Taktik-Nachlese zum Spiel FCK-1860

Die Taktikanalyse: Den Kopf hängen lassen kann jeder

Die Taktikanalyse: Den Kopf hängen lassen kann jeder

Foto: Neis/Eibner

Ja, ja, diese Mannschaft ist unfähig, ihre sportliche Führung erst recht. Gibt’s sonst noch was zu sagen nach dem desaströsen 0:3 des 1. FC Kaiserslautern gegen 1860 München - vielleicht etwas Konstruktives, Vorwärtsgerichtetes? Versuchen wir es mal.

"Die Qualität der Einzelspieler ist der erste wichtige Baustein. Der zweite Baustein ist die Taktik. (...) Dritter Baustein ist also die Physis. Und als vierter Baustein dann natürlich die Mentalität." So habe er sich das zu Beginn seiner Karriere auf ein Flipchart gezeichnet, schreibt Roger Schmidt in "Das Buch eines Trainers", das diesen Sommer erschienen ist. Der ehemalige Leverkusener Coach erzählt darin von seiner Zeit als Übungsleiter in China, gibt aber auch interessante Einblicke in seine generelle Arbeitsweise. Aktuell ist Schmidt beim PSV Eindhoven aktiv und rangiert mit der deutschen Spieler-Enklave, die er sich dort zugelegt hat, auf Rang 2 der niederländischen Ehrendivision.

Mit der Zeit habe er festgestellt, dass an seinem Vier-Säulen-Modell etwas nicht stimmt, schreibt Schmidt weiter. Der vierte Baustein, die Mentalität, könne nicht einfach so für sich stehen, denn er beeinflusst alle anderen. "Ob die Spieler ihre vorhandene Qualität abrufen und in den Dienst der Mannschaft stellen, hängt sehr stark davon ab, ob sie in einer guten mentalen Verfassung sind. Ob ein Spieler alles aus seinem Körper herausholt und sich bis zum Letzten verausgabt, hängt genauso von seiner mentalen Bereitschaft ab. Und auch die Umsetzung der vorgegebenen Taktik ist eng mit Wille und Mentalität verknüpft."

Wir bleiben dabei: Sie können es doch

Bezogen auf die aktuelle Situation des 1. FC Kaiserslautern heißt das, dass wir von unserer Erkenntnis aus der vergangenen Woche nach wie vor nicht abrücken: Auch sämtliche Spieler, die am Dienstag bei dem sang- und klanglosen 0:3 gegen die Sechzger auf Platz standen, haben in der 3. Liga bereits herausragende Leistungen zeigt. Sie können es also. An mangelnder Fitness liegt’s ebenfalls nicht, denn sie haben in dieser Saison auch spät noch Treffer erzielt. Dass sie taktische Konzepte ihres aktuellen Trainers umsetzen können, haben sie bis einschließlich zur Partie gegen den damaligen Tabellenführer 1. FC Saarbrücken wiederholt nachgewiesen.

Es muss also eine Frage der Mentalität sein. Oder, weniger akademisch ausgedrückt: Kopfsache. Und es muss einen Weg aus dem Jammertal geben. Es muss. Daran zu glauben, wäre schon mal ein erster Schritt. Und auf jeden Fall besser, als sich damit abzufinden, dass alle einfach nur unfähig sind: Spieler, Trainer, Sportdirektor, Geschäftsführer, Aufsichtsrat. Die Frage ist nur, welcher Weg der richtige ist.

Sechzig siegt klar, produziert aber nur einen xG-Gesamtwert von 1.29

Die xG-Plots aus der Partie gegen die Löwen geben da, zugegeben, nur bedingt Aufschluss. Die Aufrechnung der "expected Goals"-Werte ergibt ein 0.60 : 1.29 zugunsten der Gäste, ein klares Ergebnis also, welches das reale bestätigt.

xG-Plot FCK-1860

Andererseits: Ein kumulierter Wert von 1.29 für eine Mannschaft, die immerhin drei Tore geschossen hat? So viele hochkarätige Torchancen über 90 Minuten haben die Roten Teufel dann also doch nicht zugelassen, obwohl sie in Hälfte zwei nur noch zu zehnt waren. Obwohl natürlich keine Maus den Faden daran anbeißt: Die Löwen hatten ihre Beute von der ersten Minute an im Sack.

Und die Leistung der dezimierten FCK-Mannschaft in den zweiten 45 Minuten war zumindest respektabel: Sie arbeitete sich auch qualitativ genauso viele Einschussgelegenheiten heraus wie der Gegner.

Zwei Stürmer auch nach dem Platzverweis: Aus Mut oder wegen Huth

Erwähnenswert auch, wie Saibene das Team nach Bachmanns Platzverweis umformierte: Er nahm nicht den zweiten Stürmer raus, um gegen den Ball in einem 4-4-1 zu agieren – das ist eigentlich die gängige Praxis in Unterzahl. Er ließ den zweiten Stürmer auf dem Platz, entschied sich für ein 4-1-2-2. Das kann man als Mut der Verzweiflung interpretieren, war vielleicht aber auch der Qualität Elias Huths geschuldet. Dem Stürmer mag in der Box in dieser Spielzeit noch nichts gelungen sein, aber er kann rennen. Und das ist im Spiel Zehn gegen Elf mehr gefragt als alles andere.

Die Positions- und Passgrafik weist ein recht interessantes Detail auf: Da führt eine dicke Passlinie von Avdo Spahic auf Stürmer Huth. Langholz vom Keeper direkt auf den vorderen Stürmer? Das hat man so exzessiv unter Saibene noch nicht gesehen. Ob das Taktik war oder Verzweiflung, mag jeder für sich selbst interpretieren.

Passmap FCK

Für unsere Freunde aus München hier die Positions- und Passgrafik der Blauen:

Passmap 1860

Was hilft dies alles nun mit Blick auf die Partie am Samstag in Uerdingen? Wie schon gesagt: Zunächst mal nicht viel. Die Gedanken müssen über die Analyse dieses deprimierenden Auftritts hinausgehen. Zunächst einmal muss die Elf defensiv wieder zu der Stabilität zurückfinden, die sie bis zum Spiel gegen Duisburg eigentlich schon gefunden hatte.

Nach Bachmanns Platzverweis ist die Variante mit ihm als Innenverteidiger erst mal passé. Dass der Wiedereinbau Alex Winklers im 1860-Spiel riskant war, müsste dem Trainer eigentlich bewusst gewesen sein. Nach einer so langen Verletzungspause in einer zuletzt verunsicherten Hintermannschaft sein Debüt geben, das konnte schwerlich gutgehen. Andererseits: Wenn Winkler jetzt so schnell wie möglich zur Verstärkung werden soll, braucht er Spielpraxis.

Warum nicht Hainault - und Dreierkette?

Wie wär’s wieder mal mit André Hainault? Der Stand-by-Profi könnte Ruhe und Erfahrung in den Hühnerhaufen bringen. In seinen bisherigen Saisoneinsätzen in Wiesbaden und in Saarbrücken hat er seine Sache jeweils gutgemacht. Überhaupt ist der FCK in den letzten sechs Partien, in denen er mit dabei war, nie als Verlierer vom Platz gegangen.

Da er nicht mehr der Schnellste ist, wäre „tief stehen“ als taktische Vorgabe unerlässlich. Und, um die Abstände zu den Nebenleuten gering zu halten: Wie wär’s mal hinten mit einer Dreierkette, die gegen den Ball zur Fünferkette wird? Einem Trio Kraus-Hainault-Winkler wäre auch eine gute Absicherung gegen hohe Flugbälle nach Standards zuzutrauen, da ist der FCK bekanntlich ebenfalls anfällig.

Immer dran denken: Alles nur Kopfsache

Mit Philipp Hercher steht zudem wieder ein Rechtsverteidiger zur Verfügung, der auch defensiv arbeiten kann. Marius Kleinsorge wäre wieder frei für eine offensive Flügelposition, die aufgrund seiner Schnelligkeit ebenfalls Sinn macht: Speed ist das, was eine tiefstehende Mannschaft braucht, um von hinten raus nach vorne zu kommen. Auch daran fehlte es dem FCK-Spiel zuletzt. Ideen gäbe es also noch genug, um aus dem Jammertal herauszufinden. Nur müssen sie mit Überzeugung und Willen umgesetzt werden. Und die sind nun einmal Kopfsache.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

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