Interview des Monats: FCK-Trainer Marco Antwerpen, Teil 2/2

"Es reicht nicht, nur qualitativ gute Spieler zu haben"

"Es reicht nicht, nur qualitativ gute Spieler zu haben"

Foto: Eibner/Neis

Teil 2 unseres Interviews des Monats: Marco Antwerpen über die Gespräche mit neuen Spielern, Begegnungen mit Olaf Marschall und Michael Ballack sowie seine Zukunft beim 1. FC Kaiserslautern.

Der Betze brennt: Marco Antwerpen, lassen Sie uns über die bisherigen Neuzugänge dieses Sommers sprechen. Wenn man sich mal so anschaut, wo die Jungs früher gespielt haben, fällt auf: Preußen Münster, Viktoria Köln, das sind Stationen, an denen auch Marco Antwerpen in der Vergangenheit unterwegs war. Arbeiten Sie generell gerne mit Spielern, die Sie bereits kennen? Oder ist das einfach geboten in Corona-Zeiten, die ja seit anderthalb Jahren kein intensives Scouting auf fremden Plätzen mehr zulassen?

Marco Antwerpen (49): Nicht alles, was auf den ersten Blick so aussieht, muss auch so sein. Julian Niehues spielte bei Preußen Münster in der U17, als ich dort Cheftrainer war. Ich hab mich damals zwar auch mal mit ihm unterhalten, ihn anschließend aber aus den Augen verloren. In den Transfer war hauptsächlich Thomas Hengen involviert, ebenso in den von Boris Tomiak. Überhaupt arbeiten wir bei allen Personalentscheidungen eng zusammen. Bei Mike Wunderlich und René Klingenburg haben natürlich auch meine persönliche Beziehungen eine Rolle gespielt. Mit Mike habe ich vor vier Jahren das letzte Mal zusammengearbeitet, da hat sich aus einem Gespräch ergeben, dass er nochmal was Neues probieren möchte. René hat mit mir als Trainer in Münster seine bislang beste Saison überhaupt gespielt, anschließend wechselte er in die 2. Bundesliga, wo es bei ihm nicht mehr ganz so gut lief. Aber ich bin überzeugt, dass das Potenzial noch da ist. Er ist ein Wohlfühlspieler, der ein entsprechendes Umfeld braucht.

"Wir möchten Spieler haben, die charakterlich in die Mannschaft passen"

Der Betze brennt: Wie teilen Sie sich vor solchen Transfers die Arbeit mit Thomas Hengen? Haben Sie überhaupt die Zeit, mal mit dem umworbenen Spieler und seiner Familie im Wohnzimmer zu sitzen und Kaffee zu trinken?

Antwerpen: Gemacht habe ich das auch schon ... Hier in Lautern ist es aber schon so, dass Thomas Hengen die Transfermodalitäten abwickelt. Ich versuche natürlich ebenfalls, die Spieler persönlich kennenzulernen, bevor sie sich entscheiden. Manchmal klappt's halt nur am Telefon. Aber wenn irgend möglich, zeig' ich ihnen schon gerne den Betzenberg, die Trainingsbedingungen und das Fritz-Walter-Stadion. Ich weiß nämlich, wie ich als Spieler reagiert hätte, wenn mir so etwas gezeigt worden wäre. Da hätte es nämlich nicht mehr viele andere Vereine gegeben, wo ich hätte unterschreiben wollen. Das persönliche Kennenlernen ist auch wichtig, weil wir Spieler haben möchten, die charakterlich in die Mannschaft passen. Es reicht nämlich nicht, qualitativ gute Spieler zu haben. Erfolgreich kannst du nur sein, wenn du als Team zueinander passt.

Der Betze brennt: Mit Mike Wunderlich kommt nun echter Zehner - die Position hat man in den Formationen, die Sie bislang gewählt haben, noch nicht gesehen. Wird's nun also beim FCK auch eine Grundordnung mit Zehner geben?

Antwerpen: Nicht unbedingt. Mike Wunderlich ist sehr variabel, kann genauso Stürmer oder hängende Spitze spielen. Das ist ja das Gute an diesen erfahreneren Spielern. Sie verstehen das Spiel, wissen, wie man sich in den Räumen bewegt. Deswegen brauchen wir einen wie Mike, dürfen nicht nur noch auf junge Spieler gucken.

Der Betze brennt: Ouahim, Wunderlich, Klingenburg, Sessa, Ritter und Ciftci, da wird es im zentralen Mittelfeld ziemlich eng ...

Antwerpen: Das sieht vielleicht eng aus, aber Sie dürfen auch nicht vergessen, dass wir 38 Spiele in der Saison haben, dazu Verbands- und DFB-Pokal. Da wollen wir gut aufgestellt sein.

Der Betze brennt: Nach langer Corona-Pause dürfen bald - hoffentlich - auch die U21, die U19 und alle weiteren Nachwuchsmannschaften des FCK trainieren und in die neue Liga-Saison starten. Werden Sie dann auch den Spielern von dort mehr Chancen geben, was ja bisher eher schwierig war, eben weil dort der Spielbetrieb ruhte?

Antwerpen: Das war tatsächlich eine schwierige Situation und wir sind froh, dass unsere Nachwuchsmannschaften jetzt wieder spielen können. Wir hoffen natürlich, dass der eine oder andere dabei ist, der sich gut entwickelt und für die erste Mannschaft in Betracht kommt. Aktuell haben wir schonmal Neal Gibs aus der U19 nach oben gezogen, den wir als momentan größtes Talent einstufen. Alle anderen werden wir natürlich auch in der U21 weiter verfolgen.

Der Betze brennt: In Ihrer Vita fanden sich bislang kaum Berührungspunkte mit dem FCK, ehe Sie hierher wechselten. Welche Erinnerungen verbinden Sie denn überhaupt mit dem Betzenberg?

Antwerpen: Tja, als Aktiver habe ich nur gegen die Zweite Mannschaft des FCK gespielt, auf dem damaligen Platz 4, wenn ich mich recht erinnere. Aber da bin ich immerhin Talenten wie Michael Ballack und Marco Reich begegnet.

"Ein volles Haus mit 50.000? Das möchte ich gerne erleben"

Der Betze brennt: Ein volles Fritz-Walter-Stadion haben Sie also noch nie erlebt?

Antwerpen: Als ich als Trainer von Preußen Münster 2018 hier 2:1 gewonnen habe, waren an einem Dienstagabend 23.000 Zuschauer im Stadion. Das war schon sehr beeindruckend. Aber ein volles Haus mit fast 50.000? Ich hoffe, ich kann das auch mal erleben.

Der Betze brennt: Gibt es eine FCK-Ikone, zu der Sie ein besonderes Verhältnis haben?

Antwerpen: (lacht) Olaf Marschall ist doch jetzt unser Chefscout ... Den hab ich mir früher gerne angesehen, ich war ja selbst Stürmer, da konnte ich mir einiges abschauen, wie der seine Tore machte. Das ist schon spannend, wenn man solche Leute dann Jahre später persönlich kennenlernt.

Der Betze brennt: Wenn man Ihre bisherige Trainerkarriere betrachtet, fällt auf, dass Sie überall, wo Sie waren, einen Boost bewirkt haben, dabei auch attraktiven, offensiven Fußball spielen ließen - ausgenommen Ihr Gastspiel in Würzburg, das wir hier nicht näher thematisieren müssen. Was ebenfalls auffällt, sind die jeweiligen Abschiede von Ihren Vereinen. Viktoria Köln haben Sie verlassen, weil ein Angebot aus einer höheren Klasse lockte, das kann man verstehen. Ihren Abschied aus Münster dagegen gaben Sie schon mitten in der Saison bekannt, als es eigentlich gut lief. Was war da los?

Antwerpen: Das mag in der Branche ungewöhnlich sein, aber für mich war es der beste Weg, die Dinge vernünftig zu Ende zu bringen. Nach anderthalb Jahren und einem achten Platz nach der ersten Saison hatte ich das Gefühl, in Münster bereits am Limit zu sein. Mehr schien mir nicht mehr möglich. Mein Vertrag lief aus, meine Entscheidung, nicht zu verlängern, war schon früh gefallen, da erschien es mir nur fair, dies auch dem Verein mitzuteilen, der gewissermaßen mein Heimatverein ist. So konnten beide Seiten früh neu planen.

"Ich versuche, immer ein gutes Verhältnis zu den Spielern zu haben"

Der Betze brennt: Dabei fällt auf, dass die Preußen nach Bekanntgabe des Trainerwechsels nicht einbrachen, wie es bei anderen Mannschaften oft der Fall ist. Zuletzt gab es solche Beispiele in der Bundesliga mit Mönchengladbach und Frankfurt. Wie hält man als scheidender Trainer eine Mannschaft in der Spur?

Antwerpen: Ich versuche, immer ein gutes Verhältnis zu den Spielern zu haben. Das hat gerade in dieser Saison, mit dieser Mannschaft, gut funktioniert. Ein Jahr später ist Preußen Münster dann leider abgestiegen.

Der Betze brennt: In Braunschweig mussten Sie gehen, obwohl Sie in den Geisterspielwochen dieser Saison in einem furiosen Schlussspurt noch den Aufstieg schafften. Über die Gründe und Hintergründe ist genug geschrieben worden. Doch von den verschiedenen besonderen Umständen mal abgesehen - bleibt da nicht das ätzende Gefühl, für eine erfolgreiche Arbeit keine Wertschätzung erfahren zu haben?

Antwerpen: In erster Linie ging es doch darum, mit der Mannschaft erfolgreich zu sein, und das ist mir gelungen. Es gibt also keinen Grund, traurig zu sein. Mit allem anderen muss man in diesem Sport umgehen können. Grundsätzlich wäre es für mich natürlich schöner gewesen, sich nach dem Aufstieg zusammenzusetzen und zu bereden, wie es weitergehen soll. Die Braunschweiger Vereinsführung hat sich entschieden, dies nicht zu tun. Ich hab diese Entscheidung akzeptiert, nach vorne geblickt und die nächste Aufgabe gesucht. Vergangenheitsorientiert bin ich ohnehin nicht.

Der Betze brennt: Gesetzt den Fall, Sie könnten jetzt endlich einmal länger für einen Klub arbeiten: Pep Guardiola sprach mal von drei Jahren, die man maximal bei einem Klub bleiben sollte, was er ja bei Manchester City mittlerweile revidiert hat. Kalli Feldkamp sagte mal, fünf Jahre bei einem Verein seien genug. Andere, wie Otto Rehhagel oder Christian Streich, blieben oder bleiben länger bei ihren Klubs. Gibt es Ihrer Ansicht nach eine Halbwertzeit für Trainer, nach der sie sich abgenutzt haben?

Antwerpen: Ich kann mir schon vorstellen, dass es auch über einen längeren Zeitraum bei einem Verein funktionieren kann, aber dann müssen viele Faktoren zusammenkommen. Die eigene Motivation muss hoch bleiben, es muss dir immer wieder gelingen, motivierte Spieler zu holen, die Chemie im Umfeld muss stimmen und so weiter. Messbar ist das alles nicht immer nur am Erfolg, aber der ist nun einmal die bestimmende Größe.

"Ich kann mir sehr gut eine lange Zeit beim FCK vorstellen"

Der Betze brennt: Also wenn die Chemie stimmt, können sie sich vorstellen, den Job - und da reden wir jetzt natürlich speziell vom FCK - auch langfristig zu machen?

Antwerpen: Ich kann mir das sehr gut vorstellen.

Der Betze brennt: Sie und die Schiedsrichter - das ist ebenfalls ein Thema, das bereits erschöpfend behandelt wurde. Wir wollen die Diskussion mal versachlichen: Sie waren längst nicht der einzige, der der Meinung war, dass in der 3. Liga in der abgelaufenen Saison zu viele krasse und vor allem spielentscheidende Fehlentscheidungen getroffen wurden. Könnte man da nicht einmal gemeinsam, vielleicht im Rahmen einer Trainertagung, ein paar Ideen in Richtung DFB anstoßen, wie das Niveau der Schiedsrichter-Leistungen angehoben werden kann? Das hätte doch mehr Wirkung als emotionale Ausbrüche vor dem TV-Mikrofon nach dem Abpfiff.

Antwerpen: Das ist in der Tat ein interessanter Gedanke. Wir haben in der 3. Liga viele junge Schiedsrichter, die sich für höhere Aufgaben empfehlen sollen. Und die sind natürlich auch nicht alle schlecht, aber dem ein oder anderen fehlt es vielleicht noch an Erfahrung. Was, wenn man ihnen zum Beispiel mal anbieten würde, für eine Woche zu den Vereinen zu kommen und mit uns gemeinsam Spielsituationen zu analysieren, so dass sie mal unsere Sichtweise kennenlernen? Es ist ja auch nicht so, dass wir Trainer die Schiedsrichter immer nur kritisieren. Ich zum Beispiel hab vergangene Saison einige Unparteiische auch gelobt, aber das ist in der Berichterstattung untergegangen. Kritik findet eben immer schneller den Weg an die Öffentlichkeit.

Der Betze brennt: Zum Abschluss die obligatorische Frage: Was wollen Sie in dieser Saison mit dem FCK erreichen - und was ist drin? Bis jetzt haben Sie immer dasselbe gesagt ...

Antwerpen: Und das sage ich auch zu Ihnen: Das erste Spiel gewinnen und dann das nächste angehen. Und dann freuen wir uns natürlich darauf, endlich wieder vor Fans zu spielen. Fußball ohne Fans ist irgendwie nichts.

Der Betze brennt: Dann bedanken wir uns für das Gespräch, wünschen Ihnen alles Gute - und dass Sie bald ein volles Fritz-Walter-Stadion erleben.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Thomas Hilmes, Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Teil 1 des Interviews: "Wer positiv denkt, kann viel mehr erreichen"

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