Taktik-Nachlese zum Spiel HFC-FCK

Die DBB-Analyse: Der Rote Teufelskreis

Die DBB-Analyse: Der Rote Teufelskreis

Foto: Imago Images

Nach dem Erfolgserlebnis direkt der Rückschlag - so gesehen, ist die 0:1-Niederlage des 1. FC Kaiserslautern beim Halleschen FC fast schon "Business as usual". Fatalismus hilft jedoch nichts. Das Team muss endlich Wege aus diesem (Roten) Teufelskreis finden.

Schon klar: In Analysen mit "Glück" und "Pech" zu argumentieren, ist billig. Normalerweise. Aber wie soll man es nennen, wenn ein Trainer wegen ständiger Verletzungsausfälle gezwungen ist, im sechsten Pflichtspiel der Saison zum vierten Mal auf einer Schlüsselposition umzustellen? In dieser Saison bekleideten bereits Marlon Ritter, Felix Götze und Hikmet Ciftci die Rolle des zentralen Aufbauspielers, der als Sechser oder zentraler Mann zwischen den Innenverteidigern derjenige für den ersten Pass ist.

In Halle übertrug Marco Antwerpen nun Alexander Winkler diese Aufgabe, von Haus aus eigentlich Innenverteidiger. Vom Duo Boris Notzon/Boris Schommers einst als mutmaßlicher Leistungsträger und Führungsspieler an den Betzenberg geholt, in der Kaderhierarchie des aktuellen Trainers jedoch weit nach hinten gerutscht. Fußballerisch fällt er gegenüber den Vorgenannten ab, doch außer dem jungen Julian Niehues hat Antwerpen keine "gelernten" Alternativen mehr für diese Position. Die Entscheidung für den 29-jährigen Winkler sollte wohl auch eine für mehr Erfahrung sein. Mit Boris Tomiak (22) und Marvin Senger (21) ist der Deckungsverbund der Lautrer schließlich schon jung genug.

Winkler erwies sich zunächst mal als gute Wahl, um den starken HFC-Zehner Michael Eberwein zu bekämpfen. Wie überhaupt das Spiel der Roten Teufel vielversprechend begann. Gleich in den ersten Minuten setzten sie den Gastgebern mit einer Eckballserie zu. Torjäger Terrence Boyd hätte ums Haar ein Eigentor fabriziert, dann verpassten Senger und Philipp Hercher. Kurz darauf verfehlte Kenny Redondo eine Rechtsflanke von Hercher nur knapp.

Wie auswärts üblich: Ein Gegentor führt zum Bruch

Doch nach 19 Minuten geschah, was auch schon in den Auswärtsspielen in Meppen und Berlin zu frühen Brüchen im FCK-Spiel geführt hatte. Die Hallenser gingen in Führung. Besonders ärgerlich: Die in Schwarz gekleideten Roten Teufel hatten bereits am eigenen Sechzehner den Ball erobert und wollten gerade "umschalten", doch der nach dem 3:0-Heimspielsieg gegen 1860 München vielgelobte René Klingenburg ließ sich von Halles Sechser Louis Samson das Leder direkt wieder abjagen. Der passte flugs auf Eberwein, der wiederum auf Tom Zimmerschied - und der erzielte mit einem strammen 16-Meter-Schuss das 1:0.

Frühe Balleroberung und dann mit zwei, drei schnellen Zügen zum Tor - das ist eigentlich genau das, was Antwerpen von seiner Elf sehen möchte. Auch Zimmerschieds zweite Tor-Aktion hätte ihm sicher gut gefallen, wenn seine Jungs sie inszeniert hätten: Aaron Herzog eroberte den Ball in der Nähe der Mittellinie und passte direkt und vertikal in den Lauf des startenden Flügelspielers. Matheo Raabs Abwehr landete bei Eberwein, den Schuss ins lange Eck klärte Tomiak mit dem Kopf auf der Linie.

Erst kurz zuvor hatte sich für Herzog bereits eine Einschussgelegenheit aufgetan, wie der FCK sie leider gar nicht vorbereiten kann, weil ihm dafür der geeignete Stürmertyp fehlt. "Wandspieler" Boyd legte einen langen Ball mit dem Kopf auf seinen einlaufenden Mitspieler ab.

Wenn aus "langen Bällen" einfach nur Gebolze wird

Apropos: die "langen Bälle". Beim ersten Saisonsieg am vergangenen Samstag hatte Antwerpen noch gelobt, dass seine Elf nun auch dieses Stilmittel für sich zu nutzen wisse. Wie sie dieses nun aber anwandte, war kaum noch zum Anschauen. Das waren keine weiten Zuspiele in die Spitze mehr, sondern nur noch Gebolze. Erfolgversprechendes gab es vom FCK bis zur Pause nicht mehr zu sehen. Verständlich, dass HFC-Coach Florian Schnorrenberg hinterher anmahnte, sein Team hätte die Partie bereits in dieser Phase entscheiden müssen.

Dass Antwerpen Winkler zur Pause rausnahm, war daher wohl nicht nur der Tatsache geschuldet, dass dieser Gelb-Rot-gefährdet war. Der Trainer brauchte Spieler, die präziser aus der hinteren Reihe passen können. Vor dem Hintergrund machte auch der Wechsel auf der linken Abwehrseite Sinn: Hendrick Zuck kam für Dominik Schad.

Hälfte zwei: Kurze Pässe mit noch weniger Erfolgschancen

Für Winkler probierte sich nun Nicolas Sessa an einem geordneten Aufbauspiel. Das Langball-Spiel der ersten Hälfte war damit zwar passé, produktiver wurde es dennoch nicht. Herchers, Zucks und Jean Zimmers Flanken waren entweder schlecht oder fanden keine Abnehmer. Versuche, sich durch die Mitte zu kombinieren, versandeten im Zehnerraum, wo Mike Wunderlich kein finaler Pass ins Zentrum gelingen wollte.

Halle stellte sich nun tiefer und das Spiel mutierte aus FCK-Sicht zunehmend zu einem "Meppen 2.0". Allerdings konterten die Hallenser nicht annähernd so gut, wie es die Emsländer bei ihrem 1:0-Sieg gegen die Pfälzer getan hatten. Die Antwerpen-Elf kam wenigstens in der Schlussviertelstunde ein paar Mal recht gefährlich vors Tor, so dass diese Auswärtsniederlage insgesamt die etwas unglücklichere war. Zimmer drosch eine weite Zuck-Flanke am langen Eck übers Tor, Wunderlich scheiterte an Keeper Sven Müller.

Am Ende erscheint also alles wie gehabt: Auf das hoffnungsfroh stimmende 3:0 gegen 1860 ist postwendend ein Rückschlag erfolgt. Wie immer. Fatalisten werden sich damit abgefunden haben, Mannschaft und Trainer können sich diese Einstellung jedoch nicht leisten: Irgendwie müssen sie einen Weg aus diesem Teufelskreis finden.

"Stürmer hat keine Priorität" - Tatsächlich nicht?

In der Pressekonferenz vorm Spiel hatte Antwerpen noch erklärt, es sei nicht unbedingt die Stürmerposition, auf der die Priorität läge, sollte der FCK bis 31. August noch einmal auf dem Transfermarkt aktiv werden. Er habe drei Stürmer, die alle schon in der 3. Liga erfolgreich gewesen wären. Das mag auf den ersten Blick stimmen, allerdings: Richtig gut traf Elias Huth bislang nur als Leihgabe beim FSV Zwickau. Dessen Spiel war mehr aufs Reagieren angelegt und bot ihm mehr Räume, als er sie im FCK-Dress vorfindet - und mit Ronny König hatte er einen Typ Marke "Kante" als Partner.

Daniel Hanslik wiederum war doch in der Rückrunde der vergangenen Saison als Goalgetter einigermaßen in Tritt gekommen, warum trifft er jetzt nicht mehr? Eine mögliche Ursache: In dieser Zeit hatte er den spielintelligenten Marvin Pourié als Partner, der sich immer wieder aus der Spitze herausbewegte, um Hanslik im Zentrum Platz zu schaffen.

An Dienstagabend nun agierten Hanslik und Huth ab der 65. Minute gemeinsam in der Spitze. Einander viel zu geben hatten sie offenbar nicht. Eine weitere Alternative, die mit wenigstens einem der beiden besser harmoniert, könnte durchaus eine Überlegung wert sein.

Warum nicht mal Wunderlich als pfälzischer Pirlo?

Vor allem aber muss fürs Spiel aus der Abwehr ein spielstarker Mann vorhanden sein, der sich als abkippender Sechser, zentraler Innenverteidiger oder im Wechsel zwischen beiden Positionen etablieren kann. Dass Winkler die spielerischen Ansprüche für diese Rolle erfüllen kann, hat er zumindest in Halle nicht nachgewiesen.

Sessa sah da schon besser aus, allerdings scheinen seine Trainingsleistungen nicht so zu sein, dass es für regelmäßige Startelf-Einsätze reicht. Wie wäre es daher mal mit Wunderlich als weiter zurückgezogenem Spielmacher? Das könnte für den 35-Jährigen eine ähnliche Altersrolle sein, wie Andrea Pirlo sie zwischen 2011 und 2015 bei Juventus Turin interpretierte. Alternativ wäre auch hier noch eine Last-Minute-Verpflichtung denkbar.

Das aber sind nur Gedankenspiele. Die Roten Teufel müssen kommenden Samstag um 14:00 Uhr wieder "in echt" ran. Und auf dem Platz Antworten geben.

Ergänzung, 26.08.2021: Halle siegte verdienter, als es am Ende aussah

Die xG-Plots revidieren unsere oben geschilderten subjektiven Eindrücke insofern: Die Niederlage des FCK in Halle war doch „verdienter“, als es das 0:1 in Meppen war. Im Emsland produzierten die Lautrer ein nach qualitativ bewerteten Torchancen errechnetes Ergebnis von 1.77 : 1.61 zugunsten des Gegners, an der Saale waren es 1.68 : 0.87. Da hat die druckvolle Schlussphase, in der es ein wenig stärker nach spätem Ausgleich roch als in Meppen, die Einschätzung wohl ein wenig nach oben korrigiert. Auffällig, wie hoch Boyds Chance in der 56. Minute bewertet wird, nachdem Senger ihn mit einem haarsträubenden Rückpassversuch ins Spiel brachte. Das ist ein xG-Wert von rund 0.7, also 70 Prozent Trefferwahrscheinlichkeit, also beinahe Elfmeterqualität.



xG-Plot HFC-FCK

Vor der Betrachtung des Positions- und Passgrafik sollte noch einmal vorausgeschickt werden: Sander Ijtsma erstellt diese immer anhand der ersten 70 Minuten eines Spiels, da die sich in der Schlussphase vollziehenden Wechsel sowie spielstandsbedingten taktischen und personellen Umstellungen zu viel Durcheinander produzieren würden. Von der ballbesitzorientierten zweiten Hälfte sind also nur rund 25 Minuten eingepflegt. Abgebildet ist also hauptsächlich die Langpass-Phase in Hälfte eins. Drum ist deutlich eine Lücke im Mittelfeld zu sehen, über das der Ball die meiste Zeit hinwegflog. Schad und Redondo erscheinen auf der linken Seite geradezu isoliert. Schockierend: von Winkler führt weder ein Pfeil weg noch führt einer zu ihm. Wir erinnern uns. Winkler trat auf dieser Position die Nachfolge von Ritter, Götze und Ciftci an, die sich allesamt als Aufbauspieler betätigten.


Passmap FCK

Zum Vergleich die Positions- und Passgrafik der Hallenser. Mehr Ordnung, mehr Passkommunikation. Sechser Samson allerdings spielt anscheinend nicht so gerne über die linke Seite. Auffallend die hohe Ballannahmeposition von Zimmerschied, das sieht fast nach einem echten Rechtsaußen aus.

Passmap HFC

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2021/22: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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