über die beantragte Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung. Der Betze brennt berichtet ab ca. 10:30 Uhr per Live-Ticker von der Außerordentlichen Mitgliederversammlung im Fritz-Walter-Stadion.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Flo

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