Taktik-Nachlese zum Spiel SVWW-FCK

DBB-Analyse: Schmerzt wie Hölle, ist aber auszuhalten

DBB-Analyse: Schmerzt wie Hölle, ist aber auszuhalten


Hat das wehgetan - der 1. FC Kaiserslautern lässt beim SV Wehen Wiesbaden vielleicht entscheidende Punkte im Kampf um einen direkten Aufstiegsplatz liegen. Beklagen müssen sich die Pfälzer jedoch nicht, schon gar nicht bei ihrem Torhüter.

Fußball ist so grausam - und so einfach. Wenn man ihn denn so sehen will. Der FCK verliert in Wiesbaden und verspielt vorerst die Chance, den direkten Aufstiegsplatz aus eigener Kraft klarzumachen. Und warum? Weil Matheo Raab vor dem 1:2 des SVWW daneben gegriffen hat, da scheinen sich heute alle Berichterstatter einig zu sein. Der Junge, der bislang eine so überragende Saison gespielt hat. Der zu Saisonbeginn den Sprung zum Stammtorhüter schaffte, zwischenzeitlich 615 Minuten ohne Gegentor blieb und damit einen neuen vereinsinternen Rekord aufstellte - in dem Klub, in dem schon ein Ronnie Hellström und ein Gerry Ehrmann im Kasten standen. Wie grausam ist das denn?

Gar nicht mal so, so schmerzhaft diese Niederlage für die mitgereisten Fans in der Wiesbadener Wellblech-Arena auch mitanzusehen war. Aber mit etwas Abstand sollte man die Dinge ein wenig unaufgeregter gewichten können. Und da ist zunächst mal festzuhalten: Ja, Matheo Raab hat in der 73. Minute einen Eckball direkt vor die Füße des aufgerückten Wiesbadener Innenverteidigers Ahmet Gürleyen abgewehrt. Und ja, der machte daraufhin das 2:1 für die Gastgeber. Und ja, es war die einzige Toraktion des SVWW in der gesamten zweiten Hälfte, mal ganz abgesehen davon, dass er auch in der ersten schon kein Chancen-Feuerwerk abgebrannt hatte. Aber wo Menschen arbeiten, machen Menschen nun mal Fehler, und junge Menschen erst recht.

Der eigentliche Fehler: Der FCK bewahrte keinen kühlen Kopf

Und dieses Spiel ging nicht wegen dieses Fehlers verloren. Sondern, weil der FCK in dem Hexenkessel, den sein eigener Anhang aus der engen Arena gemacht hatte, generell keinen kühlen Kopf bewahrte. Und da wären eben nicht die jungen Spieler gefragt gewesen, sondern die erfahrenen. Alex Winkler zum Beispiel, der bereits nach zwei Minuten nicht eng genug an Wiesbadens Mittelstürmer John Iredale war, um dessen Torschuss zum 1:0 verhindern.

Sieben Minuten später durften die Lautrer zwar bereits ausgleichen - Daniel Hanslik war vom ehemaligen FCK’ler Gino Fechner umgerempelt worden, Hendrick Zuck verwandelte den fälligen Elfmeter. Doch die Unruhe, die durch die beiden frühen Treffer entstanden war, mochte sich danach einfach nicht mehr legen. Die Rudelbildung unmittelbar vor den Trainerbänken, die ums Haar in eine kleine Bierzelt-Schlägerei ausgeartet wäre, war nach rund 30 Minuten lediglich ein kurzer Ausdruck dieser aufgeheizten Grundstimmung.

Zu viel Hektik, zu wenig klare Aktionen

Im FCK-Spiel fehlten die klaren, besonnenen Aktionen, für die sonst ein Mike Wunderlich verantwortlich zeichnet. Die Mannschaft operierte fast ausschließlich mit langen Bällen aus der hinteren Reihe, die entweder Hanslik zu erlaufen oder Terrence Boyd festzumachen versuchte. Wie sich auch derlei zielgerichtet verwerten lässt, demonstrierten Hanslik und Philipp Hercher mal nach 41 Minuten, als sie sich gemeinsam einen zweiten Ball sicherten, Hercher nicht blind flankte, sondern mit Bedacht und Auge zum an der Strafraumgrenze lauernden Wunderlich passte, dessen Schlenzer jedoch von SVWW-Keeper Florian Stritzel pariert wurde. Von solchen Aktionen hätte es ein paar mehr gebraucht.

Schade auch um den viel zu hektisch ausgeführten indirekten Freistoß kurz vor der Pause. Wenn ein Spieler in der 3. Liga die technische Fertigkeit und die Coolness hat, den Ball über die Köpfe von zehn auf der Torlinie postierten Wiesbadener hinweg unter die Latte zu hämmern, dann Mike Wunderlich. Aber auch das wollte ihm an diesem Abend nicht gelingen.

Nach der Pause Fußball verkehrt: Statt Lautern trifft Wiesbaden

Nach der Pause sah es zunächst aus, als sei es nur eine Frage der Zeit, bis der FCK in Führung geht. Nachdem Hanslik durch direktes Anlaufen Stritzels ein fahriges Abspiel provoziert hatte und Boyd zum Schuss kam, wäre es ums Haar soweit gewesen, doch Stritzel reagierte gedankenschnell mit dem Fuß.

Und dann kam es zum eingangs beschriebenen Gegentreffer, der sich bis zum Abpfiff einfach nicht korrigieren ließ. Wobei sich die Roten Teufel durchaus mit Wucht gegen die drohende Niederlage stemmten, doch fehlte ihnen eben der besagte kühle Kopf. Boyd ließ sogar mal echte Genialität aufblitzen, als er einen Ball erst festmachte und dann brillant auf den eingewechselten Kenny Redondo durchsteckte. Doch für dessen beherzten Linksschuss war der Winkel zu spitz, als dass er Stritzel hätte überwinden können. Wären noch zwei, drei mehr solcher Ansätze gelungen, der FCK wäre sicher nicht als Verlierer vom Platz gegangen.

Hippe für Kraus: Machte Sinn - der Wechsel zur Pause ebenfalls

Unglücklich verliefen zudem Marco Antwerpens Wechselspiele. Der Trainer hatte wieder mal überrascht, als er weder René Klingenburg noch Felix Götze zum Vertreter des rotgesperrten Kevin Kraus bestimmt hatte. Stattdessen stand Max Hippe in der Startelf, was bei genauerer Überlegung auch gar nicht mal so verwunderte. Hippe hatte diese Rolle auch schon im Hinspiel gegen den SVWW ausgefüllt - damals hatten wir sogar geschrieben, er sei sogar wie Kraus-Double aufgetreten.

Auch diesmal machte Hippe seine Sache grundsätzlich ordentlich, allerdings sah er früh Gelb. Wohl auch deswegen musste er in der Pause dann doch Klingenburg weichen. Der neigt außerdem dazu, beherzter den Vorwärtsgang einzuschalten als seine gelernten Innenverteidiger-Kollegen. Was sich in der Schlussphase beinahe ausgezahlt hätte, als er aus dem Rückraum einen scharfen Flachschuss ansetzte, der nur haarscharf am Tor vorbei abgefälscht wurde. Die eigentlich fällige Ecke verweigerte Schiri Badstübner allerdings.

Unglücklicher Wechsel: Hanslik ging zu früh runter

Nach bereits 63 Minuten kam Redondo für Hanslik. Ein Wechsel, den Antwerpen schon öfter in dieser Saison vorgenommen hat. Zuletzt gegen Saarbrücken, worauf sich Redondo mit dem 3:1-Treffer zum Endstand bedankte. Diesmal aber ging Hanslik zu früh vom Platz.

Denn zehn Minuten später fiel nicht nur das 1:2. Zu allem Übel tat sich dann auch noch Boris Tomiak weh. Ein Eins-zu-Eins-Wechsel, etwa für Julian Niehues, der erst kurz vor Schluss für Marlon Ritter kam, bot sich zu diesem Zeitpunkt nicht an. Antwerpen musste angesichts des Spielstands einen neuen Akzent setzen. Einziger noch verbliebener Stürmer auf der Bank war Simon Stehle, der jedoch eher Konterspieler ist. Also brachte der Trainer Jean Zimmer, der sich vorne rechts positionierte. Die Dreierkette hinten bildeten fortan Klingenburg, Winkler und Ciftci.

Wäre Hanslik noch auf dem Platz gewesen und Redondo hätte zusätzlich kommen können - diesen beiden beweglichen Stürmern mit ihrem guten Timing beim Durchstarten wäre noch einiges zuzutrauen gewesen, erst recht mit Boyd in ihrer Mitte. Doch wie heißt es schön: Hätte, hätte, Fahrradkette. Zimmer gelang in seinem ersten Einsatz nach langer Verletzungspause leider kaum etwas.

Andererseits: Tomiaks Ausfall war ja unmöglich vorauszusehen gewesen.

Auch wenn’s weh tut: Der Problem bleibt der schwache Saisonstart

Zu guter Letzt muss noch festgehalten werden. Sollte der FCK nun tatsächlich Platz zwei verspielt haben, darf dies nicht an dieser Partie in Wiesbaden festgemacht werden. Dies war erst die dritte Niederlage seit dem achten Spieltag, seit der großen Zäsur nach der 0:1-Niederlage in Magdeburg. Selbst Tabellenführer Magdeburg ging seither schon vier Mal leer aus, holte insgesamt sogar fünf Punkte weniger als Lautern. Ein Aussetzer dann und wann ist nahezu unabänderlich in dieser ausgeglichen Liga, die zudem über die lange Strecke von 38 Runden geht.

Der Wackerstein, der den Roten Teufeln eigentlich und immer noch im Magen liegt, ist ihr schwacher Saisonstart mit vier Niederlagen in sieben Spielen. In dieser Phase zwei, drei Punkte mehr und sie stünden heute wesentlich gepolsteter auf einem direkten Aufstiegsplatz. Solche Spiele wie in Wiesbaden kommen in dieser Klasse immer mal vor, auch wenn sie so kurz vor Rundenschluss schmerzen wie Hölle.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2021/22: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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