Taktik-Nachlese zum Spiel FCK-VfL

Die DBB-Analyse: Gut, aber es geht noch besser

Die DBB-Analyse: Gut, aber es geht noch besser


Sonne, Sieg und Seligkeit: So schön kann Fußball auf dem Betze sein. Immer noch. In Hälfte zwei belegte das 2:0 gegen Aufstiegsfavorit Osnabrück allerdings: Das FCK-Team 2021/22 ist immer noch ein "Work in Progress".

Zum ersten Mal in dieser Spielzeit bot sich Coach Marco Antwerpen die Möglichkeit, zum zweiten Mal hintereinander die gleiche Startelf aufzubieten. Und die nutzte er. Das mag nicht allein entscheidend für den insgesamt überzeugenden Sieg gewesen sein, dürfte aber seinen Teil dazu beigetragen haben, dass sich eine Mannschaft präsentierte, bei der Struktur und Abläufe sich weiter zu festigen scheinen. Die Neuausrichtungen, die Antwerpen bereits vor zwei Wochen zum Lokalderby gegen Mannheim (0:0) auf den Weg brachte und beim 2:0-Sieg in Lotte gegen Verl fortsetzte, greifen zusehends besser.

Wie stark die Außenbahnspieler Hendrick Zuck/Philipp Hercher durch die Umstellung auf Dreier-/Fünferkette aufblühen, haben wir bereits in unserer Analyse der Partie gegen Verl. Diesmal lohnt sich eine Betrachtung der neuen Anordnungen in Mittelfeld und Angriff.

Klingenburg und Hanslik: Nicht neben-, sondern hintereinander

Mit René Klingenburg und Daniel Hanslik sind die beiden vordersten Spieler nicht neben-, sondern hintereinander angeordnet. Klingenburg stößt dort in die Spitze, wo der bewegliche Hanslik im Räume geschaffen hat. Dadurch geht von Klingenburg die größte Torgefahr aus. Was sich nicht nur bei seinem Treffer zum 1:0 nach nur sieben Minuten zeigte, als er eine Linksflanke von Mike Wunderlich einköpfte. Der 27-Jährige hätte danach noch zwei Mal als Torschütze in Erscheinung treten können, jeweils nach Zuspielen von rechts, nach denen er sich aufs kurze Eck orientiert hatte. Einmal scheiterte er per Drehschuss, einmal per Dropkick an VfL-Keeper Philipp Kühn.

Hanslik dagegen verschliss sich in der Spitze als Arbeitstier - und das machte er gut, drum sollte die Latte, die einen Stürmer nur nach Toren misst, bei ihm nicht angelegt werden. Signifikant die Szene kurz vor der Pause, als Zuck mit einem tollen Pass halblinks in den Strafraum Hanslik fast an die Grundlinie schickte und dieser auf Nicolas Sessa zurücklegte.

Die einzige Szene, in der auch Hanslik beinahe zum Abschluss gekommen wäre, auch die einzige nennenswerte Chance, die aus einer "Umschaltsituation" entstand. Hanslik nahm nach einem Befreiungsschlag vom Sechzehner den Ball kurz hinter der Mittellinie an, drehte sich lehrbuchmäßig um seinen Gegenspieler, kam aber gegen den herauseilenden Kühn zu spät. Auf die Reise geschickt hatte Hanslik übrigens ein gewisser Alex Winkler - einer, der sich vom Abstellgleis in die Startelf zurück gearbeitet hat. Verdient ebenfalls Respekt.

Interessant: Als Antwerpen nach 65 Minuten für Klingenburg Muhammed Kiprit brachte, blieb die Anordnung der Offensivspieler hintereinander erhalten - obwohl Kiprit ein "echter" Stürmer ist.

Achter in der Raute: Neue Rollen für Wunderlich und Sessa

Ansonsten - und das ist für die 3. Liga bemerkenswert - erspielte sich dieser FCK seine besten Einschussgelegenheiten gegen einen Gegner, dem im Grunde genug Zeit gegeben war, sich defensiv zu formieren. Der zweite Treffer fiel - das gab's in den vergangenen Jahren nicht oft zu sehen - nach einem ruhenden Ball. Nach einer Ecke von rechts, die Sessa, nicht Wunderlich, getreten hatte, und Kevin Kraus am kurzen Pfosten auf Hercher verlängerte. Das sah regelrecht einstudiert aus.

Die neue Rolle von Klingenburg hinter der Spitze bedingt auch neue Wirkungszonen für zwei, die man bislang eher als "klassische Zehner" bezeichnete. Wunderlich und Sessa nehmen in einem nun rautenförmig angeordneten Mittelfeld die Achterpositionen ein - hinten auf der Sechs verteilt Marlon Ritter seine bevorzugt diagonalen Bälle. Dabei tauschten Wunderlich und Sessa gerne die Seiten, woran vor allem Wunderlich sichtlich Freude hatte. Von ihm kamen sowohl von links als auch von rechts immer wieder starke Zuspiele. Auf den Seiten hat der Routinier mehr Platz und mehr Zeit zur Verfügung, mit 35 ist man nun einmal nicht mehr der Fixeste.

Kein Angriffspressing mehr? Könnte noch wichtig werden

Gegen den Ball erwartet Lautern den Gegner nun mit fünf Mann auf einer Linie. Angesichts des dritten Zu-Null-Spiels hintereinander verbietet sich da im Grunde jede Kritik. Zumal die Roten Teufel mit erst acht Gegentreffern in dieser Saison gemeinsam mit Waldhof jetzt auch die stärkste Abwehr der Liga stellen, nachdem sie dem bisherigen Defensivprimus Osnabrück höchstpersönlich zwei weitere Gegentreffer verpassten.

Angemerkt werden muss aber: Mit der Fünferkette hinten scheint es nun gar nicht mehr möglich, phasenweise Angriffspressing zu spielen, wie es Antwerpen in der vergangenen Rückrunde öfter anordnete und wie es in dieser Spielzeit nur noch selten zu war. In der aktuellen Spielanlage macht die Elf das zentrale Mittelfeld so dicht, dass dem Gegner kaum eine andere Wahl bleibt als auf die Seiten zu spielen, wo er dann etwa in Höhe der Mittellinie erstmals attackiert wird. Das klappt derzeit gut, allerdings könnte künftig gegen Kontrahenten, die nicht so gerne mitspielen wollen, auch mal eine forschere Gangart gefragt sein - vielleicht schon kommenden Samstag gegen Havelse.

Hälfte zwei: Ohne Tempospieler keine Entlastung

Außerdem muss über das Nachlassen in der zweiten Hälfte geredet werden - und zwar ohne die üblichen Gemeinplätze wie "schwindende Kraft" oder "Konzentrationsmängel" zu bemühen. Richtig ist: Als Osnabrück sich angesichts der Rückstand immer weiter nach vorn schob, wirkten die Befreiungsversuche der Pfälzer zunehmend hilfloser. Da fehlte einer, der mal mit einem langen Sprint einen Konter fährt.

Erst nach 73 Minuten kam mit Dominik Schad für Sessa der erste echte Tempospieler aufs Feld. Die beiden anderen Kaderspieler mit Flitzer-Eigenschaften, Marius Kleinsorge und Simon Stehle, ließ Antwerpen bis zum Ende auf der Bank schmoren. Stattdessen brachte der Trainer ab der 85. Minute Felix Götze für Wunderlich - das ist nachvollziehbar, schließt braucht Götze nach seiner Kopfverletzung wieder Spielpraxis. Und Defensivspieler Julian Niehues kam für Stürmer Hanslik - so viel Zurücknahme, um einen 2:0-Vorsprung über die Zeit zu bringen, überraschte dann doch ein wenig. Schließlich war's ein Heimspiel, und der Gegner drückte zwar nach vorne, brannte aber alles andere Feuerwerk ab.

Für die Rückkehrer wird's nun schwer

Wie auch immer: Mit dieser zum zweiten Mal unveränderten Startelf präsentiert sich das FCK-Team nun erstmals in dieser Spielzeit wirklich gefestigt. Drum hat sie es verdient, auch bis auf Weiteres das Fundament zu bilden. Auch wenn nun die zuletzt rotgesperrten Kenny Redondo und Marvin Senger zurückkehren, der zurückgekehrte Götze sicher keiner für die Bank ist und auch Kapitän Jean Zimmer von seinen Rückenproblemen in Kürze genesen sein dürfte. Da wird der Trainer die Qual der Wahl haben.

Optimisten bezeichnen dergleichen als "Luxusproblem", Pessimisten werden um den Betriebsfrieden fürchten. Wer recht behalten wird? Schau'n mer mal, wie immer. Auf jeden Fall bleibt es spannend. Wie Fußball nun einmal sein sollte.

Ergänzung, 27.09.2021: xG-Plots: Verdienter Sieg, aber wo sind die Konterchancen?

Die Timeline der qualitativ bewerteten Torchancen belegt den verdienten FCK-Sieg. Die durchgehend flache Linie in der finalen halben Stunde zeigt aber auch: Mit einer Führung im Rücken Konter zu fahren, weil der Gegner gezwungen ist anzugreifen, ist offenbar nicht ihr Ding. Was eigentlich untypisch für die 3. Liga ist. "Umschaltsituationen" zu nutzen, ist für die meisten Teams das wichtigste Stilmittel. Manche scheinen sogar gar kein anderes zu kennen.

xG-Plot FCK-VfL

Interessant: René Klingenbergs Kopfballtreffer zum 1:0 resultierte laut Sander Ijtsmas Computersoftware aus einer gar nicht mal so guten Einschussmöglichkeit. Vermutlich, weil zwischen ihm und der Torlinie noch diverse Spieler postiert waren.

Bei der Betrachtung der Positions- und Passgrafik der Roten Teufel lohnt sich ein Vergleich mit der Grafik aus der Vorwoche gegen Verl. Beide ähneln sich im Großen und Ganzen, nur erschienen diesmal Sessa und Wunderlich wesentlich zentraler. Was auch damit zusammenhängen könnte, dass beide öfter die Seiten tauschten, und die Computersoftware ihre Spots daher in der Mitte setzte.

Passmap FCK

Zum Vergleich die Positions- und Passgrafik der Osnabrücker: Man erkennt die Absicht, forciertes Flügelspiel bieten zu wollen, wobei Trainer Daniel Scherning seine Außenstürmer mit ihrem starken Fuß innen aufstellt: Mehr Linksfuß als Rechtsaußen Sören Bertram kann man eigentlich kaum sein. Mittelstürmer Heider hängt aber arg in der Luft. Auch da ist ein Vergleich zur Vorwoche interessant: In der Spielanlage der Verler ist der zentrale Stürmer Rabihic die fast schon ausschließliche Anspielstation.

Passmap Osnabrück

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2021/22: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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