Taktik-Nachlese zum Spiel FCH-FCK

Die DBB-Analyse: Erst abwarten, dann zuschlagen

Die DBB-Analyse: Erst abwarten, dann zuschlagen

Foto: Daniel Krämer

Dem 1. FC Kaiserslautern ist eine passende Antwort auf die 0:3-Schlappe gegen Regens­burg geglückt. Bei Hansa Rostock gewinnen die Roten Teufel am Ende souverän mit 2:0, strapa­zieren zunächst aber schwer die Nerven ihrer Fans.

Kevin Kraus fiel kurzfristig wegen einer im Abschlusstraining erlittenen Fußblessur aus. Für ihn rückte Jean Zimmer in die Startelf. Wer gerne über das Endlos-Thema "Vierer- oder Dreier-/Fünferkette?" schwadroniert, darf nun rätseln: Was, wenn Kraus fit gewesen wäre? Hätte Zimmer dann erneut auf der Bank Platz genommen? In diesem Fall wären mit Kraus, Robin Bormuth und Boris Tomiak vermutlich wieder drei Innenverteidiger aufgelaufen, und der FCK hätte mit Dreier-/Fünferkette begonnen. Oder war Zimmers Einsatz auf der Mittelfeldposition vorne rechts ohnehin vorgesehen, und einer aus dem Abwehrtrio, wohl Bormuth oder Kraus, hätte zum Anpfiff draußen gesessen?

Okay, es ist müßig, darüber zu spekulieren. Wir tun's dennoch, haken das Thema damit aber auch ab: Dirk Schuster wäre so oder so zur Viererkette zurückgekehrt. Weil nach der 0:3-Peinlichkeit gegen Regensburg Rückkehr zur Einfachheit angesagt war, zu den viel beschworenen "Basics". Und 4-2-3-1 mit, 4-4-2 gegen den Ball ist das, was jeder einigermaßen ordentlich ausgebildete Fußballprofi schon aus seinen NLZ-Zeiten aus dem Effeff kennt. Das 3-5-2, das in Hamburg so gut, gegen Regensburg so schlecht funktionierte, braucht mehr Feinabstimmung, vor allem im Zusammenspiel der Außenbahnspieler mit den Innenverteidigern.

FCK zunächst passiv, aber nie ernsthaft in Gefahr

Trotz der Formationsänderung aber verhielten sich Lautrer zunächst mal nicht viel anders als bei ihrem gefeierten Auftritt in Hamburg. Sie ließen den Ball die ersten 20 Minuten dem Gastgeber, selbst aber nichts zu. Oder kaum was. Den Statistiken brachten die Hanseaten zwar über die gesamte Spieldauer nicht einen wirklich gefährlichen Schuss aufs Gehäuse zustande, man sollte aber nicht vergessen: Zwei gut angesetzte Versuche von Nils Fröling und Thomas Meißner in dieser Anfangsphase gingen knapp am Tor vorbei, weil sie gerade noch abgefälscht wurden. In Zeiten, in denen das Glück den Pfälzern weniger hold war, wäre so ein abgefälschtes Ding wohl auch mal im Netz gelandet.

Für den mitgereisten Anhang allerdings war die anfänglich Passivität ihres Teams schwer erträglich. In Hamburg vor zwei Wochen spielte man beim Tabellenführer, aber hier traf man auf einen Tabellen-13., der brutal ersatzgeschwächt war. Musste die Schuster-Elf diese Rumpfmannschaft auch noch aufbauen, indem sie ihr das Leder überließ? Der Ballbesitzanteil der Kogge kletterte zeitweise auf über 70 Prozent.

Doch wie lautet einer dieser schrecklich banal klingenden, aber dennoch zutreffenden Kernweisheiten von FCK-Meistertrainer Otto Rehhagel: "Wenn man am Ende gewonnen hat, hat man alles richtig gemacht." Und so geschah es.

Nach 30 Minuten endlich Betze-Fußball: Allah, geht doch

Ab Mitte der ersten Halbzeit gab's auch mal von den Gästen Fußball zu sehen. Zimmer kam halbrechts zum Schuss, nachdem Julian Niehues und Philipp Klement sich mit einem schönen Zusammenspiel auf der linken Seite Platz geschaffen und den Flügelwechsel vollzogen hatten. Mit wenigen Kontakten, aber dennoch gut herausgespielt war Kenny Redondos Doppelchance in der 31. Minute. Klement und Zimmer behaupteten einen weiten Ball von Keeper Andreas Luthe an der Mittellinie, Zimmer spielte den Pass in die Tiefe, und wie sich Redondo dann halblinks in Schussposition brachte, abzog und dann auch nochmal den abgewehrten Ball an Hansa-Keeper Markus Kolke vorbeizubringen versuchte, das überzeugte den rot-weißen Fantross endgültig: Allah, geht doch.

Am Auftritt der Schuster-Jungen in der zweiten Halbzeit gibt es dann gar nichts mehr zu meckern. Das Team kontrollierte den hart kämpfenden, aber aufgrund seiner vielen Ausfälle schlecht abgestimmten Gegner bis zum Schlusspfiff. Auf Flanke von Zimmer wäre dem aufgerückten Rechtsverteidiger Erik Durm nach 60 Minuten beinahe ein Tor des Monats geglückt, als er volley vom halbrechten Strafraumeck abzog, Kolke aber prächtig parierte. Und als zwei Minuten später Bormuth, nach kurzer Ecke und Flanke von Klement auf fünf Metern nur knapp übers Tor köpfte, beschlich wohl jeden im Stadion und am Bildschirm dieses unbestimmte Gefühl: Jetzt kann es nicht mehr lange dauern, bis was einschlägt.

In der 67. Minute war es soweit. Boyd versenkte einen Kopfball nach einer Freistoßflanke von Klement. Der dem bis dahin überragenden Kolke auch noch durch die Hosenträger rutschte. Autsch.

Boyd: Ein Treffer für, einer mit breiter Brust

Boyd also. Der, der vorne immer unermüdlich rackert, sich permanent auf der gesamten Breite des Spielfelds anbietet, gegen den aber sofort kritische Stimmen von Einzelnen laut werden, wenn wie zuletzt die Chancenverwertung nicht stimmt. Das schlägt selbst einem wie ihm aufs Gemüt, denn Stürmer brauchen Treffer, damit die Brust wieder breit wird.

Wie sehr dieses Erfolgserlebnis Boyds Brustkorb wieder aufgepumpt hatte, wurde in der 82. Minute sichtbar. Da galt es nämlich, sich im Tackling und im Sprint gegen Rick van Drongelen durchzusetzen, den ebenfalls recht imposant gebauten Innenverteidiger der Rostocker. Boyd entschied das Duell für sich und schoss zum 2:0 ein. Die Entscheidung.

Und ein Treffer, vor dem Umschaltspiel buchstäblich "mit Köpfchen" umgesetzt worden war. Ein weiter Abschlag Kolkes wird mit zwei Kopfbällen von der Lautrer Strafraumgrenze weg zu Marlon Ritter weitergeleitet, und der schlägt das Leder volley aus einer Bewegung heraus in die Spitze, bei der andere sich vielleicht den Fuß verdreht hätten.

Boyd war der Beste, aber Tomiak die Symbolfigur

Klar, dass Boyd nicht nur von den Fans in der DBB-Spielerbenotung, sondern auch in den Bewertungssystemen von "Sofascore" oder "Whoscored" als überragender Akteur des FCK-Teams gelistet wird. Wer zwei Tore erzielt hat, steht da sowieso oben. Als zweitbester Teufel wird Klement bewertet, was ebenfalls nachvollziehbar ist. Der 30-Jährige war an fast allen Offensivaktionen seines Teams beteiligt. Allerdings: Als er nach 75 Minuten gegen Mike Wunderlich ausgetauscht wurde, präsentierte dieser sich direkt als der torgefährlichere Zehner. Dirk Schuster hat auf dieser Position wirklich die Qual der Wahl.

Symbolfigur dieses Spiels ist für uns aber ein anderer: Boris Tomiak. Gegen Regensburg hatte der 24-Jährige Aktien in allen drei Gegentreffern. Diesmal blieb er fehlerlos, harmonierte gut mit Nebenmann Bormuth, warf sich leidenschaftlich in die Zweikämpfe, insbesondere mit Rostocks Sturmtank Lukas Hinterseer. Er zeigte aber auch, dass er in punkto Stellungsspiel kontinuierlich dazulernt. Dabei ist die linke Innenverteidiger-Position für den Rechtsfuß gar nicht mal die optimale - aber das wäre schon wieder Meckern auf hohem Niveau.

Die xG-Grafiken: Am Lautrer Sieg gibt's nichts zu rütteln

Diese bei "Wsycout" entnommene Grafik zeigt, wie sich durchschnittlichen Aufstellungslinien im Lauf der Partie verschoben - und wie der FCK in den zweiten 45 Minuten in diesem Punkt zulegte. Rostock dagegen hatte spätestens nach dem 0:2 nichts mehr nach vorne zu werfen.

Durchschnittliche Aufstellungslinie

Nicht minder aussagekräftig ist die Visualisierung der Pressingintensität über 90 Minuten. Der FCK zunächst haarsträubend passiv, drehte nach 30 Minuten aber ordentlich auf und ließ es nach 2:0-Führung wieder ruhiger angehen.

Pressingintensität (zugelassene Pässe pro Defensivphase)

Die Medien, die von "Opta" erhobene Daten beziehen, nennen ein xGoals-Ergebnis von 0,54 : 1,28 zugunsten der Roten Teufel, "Wyscout" kommt sogar 0,49 : 2,04. Hier die Timeline:

xG-Dynamik FCH-FCK

Die Positions- und Passgrafik beziehen wir diesmal auch von "Wyscout", bei Freitagsspielen braucht Sander Ijtsma immer etwas länger. Diese Grafiken haben den Nachteil, dass in sie auch die Einwechselspieler hineingefriemelt werden, was auf Kosten der Übersichtlichkeit geht. Hier ist sie dennoch:

Passmap FCK

Und der Vollständigkeit halber hier noch die Positions- und Passgrafik des FC Hansa:

Passmap FCH

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2022/23: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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