Taktik-Nachlese zum Spiel Köln-FCK

Die DBB-Analyse: Der größte Fehlerteufel war der Schiri

Die DBB-Analyse: Der größte Fehlerteufel war der Schiri

Foto: Daniel Krämer

Am Ende guten Kampf, davor viel Krampf, aber durchgehend Kurzweil bot das 3:3 des 1. FC Kaiserslautern bei Viktoria Köln. Und vielleicht auch manchen Fingerzeig für die Zukunft.

Ja, Timmy Thiele hat zwei Tore gemacht, und, ja, das führt in den Foren wieder zu Kommentaren in der Art: "Warum haben die Deppen den zu Saisonbeginn gehen lassen?" Okay, kann man fragen, man kann aber auch mal drüber nachdenken: Wie oft hat man Thiele im FCK-Dress in Einschusspositionen gesehen wie denen, aus denen er am Samstag in Köln getroffen hat? Und wie oft hat er dabei nicht getroffen? Und das in Phasen, in denen ein Tor für Lautern spielentscheidend sein konnte?

Das Interessante an Thieles Tor-Aktionen gestern war nicht, dass er getroffen hat, sondern, wie er getroffen hat: Gleich zwei Mal überlupfte er den Keeper eiskalt, beim zweiten Mal geradezu spektakulär. Dergleichen hat man in seiner FCK-Zeit nie gesehen. Da hat sich einer mit bereits 29 Jahren nochmal ein Stück weiterentwickelt. Oder aber: Er hat sich oder jemand hat ihm nochmal richtig was beigebracht. Oder, er hat sich in Köln das Selbstbewusstsein aneignen dürfen, das es für solcherart Coolness braucht und das ihm in Kaiserslautern nicht gegeben war.

Natürlich: Angesichts dieser beiden Treffer darf aus FCK-Sicht nicht der Schütze gefeiert werden. Eingeleitet wurden sie durch zwei haarsträubende Abwehrböcke zweier Innenverteidiger, an denen es nichts schönzureden gibt. Den ersten fabrizierte Kevin Kraus, den zweiten Tim Rieder. Es waren nicht die ersten individuellen Fehler dieser Saison, die zu Gegentreffern führten, aber so krass und unmittelbar hintereinander nach nicht einmal 20 Minuten Spielzeit, so kurz vor Rundenende und vor Öffnung des Sommertransferfensters - das lässt sich auch als Wink mit dem Zaunpfahl interpretieren.

Schwächelnde Innenverteidiger, doch keiner redet mehr von Winkler

In dieser Hintermannschaft muss sich etwas tun. Zumal sich mit dem Trainerwechsel von Jeff Saibene zu Marco Antwerpen auch einige Verschiebungen in der Kaderhierarchie ergeben haben, auf die es ebenfalls zu reagieren gilt. Innenverteidiger Alex Winkler etwa, vergangenen Sommer geholt, als Stammkraft und Führungsspieler eingeplant und unter Saibene auch als solcher im Einsatz, verzeichnet seit seiner Gelb-Rot-Sperre vor sechs Spieltagen keine einzige Einsatzminute mehr, obwohl Tim Rieder fast ebenso lange schon in der Form schwächelt. Da scheint einer beim neuen Trainer gar nicht mehr angesagt zu sein.

Bei den Defensivspielern Felix Götze und Marvin Senger wiederum dürfte der Verbleib am Betzenberg fraglich sein, da sie nur geliehen sind. Der nunmehr 34-jährige André Hainault, ohnehin seit Monaten verletzt, wird seinen Status als Standby-Profi wohl auch nicht mehr aufrechthalten können. Somit ist im Abwehrbereich nicht nur Handlung notwendig, sondern auch entsprechend Spielraum gegeben.

Die Dreierkette: Auch ohne Götze ein Zukunftsmodell

Apropos Götze: Der kehrte in Köln wieder in seine Position als zentraler Mann in einer Dreierkette zurück. Und spätestens nach dem 1:3-Rückstand, den Kai Klefisch bereits in der 32. Minute herstellte, war er zum ständigen Auspendeln nach vorne gezwungen, um das Spiel seiner Mannschaft anzutreiben. So richtig an Fahrt auf nahm dieses allerdings erst in der 72. Minute, als Elias Huth den zweiten Lautrer Treffer markierte.

Apropos Dreierkette: Antwerpens Umstellung auf diese Formation ist in den vergangenen Tagen oft gelobt worden. Sie wird seit dem 32. Spieltag, seit der Partie gegen den 1. FC Saarbrücken, regelmäßig angewandt, in der zweiten Hälfte phasenweise auch mal wieder aufgehoben. Das einzige Spiel, in dem der Trainer von Beginn an wieder auf Viererkette umstellte, war das gegen 1860 München - das einzige, das der FCK seither verlor und dies recht brutal mit 0:3. Ansonsten wurde dreimal gewonnen, zweimal remis gespielt.

Das sind augenscheinlich starke Argumente für diese Variante. Doch ob sie die Grundordnung der Zukunft ist, gegebenenfalls auch ohne den zentralen Baustein Götze?

Schlechte verteidigte Flügel - vier Mann hinten stehen enger

Am Samstag jedenfalls offenbarten sich Schwächen in der Flügelverteidigung. Das mag zum einen daran gelegen haben, dass auf der linken Außenbahn mit Kenny Redondo ein Linksfuß agierte, der normalerweise eher offensiv unterwegs ist. Er war für den gesperrten Hendrick Zuck in die Startelf gerückt. Der als Linksverteidiger erfahrenere Adam Hlousek gehört offenbar ebenfalls zu denen, die in Antwerpens Kaderranking nach hinten gerückt sind.

Doch auf der rechten Abwehrseite ließ sich das Traumpaar Philipp Hercher/Jean Zimmer, so viel Freude es in der Vorwärtsbewegung auch macht, ebenfalls ein paar Mal durch tiefe Pässe düpieren. Mit hinten vier Mann auf einer Linie lassen sich die Flügel nun einmal besser schließen.

Vorne lässt Hanslik jubeln und Huth hoffen

Im Offensivspiel sind einmal mehr zwei Tore von Daniel Hanslik zu notieren, der sein Trefferkonto nun auf sieben hochgeschraubt hat. Sechs davon schoss Hanslik auf der Saison-Zielgeraden was ihn neben Götze zum wichtigsten Faktor macht, der den FCK nach zeitweise sieben Punkten Rückstand auf einen Nicht-Abstiegsplatz doch noch einmal über den Strich hob. Leider ist auch Hanslik nur geliehen und jedes Tor von ihm ist ein Argument gegen eine weitere Saison in Liga drei.

Am Betzenberg weiter unter Vertrag steht dagegen Elias Huth, der gestern ebenfalls getroffen hat. Solche Treffer machen Selbstvertrauen, und auch mit seinen nun 24 Jahren ist Huth noch zu weiteren Entwicklungssprüngen fähig - siehe Thiele. Da darf also noch gehofft werden.

Distanzschüsse und Tore via zweite Bälle: Bitte mehr davon

Ebenfalls erfreulich: Hanslik erzielte den Lautrer Führungstreffer mit einem Schuss von außerhalb des Strafraums, solche hat man in dieser Saison selten gesehen. In Hälfte zwei schloss auch der eingewechselte Nicolas Sessa zweimal richtig gefährlich aus der Distanz ab, einmal sogar per direktem Freistoß - das hat schon seit Jahren Seltenheitswert beim FCK. Und das 3:3 fiel über einen "zweiten Ball" nach einer zunächst abgewehrten Ecke, so ist beispielsweise schon Kraus’ eminent wichtiger 2:1-Führungstreffer gegen Halle gefallen. Bitte gerne mehr. Von allem.

Und sonst? So kritikwürdig das Abwehrverhalten in der zweiten Hälfte der ersten Halbzeit war - der schlechteste Mann auf dem Platz war einmal mehr der Schiedsrichter. Zum wiederholten Mal in dieser Saison. Und der FCK ist bei weitem nicht die einzige Mannschaft, die sich ständig über falsche oder ausbleibende Elfmeterpfiffe und vieles mehr beklagt.

Ob die Einführung des Video-Assistenten in der 3. Liga Abhilfe schaffen könnte, wie es FCK-Stadionsprecher Horst Schömbs gerade in einem Facebook-Post anregte? Die höheren Klassen sind mit dem "VAR" auch nicht immer glücklich, wie Woche für Woche zu erleben ist.

Schwache Pfeifen: Geht doch den Schiris mal an den Geldbeutel

Im Zusammenhang mit der Diskussion um die Altersgrenze für Schiris, die gerade durch das drohende Ausscheiden des Fifa-Referees Manuel Gräfe entbrannt ist, sollte der DFB vielleicht mal drüber nachdenken, ob er nicht den Kreis der qualifizierten Pfeifenmänner im Profi-Bereich insgesamt erweitert. Das Hinaufsetzen der Altersgrenze böte dadurch ja eine Möglichkeit.

Dadurch könnten Schiedsrichtern nach Leistungen, wie sie Florian Lechner in Köln geboten hat, bis zum nächsten Einsatz längere Denkpausen gewährt werden. Was sie auch um ihre Honorare brächte, selbst wenn diese in der dritten Spielklasse mit 750 Euro pro Partie eher bescheiden ausfallen. Ein Bundesliga-Schiri wird mit 5.000 Euro pro Spiel honoriert, dazu darf er sich über 60.000 bis 70.000 Euro Jahresgrundgehalt freuen.

Gerade im durchkapitalisierten Profifußball gilt es schon lange als gesicherte Erkenntnis: Am besten trifft man die Akteure am Geldbeutel. Auch die Schiris sollten davon nicht ausgenommen werden. Nur Leistung soll sich lohnen.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2020/21: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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