Interview des Monats: FCK-Meisterspieler Demir Hotic, Teil 2/2

"Den FCK gibt’s noch, wenn wir alle tot sind"

"Den FCK gibt’s noch, wenn wir alle tot sind"


Teil 2 unseres Interviews des Monats: Demir Hotic erzählt, dass Barcelona nicht der einzige Stachel ist, der tief in ihm steckt. Der Meisterspieler von 1991 macht seinem Herzen Luft - und erklärt auch, was ihm heute am 1. FC Kaiserslautern missfällt.

Der Betze brennt: Demir Hotic, in Johannes Ehrmanns Buch "Wenn der Betze bebt" wurdest Du ebenfalls zu dem legendären Barcelona-Spiel interviewt. Da sagtest Du, so stolz Du auch wärst auf Deine Tore gegen Barca, Du hättest viel wichtigere geschossen.

Demir Hotic (59): Richtig. Mein Treffer zu unserem 1:0-Sieg in Stuttgart im März 1990 beispielsweise, der war doch viel wichtiger. Man darf nicht vergessen: Das war anderthalb Jahre vor dem Barcelona-Spiel, und wir spielten gegen den Abstieg. Vier Wochen zuvor hatte Kalli Feldkamp Gerd Roggensack als Trainer abgelöst, aber es lief noch nicht richtig. Es war erst unser zweiter Sieg nach vier Spielen unter dem neuen Trainer. Damit aber war die Wende eingeleitet: Von den nächsten fünf Partien gewannen wir nochmal vier, damit waren wir unten raus.

Der Betze brennt: Der Treffer gegen Stuttgart hatte für Dich bestimmt auch eine große persönliche Bedeutung. Du warst ja erst im Dezember 1989 vom VfB zum FCK gewechselt.

Hotic: Und in der Vorrunde hatte ich mit dem VfB auf dem Betzenberg gewonnen - und obendrein ein Tor geschossen. Klar, dass mich der Gerry [Ehrmann] erst mal rasieren wollte, als ich hier ankam. Bei Stuttgart war ich Teil einer Bombenmannschaft, mit Typen wie Karl Allgöwer, Asgeir Sigurvinsson und Guido Buchwald. Eigentlich gefiel es mir da, aber dann hat Trainer Arie Haan lieber Manni Kastl als mich aufgestellt. Das fand ich nicht gerecht. Also habe ich mir von Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder die Freigabe besorgt. Ich hatte auch andere gute Angebote, auch noch, als ich vom Betzenberg wegfuhr und ich dort bereits zugesagt, aber noch nichts unterschrieben hatte. Aber ein Handschlag zählt für mich wie ein Vertrag, das war immer so bei mir.

Als Foda nach Leverkusen wechselte: "Nichts da, Meister werden wir!"

Der Betze brennt: Als Du nach Lautern kamst, ging Wolfram Wuttke, der geniale, aber auch schwierige Spielmacher der Jahre zuvor.

Hotic: Ja, ein paar Trainingseinheiten habe ich noch mit ihm gemeinsam bestritten. Ich weiß noch, wie wir mal einen Cooper-Test machten und er überrundet wurde, weil er keinen Bock hatte zu laufen. Der Wutti war ein Riesenfußballer, aber ein Eigenbrötler, der sich einfach zu viel raus nahm. In dem Team, das anschließend zusammenwuchs, gab es so einen nicht. Da gab es nie Knatsch, nie Theater, kein Neid, keine Eifersucht. Ich hätte mir für jeden meiner Mitspieler ein Bein brechen lassen.

Der Betze brennt: Nachdem Ihr 1990 den Klassenerhalt gesichert hattet, seid Ihr zum Saisonabschluss nach Berlin gefahren. DFB-Pokal-Endspiel gegen Bremen ...

Hotic: Das war bis dahin das absolute Highlight meiner Karriere. Allein, wenn ich daran denke, wie viele Fans mit uns nach Berlin gefahren sind, das ganze Stadion, die ganze Stadt war rot-weiß. Wir hatten damals grüne Trainingsanzüge, in denen haben wir ausgesehen wie eine Karnevalstruppe. Ich weiß auch noch, wie wir vor dem Spiel im Olympiastadion trainieren wollten und die Bremer uns erstmal nicht auf den Platz ließen - deren Trainer hieß damals übrigens Otto Rehhagel. Da waren wir so sauer, dass wir es ihm anschließend im Spiel heimzahlten. Wir gewannen 3:2. Schon zur Pause führten wir 3:0, nach zwei Toren von Bruno Labbadia und einem von Stefan Kuntz.

Der Betze brennt: Und anschließend blieb die Mannschaft im Großen und Ganzen zusammen.

Hotic: Bis auf Franco Foda. Der wollte unbedingt zu Bayer Leverkusen. Mit denen wolle er Meister werden, hat er damals erzählt. Da sagte ich zu ihm: "Nichts da. Meister werden wir."

Der Betze brennt: Das hast Du nicht wirklich zu diesem Zeitpunkt schon gesagt, oder?

Hotic: Doch, klar! Das war natürlich halb Spaß und halb Ernst, aber ich wusste schon zu diesem Zeitpunkt, dass wir eine super Truppe haben und das gut passt. Sowas spürst du als Fußballer.

Der Betze brennt: Und der Rest ist Geschichte, wie es so schön heißt. Ein Jahr später hieltest Du mit dem FCK die Meisterschale in den Händen.

Hotic: Ich bin mit der Schale dann auch mal nach Düsseldorf gefahren, wo meine Eltern wohnten, und habe sie bei ihnen auf den Wohnzimmertisch gestellt. Zuvor war ich am alten Trainingsgelände der Düsseldorfer vorbeigefahren und habe sie dort vorgezeigt. Die Fortuna ist 1933 das letzte Mal Meister geworden. Damit war ich der Erste, der seitdem die Schale nach Düsseldorf geholt hatte (lacht). Anschließend habe ich sie bei mir unterm Bett versteckt - und dort vergessen. Zwei Wochen später rief einer von der Bank bei mir an und fragte: "Demir, wir suchen die Meisterschale, hattest du die nicht zuletzt"? Oh, das war peinlich.

"Für mich war der FCK kein Verein, sondern Familie"

Der Betze brennt: War Dir damals schon klar, dass Kaiserslautern Dein Lebensmittelpunkt bleiben würde, egal, wohin Dich Deine Karriere noch führen sollte?

Hotic: Das habe ich sehr schnell gewusst. Als ich gesehen habe, wie sich Leute hier samstags ins Stadion drängen, wie sich selbst alte Menschen jedes Mal den Berg hinauf schaffen, um kein FCK-Spiel zu versäumen, und sich dann wie kleine Kinder freuen oder bei einem nicht gewonnenen Spiel zutiefst betrübt sind - das hat mich wirklich berührt. Ich habe Fritz Walter kennenlernen dürfen, der wohnte ja wie ich in Alsenborn. Italia Walter hat mir manchmal Kaffee aufgebrüht. Mit Horst Eckel bin ich bis heute gut befreundet - das sind Dinge, die stecken ganz tief in meinem Herzen. Für mich war dieser FCK kein Verein, sondern Familie. Doch davon ist leider nicht mehr viel geblieben. Es ist einfach nur traurig, was aus unserem Verein geworden ist. Da komme ich nicht drüber weg.

Der Betze brennt: Für Dich persönlich fing der Ärger bereits an, als Kalli Feldkamp ging und Rainer Zobel als neuer Trainer kam.

Hotic: Auch zwischen Kalli und mir war nicht immer alles eitel Sonnenschein. Vor dem Spiel gegen Nürnberg im Februar 1992 hat er mich mal draußen gelassen. Er sagte, ich bräuchte eine Pause, weil ich zuvor 40 Pflichtspiele am Stück gemacht hatte. Ich wollte aber unbedingt spielen, es ging doch gegen Nürnberg, wo mittlerweile Willi Entenmann coachte, mein ehemaliger Co-Trainer beim VfB Stuttgart. Nach zehn Minuten musste ich mich bereits warmlaufen, ich dachte schon, super, das wird vielleicht doch noch was. Gebracht hat mich Kalli dann aber erst vier Minuten vor Schluss, da führte der FCN bereits 3:1. Ich habe Thomas Vogel noch das 3:2 aufgelegt, dann war Abpfiff. Ich war stinksauer, und das hab ich Kalli auch gesagt. Der meinte nur, ich wär halt "ein sturer Bulgare." Ich antwortete: "Nee, Trainer, ich bin Jugoslawe."

Der Betze brennt: Und wie ging das aus?

Hotic: Eine Woche später stand ich wieder von Anfang an auf dem Platz, gegen den FC Bayern. Wir gewannen 4:0. Ich schoss ein Tor und legte eins auf. Und damit war alles vergeben und vergessen. So wurden damals unter Kalli die Dinge geregelt.

Der Betze brennt: Mit Zobel klappte das Vergeben und Vergessen dann nicht mehr so. Nach einem Zeitungsinterview, in dem Du Dich nicht gerade nett über ihn geäußert hattest, bist Du suspendiert worden.

Hotic: Ich hab immer nur meine Meinung gesagt. Auch meine Frau hat mich manchmal gefragt: "Du schadest dir damit doch nur selbst, warum tust du das?" Ich antwortete immer: "Was kann daran falsch sein, seine Meinung zu sagen?" Nach Kallis Weggang hätte man dessen Assistenten Reiner Hollmann zum Chef befördern sollen, damit wäre eine klare Linie erhalten geblieben. Aber nein, man holte lieber einen Trainer von auswärts. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Auch im Juniorenbereich wird so verfahren. Verstehe ich nicht.

"Ich habe gemerkt: Das ist nicht mehr meine Mannschaft"

Der Betze brennt: In die Türkei gewechselt bist Du dann aber erst zu Beginn der anschließenden Saison, als Zobel schon wieder weg war.

Hotic: Ja, für ihn war Friedel Rausch gekommen, das war ein toller Kerl, aber der Stachel saß mittlerweile zu tief. Während meiner Suspendierung hatte sich sogar Fritz Walter für mich eingesetzt, auch das habe ich ihm niemals vergessen. Ich erinnere mich aber auch noch an unsere 0:4-Niederlage auf Schalke. Hinterher lag Torsten Lieberknecht schwer verletzt und mit großen Schmerzen in der Kabine und niemand hat sich um ihn gekümmert. Ich, der suspendierte Spieler, hab ihn dann ins Krankenhaus gefahren. Das waren so Situationen, da habe ich gemerkt, das ist nicht mehr meine Mannschaft.

Der Betze brennt: Andererseits: Du bist für andere auch immer eine Reizfigur gewesen.

Hotic: Ja, das stimmt. Ich weiß auch nicht, woran das lag. Das begann schon in meiner Zeit bei den Stuttgarter Kickers. Auch da haben die gegnerischen Fans schon gerufen: "Hotic, du Arschloch!" Ich hab das einfach positiv gesehen und mir gesagt: Sei stolz, anscheinend bist du der Einzige von deiner Mannschaft, den die kennen. Und mit unseren Fans hatte ich nie Probleme. Unsere Gegner haben mich vielleicht nicht immer gemocht, aber respektiert. Thorsten Fink von den Bayern hat mir mal erzählt, dass bei denen eine Mannschaftsbesprechung wegen mir mal 20 Minuten länger gedauert hat als geplant. Weil sie durchsprechen mussten, wie ich mich im Spiel bewege, wie ich meine Tore mache. Da war ich erst recht stolz.

Der Betze brennt: Später warst Du mal einige Zeit A-Jugend-Trainer beim FCK. Unter Cheftrainer Otto Rehhagel, der nicht gerade als großer Nachwuchsförderer bekannt war.

Hotic: Der Otto war schon ein Großer, aber eben auch sehr eigen. Ich hatte vier, fünf Jugendspieler, unter anderem Torsten Reuter, Mathias Abel und Michael Lehmann, die waren richtig gut. "Die müsst Ihr behalten", hab ich zum damaligen Boss Atze Friedrich gesagt. Der hat nur geantwortet: "Ach, wenn du wüsstest, was wir gerade für den Djorkaeff bezahlt haben. Dagegen ist die A-Jugend doch nur Spaßgesellschaft." Da war ich sauer. Spaßgesellschaft? Meine Jungs machten nach jedem Spiel bevor sie gingen ihre Kabine sauber, auch auswärts, freiwillig. Weil ich ihnen gesagt hatte: "Ihr repräsentiert den 1. FC Kaiserslautern, benehmt euch entsprechend." In den Wochen davor hatten wir ein paar regionale Turniere gewonnen, die wir zuletzt nicht mehr gewonnen hatten. Spaßgesellschaft? Da war ich bedient.

"Was ist verkehrt daran, seine Meinung zu sagen?"

Der Betze brennt: Auch danach hast Du nie aufgehört, stets Deine Meinung zu sagen, ob auf Jahreshauptversammlungen, etwa 2007 gegen die damaligen FCK-Bosse Erwin Göbel und Dieter Buchholz, oder später in den Sozialen Medien. Beliebt hast Du Dich damit nicht bei jedem gemacht.

Hotic: Nochmal: Was kann daran falsch sein, seine Meinung zu sagen? Es geht mir ja nicht nur um mich, auch wie man mit anderen verdienten Spielern umgegangen ist, finde ich nicht okay. Von FCK-Familie ist da nichts mehr zu spüren. Aktuell ist mein größtes Problem bei denen da oben wohl meine Nähe zu Gerry Ehrmann.

Der Betze brennt: Hast Du Dich da nicht wenigstens gefreut, dass ihm vor dem Spiel gegen Würzburg nun eine angemessene Verabschiedung vor der Westkurve zuteil geworden ist?

Hotic: Ganz ehrlich? Ich habe Gerry sogar geraten, da nicht hinzugehen. Weil sich immer noch niemand bei ihm dafür entschuldigt hat, was ihm unter Trainer Boris Schommers widerfahren ist. Ich verstehe gar nicht, warum Gerry sich überhaupt von ihm hat nach Hause schicken lassen. Dazu war er doch gar nicht befugt. Ich hätte ihm gesagt, hol erst mal einen vom Vorstand, wenn du mich freistellen willst.

Der Betze brennt: Wie guckst Du Dir Spiele heute an? Gehst du noch ins Stadion?

Hotic: Mittlerweile nicht mehr. Ich bin während der Spiele hier am Hauptbahnhof im "Gleis 1", meinem Lautrer Stammlokal, und hinterher diskutierte ich mit den Fans. Ich verstehe so vieles da oben nicht. Nach drei Niederlagen wird der Trainer rausgeschmissen, dann kommt ein neuer und der macht wieder was ganz anderes. Du musst doch mal eine Philosophie entwickeln und einen Coach über vier, fünf Jahre arbeiten lassen. Gute, schnelle Spieler holen. Und maximal einen 25-Mann-Kader zusammenstellen, denn wenn’s mehr sind, gibt’s mit der Zeit Knatsch, das ist doch klar.

"Von der FCK-Familie ist nichts mehr zu spüren!"

Der Betze brennt: Trotz Deiner permanenten Kritik bist Du aber Lautrer mit Leib und Seele geblieben. Wie sehr wünschst Du Dir Deinen FCK wieder in der Bundesliga?

Hotic: Ach, mir würde es doch schon reichen, wenn der FCK mal wieder in der 2. Bundesliga spielen würde. Ich weiß, da gucken mich einige immer blöd an, denn mit solchen Aussagen baue man ja unnötigen Druck auf, heißt es dann. Aber im Sport muss man sich doch auch Ziele setzen. Guckt doch mal, wer heute zweitklassig spielt. Was wären das für Spiele: Schalke, Bremen, Nürnberg, Düsseldorf, und, und, und! Die würden wieder Fans nach Kaiserslautern bringen, die Stadt würde wieder aufblühen und alle wären zufrieden. Kaputt gehen wird unser FCK so oder so nicht. Den wird’s noch geben, wenn wir alle tot sind.

Der Betze brennt: Du verfolgst den FCK trotz allem immer noch sehr intensiv. Unsere Abschlussfrage: Was ist diese Saison noch drin, kann es klappen mit dem Aufstieg?

Hotic: Wenn die Schlüsselspieler nicht ausfallen, wie etwa ein Mike Wunderlich, dann glaube ich schon, dass der Aufstieg drin sein könnte. Der FCK bräuchte vielleicht noch einen echten Mittelstürmer, eine Kante für vorne drin. Dazu zwei schnelle rechts und links, die gute Flanken schlagen, Philipp Hercher gefällt mir da sehr gut. Auch defensiv steht die Mannschaft mittlerweile sehr stark, auch wenn ich Alex Winkler und Kevin Kraus für zu langsam halte, während Boris Tomiak mich sehr positiv überrascht. Jetzt kommen ein paar unangenehme Spiele gegen Saarbrücken, Wiesbaden, Dortmund II und so weiter. Wenn sie da gut punkten, dann sehe ich gute Chancen für die Mannschaft.

Der Betze brennt: Danke für die offenen Worte, Demir. Bis bald - im "Gleis 1", oder vielleicht doch mal wieder im Fritz-Walter-Stadion.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer, Thomas Hilmes

Weitere Links zum Thema:

- Teil 1 des Interviews: "Barcelona?! So etwas erlebst du nur einmal" (Der Betze brennt)

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