Taktik-Nachlese zum Spiel SCV-FCK

Die DBB-Analyse: Über die Schienenspieler ins Glück

Die DBB-Analyse: Über die Schienenspieler ins Glück

Foto: Imago Images

Das 2:0 des 1. FC Kaiserslautern gegen den SC Verl macht im übertragenen wie im wörtlichen Sinne deutlich: So ein Führungstreffer verleiht Flügel. Von einer Dreierkette abgesichert, treffen und flanken die Außenbahnspieler zum ersten Auswärtssieg.

Vor dem Spiel schien die Rückkehr zu einer Vierer-Abwehrkette eigentlich wahrscheinlich. Denn mit Felix Götze, Hikmet Ciftci, Max Hippe und dem nunmehr rotgesperrten Marvin Senger fehlten Marco Antwerpen vier mögliche Bausteine für eine Abwehrformation mit drei Mann auf einer Linie. Offenbar aber möchte der Trainer von dieser Variante, mit der er bereits vor Wochenfrist im Derby gegen Waldhof Mannheim wieder begonnen hatte, in nächster Zukunft nicht mehr abrücken. Drum nominierte er Alexander Winkler als dritten Innenverteidiger in die Startelf, einen Spieler, auf den er bislang nur selten setzte.

Welche positiven Effekte sich dadurch mit dem aktuellen Personal erzielen lassen, dafür bot die in Lotte ausgetragene Partie gegen Verl einmal mehr guten Anschauungsunterricht. Diese Grundordnung kommt vor allem den beiden Außenbahnspielern zupass, die mit der Dreierkette als Absicherung mehr Akzente nach vorne setzen können. Wenngleich sie nicht unbedingt spiegelbildlich agieren. Hendrick Zuck ist mehr der Mann für gedankenschnell gespielte Flanken und Pässe, Philipp Hercher der Marschierer, der nicht nur die Außenlinie entlang fegt, sondern gerne auch in den gegnerischen Strafraum eindringt.

Und eben diese Kombi bescherte dem FCK nach 33 Minuten den Führungstreffer: Zuck flankte, Hercher köpfte. Eingeleitet hatte die Aktion Mike Wunderlich mit einem überlegten Flankenwechsel. Im Interview mit "Magenta Sport" bestätigte Antwerpen nach der Partie, dass dies Teil seines Matchplans war: "Genau darauf haben wir hingewiesen, dass wir immer wieder auf unsere Schienenspieler spielen wollen. Dann kommt eine super Flanke, Philipp Hercher rückt super rein und zeigt sein gutes Kopfballspiel."

Hanslik diesmal "echter" Stürmer, Klingenburg auf der Zehn

Die Offensiv-Anordnung mit René Klingenburg als pendelndem zentralen Stürmer, mit der der Trainer vor einer Woche gegen Mannheim 24 Minuten bis zum ersten Platzverweis experimentierte, probierte er dagegen kein zweites Mal aus. In Verl gab Daniel Hanslik einen echten Mittelstürmer, hinter ihm bildeten gegen den Ball Wunderlich, René Klingenburg und Nicolas Sessa eine Dreierreihe. Wobei Wunderlich den Part des verletzten Jean Zimmer auf der rechten Seite übernahm und Klingenburg auf der Zehn agierte, was ein wenig überraschte - umgekehrt wär’s eher zu erwarten gewesen. Bei Ballbesitz schoben sich die Schienenspieler auf den Außenbahnen nach vorne, Wunderlich und Sessa in die Zentrale, Klingenburg in die Spitze, wo ihm der sehr bewegliche Hanslik Platz machte.

Das mochte gut durchdacht sein, sah aber in der ersten Halbzeit über weiten Strecke recht behäbig aus. Denn obwohl die Gäste die Partie kontrollierten, schafften sie es nicht, wirklich für Betrieb vor dem Verler Tor zu sorgen. Dazu wäre aggressiveres Pressing notwendig gewesen, außerdem fehlte nicht nur der berühmte "letzte Pass" ins Zentrum, sondern auch der Druckpass - der, der die Hintermannschaft des Gegners so in Bewegung bringt, dass das finale Zuspiel überhaupt erst möglich wird.

Die Gretchenfrage: War Lautern so stark oder Verl so schwach?

Glück für den FCK, dass bei den Gastgebern in diesen 90 Minuten nie so richtig ersichtlich wurde, wie sie an den acht Spieltagen zuvor zu bereits zwölf Punkten gekommen sind. Sie schienen keine andere Spielidee zu verfolgen als die, auf einen Bock des Gegners zu warten und dann möglichst schnell abzuschließen. Und so eine Diagonalflanke aus dem Halbfeld, wie Zuck sie auf Herchers Schädel segeln ließ, müsste ein Profiteam eigentlich verteidigen können. Das stellte nicht zuletzt auch der verletzte Mittelfeldspieler der Verler, Barne Pernot, fest, der als Halbzeitgast beim Streaming-Sender die Partie analysierte.

Doch mit welcher Phrase lässt sich da gut dagegen halten? Richtig: "Man spielt nur so stark, wie der Gegner es zulässt." Ob Lautern allerdings so stark war, wie der Sportclub schwach war, lassen wir mal dahingestellt.

Zweite Halbzeit: Statt schnelle Konter weiter Passspiel

In der zweiten Halbzeit schafften es die Roten Teufel, erst einmal drei exzellente Torchancen zu versemmeln, ehe sie den zweiten Treffer nachlegten: Klingenburg vergab nach schöner Vorarbeit Wunderlichs, Hanslik donnerte aus spitzem Winkel gegen den kurzen Pfosten, Sessa scheiterte nach genialem Zuspiel Hansliks an Verls Keeper Niclas Thiede.

Aus analytischer Sicht ist dabei interessant: Die Gelegenheiten wurden gar nicht einmal so herausgearbeitet, wie es bei diesem Spielstand zu vermuten gewesen wäre. Sie wurden nämlich nicht nach Balleroberungen im Verteidigungsdrittel und schnellen Kontern erspielt, weil sich die Mannschaft, die in Führung ist, tief stellt und auf solche Situationen lauert. So ist es gerade in der 3. Liga doch üblich. Stattdessen resultierten alle FCK-Chancen am Ende mehr oder weniger aus langen Ballstafetten gegen eine weitgehend wiederformierte Deckung. Was mit dieser personellen Besetzung im Grunde auch gar nicht anders möglich war, denn die Männer mit Speed hockten weiterhin auf der Bank: Dominik Schad, Marius Kleinsorge oder Simon Stehle.

Auf der Suche nach Stabilität: Antwerpen wechselt spät und wenig

Überhaupt hielt sich Marco Antwerpen, der bei fünf erlaubten Wechseln oft schon früh in der zweiten Halbzeit erste Änderungen vornimmt, diesmal sehr zurück. Erst nach 59 Minuten tauschte er zum ersten Mal, und das gezwungenermaßen: Klingenburgs Oberschenkel zwickte, er musste raus, für ihn kam Muhammed Kiprit.

Der zweite Wechsel folgte erst in der 74. Minute: Schad kam für Sessa, der in der Tat mehr Tempo ins Spiel brachte. Und zehn Minuten später wurde Wunderlich für Kleinsorge vom Feld genommen. Es schien als fürsorgliche Geste gedacht zu sein, denn der Routinier war nach seiner verpassten Großchance, als er sich vorm leeren Tor den Ball vom Fuß spitzeln ließ, nervlich von der Rolle. Shit happens. Vorher gab es übrigens eine Abseitsstellung, die aber der Schiedsrichter und auch die meisten medialen Beobachter nicht wahrgenommen hatten.

Nur drei von fünf möglichen Wechseln wurden also ausgeschöpft, und einer davon war verletzungsbedingt. Anscheinend versucht der Trainer, endlich die Stabilität im Mannschaftsgefüge herzustellen, die sich angesichts der vielen Verletzungen und Sperren seit Saisonbeginn noch nicht eingestellt hat. Dafür spricht auch, dass er sich im Interview hinterher wünschte, gegen den VfL Osnabrück am kommenden Samstag endlich einmal zum zweiten Mal hintereinander mit der gleichen Startelf beginnen zu können, sofern ihm Klingenburgs Verletzung keinen Strich durch die Rechnung macht.

Die Abwehr steht - und auch zwei Stürmer finden langsam ihre Linie

Dieser Auswärtssieg nach dem spektakulär mit neun gegen elf Mann erfighteten 0:0 im Derby vor eine Woche gibt da sicher zusätzlich Selbstvertrauen. Der Abwehrverbund mit erst acht Gegentreffern nach neun Spielen steht ohnehin besser, als er oft gemacht wird. Auch zwei Offensivspieler scheinen nun langsam ihre Linie zu finden.

Für einen jungen Stürmer wie Kiprit ist dieser zweite Saisontreffer, den er nach Flanke von Hercher erzielte - wieder also war ein Schienenspieler beteiligt - sicher geistiges Kraftfutter. Aber auch Hanslik überzeugte mit seiner Beweglichkeit und guten Zuspielen. Er war es auch, der vor dem 2:0 Hercher auf dem rechten Flügel einsetzte.

Die xG-Plots: Der Sack hätte schon lange vor dem 2:0 zu sein müssen

Wer keine Lust hatte, diese Analyse zu lesen, wird eigentlich auch aus diesen xG-Plots ausreichend schlau. Die Timeline der qualitativ bewerteten Torchancen zeigt: Der FCK hätte schon lange vor dem 2:0 den Sack zumachen müssen. Aber auch: Bis zu Herchers Treffer war vorne tote Hose, trotz ordentlicher Spielkontrolle. Wenn’s ganz dumm gelaufen wäre, hätte doch wieder der Gegner den ersten Treffer gemacht.

xG-Plot SCV-FCK

Auch die Positions- und Passgrafik des FCK ist hübsch anzuschauen. So sieht eine muntere, ausgeglichene Ballzirkulation aus. Auffällig: Die Innenverteidiger spielen Sechser Marlon Ritter eigentlich kaum an. Der Aufbau läuft im wesentlich über die Schienenspieler Zuck und Hercher.

Passmap FCK

Zum Vergleich die Positions- und Passgrafik des SC Verl. Stürmer Oliver Schmitt hängt ziemlich in der Luft. Fixpunkt der Mannschaft ist vorne der Ballstreichler Kasim Rabihic. Ihn gilt es, in Strafraumnähe anzuspielen, auf dass er sich oder einen Mitspieler freitanzt. War an diesem Sonntag einfach zu wenig. Aber gehen wir mal davon aus, dass die Verler es auch besser können, sonst würden sie nicht generell so gut dastehen.

Passmap SCV

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2021/22: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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