Taktik-Nachlese zum Spiel FCK-SVWW

DBB-Analyse: Kein Zwergenaufstand zu Saibenes Ausstand

DBB-Analyse: Kein Zwergenaufstand zu Saibenes Ausstand

Foto: Eibner/Neis

Punkte weg, Trainer weg, der 1. FC Kaiserslautern dreht sich im Teufelskreisel Richtung Untergang. Auch der differenzierte Blick auf Jeff Saibenes Ausstand zeigt: Die "letzte Patrone" muss her, unbedingt und wieder mal.

Dass es ein spannenderes Spiel werden würde als unter der Woche gegen Türkgücü München, wurde schon in den ersten Minuten klar. Der SV Wehen Wiesbaden präsentierte sich sofort als Mannschaft, die selbst initiativ werden, dominieren wollte. Damit waren ähnliche Voraussetzungen gegeben wir vor Wochenfrist, als der FCK auf Tabellenführer Dynamo Dresden traf. Die Elf von Jeff Saibene durfte wieder in einem tiefgestaffelten 4-1-4-1 abwarten, auf Ballgewinne in der eigenen Hälfte spekulieren, die Chance zum schnellen Umschalten suchen.

Das gelang ihr bisweilen recht gut, drum verzeichnete Lautern gegen Dresden so viele eigene Tor-Aktionen wie nie zuvor in dieser Saison. Andererseits pflegt die Hintermannschaft zu wackeln, wenn sie früh unter Druck gebracht wird. Drum stand es in Dresden am Ende 3:4. Eine Niederlage also, bei der die Lautrer immerhin zwei Mal in Führung gegangen waren und die Riesenchance zum vorentscheidenden 4:2 verpassten.

Und diesmal? Fiel trotz ähnlicher Voraussetzungen nur ein Tor, doch sieht die erneute FCK-Niederlage nur vom Ergebnis her knapp aus. Tatsächlich erspielte sich Wiesbaden sogar noch mehr Einschussgelegenheiten als Dresden, während der FCK nach vorne gar nichts zustande brachte. Die "expected Goals"-Timeline spricht Bände.

xG-Plot FCK-SVWW

Weshalb die Wiesbadener den Sack nicht früher zumachten, müssen sie in ihren eigenen Analysen klären. Hier geht es darum, weshalb der FCK nicht mehr zustande brachte.

Zunächst mal das Offenkundige: Der kurzfristig erkrankte Jean Zimmer fehlte, die Winter-Leihgabe aus Düsseldorf, die zuletzt bereits eindrucksvoll als fähiger Umschaltspieler profiliert hatte. Seinen Part auf der rechten Seite übernahm Anil Gözütok, der sein erstes Ligaspiel von Beginn an machte. Er erledigte sein Job bis zu seiner Auswechslung nach etwa einer Stunde, sagen wir mal, unauffällig. Den 20-Jährigen für diese Niederlage mit in die Verantwortung zu nehmen, wäre auch jämmerlich.

Sessa-Double Anas Ouahim: Ein paar Ansätze, mehr noch nicht

Mehr Erwartungen ruhten dagegen auf Anas Ouahim, der unter der Woche aus Sandhausen ausgeliehen wurde. Der immerhin zweitligaerfahrene Deutsch-Marokkaner übernahm eine der inneren Positionen in der offensiven Viererkette, zeigte in der ersten Hälfte einige Male, dass er auf engem Raum den Ball behaupten kann. Insgesamt wirkt der 23-Jährige wie ein Double des im vergangenen Sommer verpflichteten Nicolas Sessa, der wegen wiederholter Verletzungen bislang noch nicht zum Zuge kam.

Allerdings manifestiert sich in seiner Erscheinung auch das große Manko des FCK-Teams in dieser Partie: Ouahim ist nur 1,75 Meter groß und eher schmächtig. Die mit ihm nominierten Mittelfeldspieler Kenny Redondo, Marlon Ritter und Gözütok verfügen ungefähr über die gleiche körperliche Präsenz.

Bei Wiesbaden agierten in den gleichen Spielfeldzonen derweil Kraftpakete wie Paterson Chato (1,86 Meter), Marc Lais (1,84 Meter) oder Lucas Brumme (1,87 Meter). Dazu hatte Trainer Rüdiger Rehm den Defensivspezialisten Jakov Medic (1,93 Meter) nach vorne geschoben, er sollte Mittelstürmer Philipp Tietz (1,90 Meter) unterstützen.

Wehen-Coach Rehm wusste: Physis würde entscheiden - und Lautern?

Und warum so viel Körpermasse? Weil ihm klar gewesen sei, dass auf dem schweren Boden des Betzenbergs die Physis entscheiden würde, erklärte Rehm nach dem Spiel. Wie recht er damit hatte, wurde mit zunehmender Spielzeit immer deutlicher, als sich der sogenannte Rasen nach und nach in einen Schlammplatz verwandelte.

Dass es so kommen würde, war doch auch auf FCK-Seite bekannt. Wär’s nicht vielleicht möglich gewesen, der körperlichen Präsenz der Gäste mit geeigneteren Kräften zu begegnen? Zwergenaufstände sind bekanntlich selten erfolgversprechend, wenn keine feine Spielfläche zur Verfügung steht, auf der die Kleinen ihre Stärken am Boden ausspielen können.

Ausgerechnet vor dieser Partie hatte Saibene entschieden, auf der Sechs Carlo Sickinger den Vorzug vor dem um einiges robusteren Tim Rieder zu geben. Der 23-Jährige, zuletzt in der Formkrise, präsentierte sich insgesamt wieder verbessert, zeichnete sich aber auch für einen der Ballverluste verantwortlich, die den Wiesbadenern bereits in Hälfte eins vier große Einschussmöglichkeiten im Strafraum bescherten. Dass der FCK es allein Keeper Avdo Spahic zu verdanken hatte, dass er nicht schon zur Pause zurücklag, ist bereits im DBB-Spielbericht gewürdigt worden.

Einmal mehr zeigt sich: Es hätte Typen wie Mai und/oder Boyd gebraucht

In der Pause zog Saibene Sickinger in die Innenverteidigung zurück, da Kevin Kraus verletzt raus musste. Allerdings hatte auch der gelernte Abwehrspieler sich dem Gegner bereits als unfreiwilliger Passgeber angedient. Rieder sorgte in Hälfte zwei dann für den einzigen einigermaßen gefährlichen Torschuss des FCK.

Mit Daniel Hanslik und Elias Huth kamen weitere körperlich robustere Spieler erst spät. Ob sie allerdings für mehr physisches Gleichgewicht auf dem Feld gesorgt hätten, wenn sie von Anfang an gespielt hätten, ist müßig zu diskutieren. Viel gelungen ist in dieser Saison beiden noch nicht.

Somit offenbarte dieser Spiel einmal mehr, weshalb sich der FCK vergangenen Sommer um Abwehr-Riesen wie Sebastian Mai - wechselte lieber nach Dresden - und einen Sturmtank wie Terence Boyd - blieb lieber in Halle - bemüht hatte. Exakt solche Typen fehlten an diesem Samstag besonders.

Doch auch damit ist gegenwärtige Misere noch nicht vollständig erklärt. Einmal mehr fiel auf, dass diese Mannschaft im Laufe eines Spiel kaum zu irgendeiner Form von taktischer Variabilität findet. Sie bewegt sich einigermaßen geordnet in dem tiefen 4-1-4-1, das der Trainer ihr verordnet hat, wie auch die Positions- und Passgrafik zeigt.

Passmap FCK

Zum Vergleich die Visualisierung der Wiesbadener Aktivitäten. Sieht in der grafischen Darstellung gar nicht so viel anders aus, in dem Fall bietet die reale Betrachtung in der Tat die allein gültige Aussagekraft.

Passmap SVWW

Aber sonst? Gelegentlich, etwa bei Einwürfen des Gegners in der eigenen Hälfte, kam es mal zu weiter vorne ansetzenden Pressingversuchen, denen es jedoch an Biss und an einem wirklich organisierten Vorgehen fehlte. So etwas wie Gegenpressing scheint dem Team mittlerweile vollkommen unbekannt. Dabei hatte Saibene-Vorgänger Boris Schommers doch durchaus versucht, es ihm beizubringen. Gleiches gilt für Spielverlagerungen auf die andere Seite per langem Diagonalpass: Unter Schommers, etwa von Hikmet Cifcti, noch öfter zu sehen, aktuell, wenn überhaupt, nur noch als missglückter Versuch zu erkennen, gegen Wiesbaden etwa von Kraus in Halbzeit eins.

Bilanz nach fünf Spielen 2021: Es ist noch schlechter geworden

Die Freistellung der Trainers nur wenige Stunden nach dem Spiel ist zwar einmal mehr Wasser auf die Mühlen derer, die feixend am Bild des 1. FC Chaoslautern weitermalen möchten, in diesem Fall aber folgerichtig. Ein Aufwärtstrend, der nach der guten Leistung zum Jahresende beim 2:0-Sieg gegen den KFC Uerdingen erhofft worden war, ist in den ersten fünf Spielen dieses Jahres beim besten Willen nicht zu erkennen, die Mannschaft hat sich fußballerisch sogar noch weiter zurückentwickelt. Was sich zum Teil auch aus unsere xG-Analysen herauslesen lässt.

Hatten wir in unserer Zusammenfassung zum Jahreswechsel noch festgestellt, dass die herausgearbeiteten Torchancen des FCK eigentlich zu acht mehr Punkten hätten reichen müssen als es tatsächlich gab, entspricht die Punktausbeute in den ersten fünf Spielen auch den xG-Werten. Allerdings wäre gegen Türkgücü ein Sieg vielleicht ein wenig "gerechter" gewesen.

Zum Trainerwechsel als "letzte Patrone" - die wievielte in den vergangenen 20 Jahren ist das eigentlich? - gab es keine Alternative mehr. Wieder einmal. Hoffnung? Existiert allenfalls um die Ecke gedacht: Dass der neue sportliche Leiter quasi bereits feststeht - Markus Merk hofft auf einen Abschluss in den nächsten zehn Tagen - und im Hintergrund die Trainer-Nachfolge mit regelt. Die aktuellen Verantwortlichen haben jetzt oft genug daneben gegriffen.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Inhaltsverzeichnis zur Saison 2020/21: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

Kommentare 338 Kommentare | Empfehlen Artikel weiter empfehlen | Drucken Artikel drucken