Taktik-Nachlese zum Spiel FCK-FCS

Die DBB-Analyse: Diese Teufel bremsen nicht mal bei Rot

Die DBB-Analyse: Diese Teufel bremsen nicht mal bei Rot


Es gibt Derbysiege, die kann man beschreiben. Für alles andere gibt es Betzenberg. Lässt sich das 3:1 des 1. FC Kaiserslautern gegen 1. FC Saarbrücken auch einigermaßen nüchtern analysieren? Wie können es nur versuchen.

Wir hatten doch schon das 0:0 im Fritz-Walter-Stadion gegen Waldhof Mannheim in der Hinrunde als moralischen Triumph bezeichnet, der schwer zu toppen ist. Damals verteidigten die Roten Teufel mit nur acht Feldspielern gegen zehn ihr Tor über 45 Minuten lang, ohne einen Treffer zu kassieren, ein unglaublicher Kraftakt. An diesem Ostersonntag nun fehlte eine komplette Halbzeit lang zwar nur ein Mann, doch schenkte dieses FCK-Team dem 1. FC Saarbrücken trotz Unterzahl noch zwei Buden mehr ein. Welches Derby das denkwürdigere bleiben wird?

Wir meinen: Dieser Sieg gegen den FCS. Allein schon wegen der Traumkulisse von 46.895 Zuschauern. Aber auch, weil er nicht nur aus einem Kraftakt resultierte, sondern auch einige spielerische Highlights bereithielt.

Versucht man die Emotionen für die Dauer einer einigermaßen nüchternen Spielanalyse herunterzufahren, war es zunächst einmal das Spiel eines ordentlich schief gegangenen Matchplans. Dem des Saarbrücker Trainers Uwe Koschinat, der sich, und das sei lobend festgehalten, in der Pressekonferenz nach dem Spiel die Mühe machte, seine Vorstellungen von dieser Partie zu erläutern, ohne die bei vielen seiner Kollegen üblichen Phrasen und Platitüden zu bemühen. Ob durchweg zutreffend, sei dahingestellt

"Am Anfang ganz gut hinbekommen" - echt jetzt?

"Ich finde, dass wir unsere Idee, das Spiel sehr, sehr schnell von den Flügeln durch die Mitte durchzuziehen, tatsächlich auf der spielerischen Basis eine gewisse Dominanz herzustellen, dass wir das am Anfang in der Grundausgangssituation ganz gut hinbekommen haben, aber in der Spielfortsetzung dann doch zu zögerlich waren", leitete Koschinat sein Statement ein.

Eine, mit Verlaub, recht eigenwillige Sicht der Dinge, wie sie sich in der ersten Hälfte darstellten. Ganz gut hinbekommen? Vielleicht, wenn man die Grenze zwischen "Grundausgangssituation" und "Spielfortsetzung" schon sehr früh zieht, nämlich direkt nach dem ersten Pass. Die Saarbrücker kamen nämlich gar nicht ins Spiel. Forcierten auch nicht das Flügelspiel mit entsprechenden Offensivleuten, wie es in den vergangenen Wochen die Gegner getan hatten, die den FCK in Verlegenheit brachten. Koschinat setzte auf ein 3-4-1-2, in dem die Schienenspieler Dominik Ernst und Pius Krätschmer sich bei Ballbesitz zwar forsch nach vorne schoben, doch bis sie hätten steilgeschickt werden können, war bereits wieder Schluss mit der "Spielfortsetzung", denn da hatten die Blau-Schwarzen den Ball schon wieder abgegeben.

Wichtig: Diesmal kein Zurückziehen nach einer 1:0-Führung

Der FCK nämlich verteidigte erneut recht hoch, attackierte schon früh mit einer offensiven Dreierreihe, in der abermals Mike Wunderlich den zentralen Mann gab. Überhaupt hatte Marco Antwerpen die Startelf vom 2:1-Auswärtssieg bei den Würzburger Kickers unverändert gelassen. Wunderlich war es auch, der die erste Torchance des Spiels einleitete, als er Daniel Hanslik mit einem seiner typischen smarten Pässe auf die Reise schickte, der aber aus spitzem Winkel an FCS-Keeper Daniel Batz scheiterte.

Und, ganz wichtig, gerade auch als Erkenntnis für die noch ausstehenden Partien: Diesmal überließen die Roten Teufel dem Gegner nicht das Feld, nachdem sie in Führung gegangen waren. Sondern pressten weiter nach vorne, um auch weiterhin keinen Spielaufbau zuzulassen. Den Treffer hatte Zuck mit einem langen Ball eingeleitet, den erst Marlon Ritter, dann Terrence Boyd zu erwischen versuchte. Beider Bemühen endete mit einem Elfmeterpfiff, als Ritter über die Füße des Ex-Lautrers Steven Zellner fiel. Aus Diskussionen über dessen Berechtigung halten wir uns an dieser Stelle heraus, ebenso wie aus denen zum Platzverweis zur Kevin Kraus. Schiedsrichter Benjamin Brand hat so entschieden, basta.

Zum Elfmeter: Boyd scheitert an Batz, bekommt aber Gelegenheit zum Nachschuss. Doch auch der will nicht direkt rein, es braucht Hanslik für den letzten Kick über die Linie ... Ja, da ist ziemlich viel Dusel dabei, aber ohne das geht es halt nicht in dieser Liga, siehe den schärfsten FCK-Verfolger Eintracht Braunschweig, der sich seit Wochen mit Stottersiegen auf Schlagdistanz hält.

Nach der Roten Karte ordnen sich beide Teams neu

Kevin Kraus' hartes Einsteigen gegen Robin Scheu - dass er ihn ausgerechnet in den Bauch traf, lässt die Szene nun mal brutal aussehen, auch wenn sicher keine Absicht vorlag - und die anschließende Rote Karte justierten das Spiel quasi mit dem Pausenpfiff neu. Die Trainer hatten nun eine knappe Viertelstunde Zeit, ihre Team fürs Spiel Zehn gegen Elf zu ordnen. Marco Antwerpen entschied sich für Fünferkette, Mittelfeldraute und einen Stürmer. Uwe Koschinat machte das, was eigentlich schon zum Anpfiff vom FCS erwartet worden war: das Spiel breit. Er formierte hinten eine Viererkette, brachte Minos Gouras, der den linken Flügel übernahm, und Tobias Jänicke auf der Zehn, Robin Scheu rückte dafür nach rechts. Stürmer blieb zunächst der Ex-Lautrer Sebastian Jacob.

Der Neustart wirkte sich zunächst zugunsten der Saarbrücker aus. 48. Minute: Flanke von Manuel Zeitz auf den eingewechselten Jänicke, der köpft, nicht fest, aber präzise Richtung langes Eck, der Ball springt noch einmal auf, Matheo Raab kommt nicht mehr ran, 1:1. Das sah nicht so ganz unhaltbar aus.

Danach drohte das Spiel für ein paar Minuten zu kippen. Aber es drohte nur. Und auch nur für ein paar Minuten. Denn was geschah dann? Lassen wir es Uwe Koschinat aus Sicht seiner Mannschaft erklären:

"Ich glaube, da merkt man auf dem Niveau, dass vielleicht doch die Abläufe nicht so funktionieren wie in einem normalen Drittliga-Spiel. Dass Atmosphäre und Bedeutung des Spiels dann doch beeindrucken."

Das 2:1: "Hat auch mit der Qualität des Mittelstürmers zu tun"

Und wie die Saarbrücker beeindruckt waren. 57. Minute: Abschlag Raab, der Bogen, den der Ball beschreibt, wird weiter und weiter, der Ball dotzt vor dem Sechzehner auf und springt weiter in die Box, Zellner und Innenverteidiger-Kollege Lukas Boeder hätten ihn gerne, Boyd, der sich zwischen beide drängelt, ebenfalls. Am Ende gewinnt der mit der breitesten Brust: Boyd tunnelt Batz, 2:1 für Lautern. Und das mit Zehn gegen Elf. Der Betze bebt.

Lassen wir einmal mehr den Saarbrücker Trainer kommentieren:

"Wir bekommen einen einfachen langen Ball nicht verteidigt, trotz Überzahl im Strafraum. Das hat vielleicht - neben der schlechten Abstaffelung und der schlechten Entscheidung - auch mit der Qualität des Mittelstürmers zu tun, der leider auf der Gegenseite spielt." Na, das klingt doch sportlich fairer als das, was sein Kapitän Zeitz vor dem Spiel geäußert hatte. Etwas von Exkrementen, aus denen der FCK Edelmetall machen könne. Der Vergleich hinkt insofern, als dass Raabs Assist unmöglich Gülle gewesen sein kann, sondern allererste Sahne war. Das, was Boyd draus gemacht hat, war dagegen durchaus Gold wert.

Guck an: Nicht Klingenburg kommt, sondern Redondo

Als nächstes überraschte Marco Antwerpen. Sein erster Einwechselspieler war nicht etwa René Klingenburg, der Typ, den man sich in einem Spiel Zehn gegen Elf so gut vorstellen kann: Killermentalität und allzeit bereit, auf jedem Quadratzentimeter des Spielfelds aufzutauchen und den Zweikampf zu suchen. Stattdessen kam Konterspieler Kenny Redondo. Der Mann, der sein einziges Saisontor bislang gegen wen erzielt hat? Richtig. Und sieben Minuten später hatte er gegen den gleichen Gegner sein zweites gemacht.

Die Entstehung war das fußballerische Highlight des Spiels. Hercher will Redondo die rechte Seitenlinie lang schicken. Linksverteidiger Krätschmer behauptet zunächst den Ball, hat aber nicht damit gerechnet, wie nickelig sein Gegenspieler ist, denn der jagt ihm das Leder direkt wieder ab. Redondo passt auf Ritter. Der schnippelt mit der Pike dem mittlerweile rechts durchgestarteten Hercher den Ball in den Lauf. Und der wiederum flankt nicht blind, sondern mit Bedacht in den Rückraum, wo Redondo den Ball annimmt, sich vorlegt und an Batz vorbei ins Netz jagt, ohne dass dieser überhaupt reagieren kann.

Es gibt Jubel, den kann man beschreiben. Für alles andere gibt es Betzenberg. Überlassen wir, um wenigstens ein bisschen objektiv zu bleiben, einmal mehr Uwe Koschinat das Wort.

Der FCS: Da ist keiner, der aus Wasser Maggi macht

"Mit dem 1:2 ist es genau das emotionale Spiel geworden, das wir in dieser Phase überhaupt nicht gebrauchen konnten. Der FCK, das muss ich einfach sagen, hat richtige Typen auf dem Platz, die jeden Zweikampf zu ihrem Zweikampf machen, die eine wahnsinnig fordernde Körpersprache haben. Das Publikum war auf ihrer Seite, und mit dem 3:1, glaube ich, hat man bei uns gemerkt, dass der Glaube und die Sicherheit in den Abläufen verloren gegangen sind."

Und ob. Von jemandem, der aus Exkrementen Edelmetall machen kann, konnten die Saarländer in der Schlussphase nur noch träumen. Es fand sich nicht einmal einer, der Wasser in Maggi verwandeln konnte.

Zehn gegen Elf? War es nur noch auf dem Papier. Boyd ackerte in der Spitze weiter für drei, sicherte auf der gesamte Breite des Spielfelds fast jeden Ball. Erst in der 86. Minute brachte Antwerpen Klingenburg für Boyd, der sich dadurch seinen Extra-Applaus abholen durfte. Auch Ritter und Hercher marschierten, als gäbe es statt Siegprämie Kilometergeld. Und Redondo verlieh sein Tor beinahe buchstäblich Flügel, bei manchen Sprints schien er tatsächlich kurz davor, abzuheben. In der Nachspielzeit hätte er sogar noch das 4:1 machen können, bekam den Ball nicht unter Kontrolle, wohl weil er immer noch zu aufgedreht war.

Visualisierungen zeigen: Unterzahl beeindruckte nur kurz

Ein Blick auf die "Pressing-Intensität" während des Spielverlaufs, die der Datenanbieter "Wyscout" für uns visualisiert hat, zeigt, dass sich der FCK von der Unterzahl nur sehr kurzfristig beeindrucken ließ. Unmittelbar vor dem Ausgleichstreffer nämlich, der dann ja auch auf dem Fuße folgte. Schön zu sehen ist hier auch, dass die Antwerpen-Elf in der ersten Halbzeit nach dem Führungstreffer nicht viele Zuspiele in den gegnerischen Reihen zuließ. Und wie sie nach dem 2:1 wieder zunehmend aggressiver wurde. Trotz Unterzahl.

Pressing-Intensität FCK-FCS

Die bestätigt ebenso der Blick auf die "durchschnittlichen Aufstellungslinien" über die Dauer des Spiels. In der ersten Hälfte stand der FCK klar höher als der Gegner, dessen Trainer doch einen FCS angekündigt hatte, der nochmal voll auf Offensive setzen wollte, um seine Aufstiegschance zu wahren. Nach der Führung rückte Lautern sogar noch weiter auf. Und auch nach dem 3:1 stand das Antwerpen-Team kurzzeitig höher, trotz Unterzahl. Erst in der Schlussphase überließ es dem Gast das Feld.

Durchschnittliche Aufstellungslinien FCK-FCS

xG-Timeline: Die Elfmeterszene verzerrt das Bild

Der Blick auf die xG-Timeline irritiert heute allerdings ein wenig. Ein Endwert von 3.05 : 0.97 zugunsten des FCK? Das erscheint selbst einem Pfälzer im Siegesrausch too much. In der Tat: Die Computer-Auswertung bewertet in der Elfmeterszene offenbar zwei Torchancen. Einmal den Elfer selbst, der in der Regel mit 0.76 xG ("expected Goals") zu Buche schlägt. Und dann noch einmal Hansliks Einschussgelegenheit von der Torlinie - da darf ausnahmsweise mal zurecht von einer "Hundertprozentigen" gesprochen werden.

xG-Plot FCK-FCS

Ebenso ist die Positions- und Passgrafik des FCK ist angesichts des Platzverweises und der Formationsänderungen nur bedingt aussagekräftig.

Passmap FCK

Die der Saarbrücker sagt zumindest aus: Für eine Mannschaft in Überzahl, die zudem eigentlich die vollen 90 Minuten dominant sein wollte, lief der Ball zuviel hintenrum. 62 Prozent Ballbesitz, wie sie die Saarbrücker laut "Wyscout" hatten, sind für eine Mannschaft, die eine Halbzeit in Überzahl spielte, auch nicht gerade berühmt.

Passmap FCS

Fassen wir zusammen: Mit dem 0:0 im Derby gegen Waldhof Mannheim seinerzeit hatte sich der FCK nach einem verkorksten Saisonstart mental nochmal neu aufgebaut und die Weichen in eine bessere Zukunft gestellt. Seither hat die Mannschaft nur noch zwei Mal verloren. Dieser 3:1-Derbysieg gegen Saarbrücken könnte das Team nun auf das nötige Bewusstseinslevel pushen, das es fürs weitere Saisonfinale braucht. Denn solange sich Verfolger Braunschweig weiter zu einem knappen Sieg nach dem anderen knoddelt, wird den Roten Teufeln ebenfalls nichts anderes übrigbleiben, als ihre restlichen drei Spiele zu gewinnen. Nur dann nämlich dürfte das Punktepolster groß genug sein, um sich in der für spielfreien 38. Runde entspannt zurücklehnen zu können.

Und falls es tatsächlich mit dem Aufstieg klappt, müssen wir eins jedoch jetzt schon bedauern: Dass es nächste Saison weniger solche Derbys gibt.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2021/22: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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