Taktik-Nachlese zum Spiel FCK-FCN

Die DBB-Analyse: Teufel mit stumpfen Hörnern

Die DBB-Analyse: Teufel mit stumpfen Hörnern


Es spricht sicher für den 1. FC Kaiserslautern 2022/23, das auch nach diesem neuerlichen 0:0 keine negative Stimmung aufkommt. Etwas mehr Aggressivität hätte es gegen den schwachen 1. FC Nürnberg aber sein dürfen - gerade vor dieser Traumkulisse.

Nein, es muss auch nach diesem Spiel noch niemand anfangen zu meckern. Der FCK steht nach wie vor auf einem einstelligen Tabellenplatz, ist nach wie vor bester Aufsteiger. Hat nun 20 Punkte auf dem Konto, also die Hälfte der anvisierten Saisonausbeute. Was in den drei noch ausstehenden Partien der Hinrunde geholt wird, darf im Hinblick auf das Ziel Klassenerhalt also schon als Bonus angesehen werden. Und ein "eigentlich" verdienter Sieger gegen die Franken wären die Lautrer doch auch gewesen. 1,59 : 0.13 stand es am Ende nach xGoals, die Nürnberger hatten nicht einen direkten Torschuss abgegeben, das sagt doch alles. Klappt halt nicht immer, ist halt Fußball. Gepfiffen hat auch keiner in dieser Wahnsinnskulisse von beinahe 47.000 Zuschauern im Fritz-Walter-Stadion. Steht also immer noch alles zum Besten im Südwesten, da wird jetzt hoffentlich keiner wieder mit der "überzogenen Erwartungshaltung" kommen, die in zurückliegenden, unseligen Zeiten so oft und so ungern angeführt wurde.

Laufdistanzen zuhause und auswärts: ein Vergleich

Nein, man muss nicht meckern. Aber gefragt werden darf schon: Weshalb läuft es bei den Schuster-Jungen in dieser Spielzeit auswärts besser als in der einstigen "Bastion Betzenberg"? Auf dem Papier haben die Pfälzer zwar Zuhause genauso viele Punkte geholt wie in der Fremde. Zehn Punkte nämlich. Aber: Daheim haben sie bereits zwei Partien mehr bestritten. Vier Unentschieden gab’s auswärts wie im eigenen Wohnzimmer, aber dort sind die Roten Teufel auch schon zwei Mal geschlagen worden. Unterwegs noch nie.

Unter den Unmengen an Daten, die bei Spielen in deutschen Profiligen heutzutage erhoben werden, ist es gar nicht so einfach, die zu entdecken, die dazu Erhellendes bieten. Aber siehe da: Der Vergleich der "Laufdistanzen" gestaltet sich als recht interessant. Bei Tabellenführer Hamburger SV mussten die Schuster-Jungen laut target=_"blank">"bundesliga.de" insgesamt 118 Kilometer abspulen, um den verdienten Punkt mit nach Hause zu nehmen. Beim 2:0-Sieg in Rostock legten sie 111,5 Kilometer zurück. Und zuhause?

Gegen Eintracht Braunschweig, Endstand 1:1, waren es am Ende nur 107 Kilometer. Beim schlimmen 0:3 gegen Regensburg liefen sie 106 Kilometer, und am Samstag gegen Nürnberg 105,3 Kilometer. So viel sind die Roten Teufel auch beim 2:2 in Heidenheim gerannt. Und das, obwohl nach Andreas Luthes Platzverweis fast eine Halbzeit lang nur noch zehn von ihnen Gelegenheit hatten, Kilometer zu fressen.

Zu wenig Laufarbeit bringt auch den Gegner nicht in Bewegung

Wir sehen also: Die Lautrer rennen auswärts mehr als zuhause. Weshalb? Weil die Gastmannschaften "uffem Betze" tiefer stehen, drum muss da weniger marschiert werden. Könnte man meinen. Andererseits: Damit sich Lücken gegen kompakte Defensivformationen auftun, müssen diese in Bewegung gebracht werden, und dazu wiederum muss man sich selbst bewegen.

Nicht von ungefähr gleichen die Laufdistanzen der Gäste in den besagten Partien denen der Gastgeber. Die Braunschweiger mussten 106,8 Kilometer laufen, um sich ihren Punkt zu sichern. Die Nürnberger benötigen exakt genauso viele. Was insofern ärgerlich ist, als dass ihnen zurzeit Probleme im Ausdauerbereich nachgesagt werden - mit zunehmender Spieldauer hätten sich vielleicht mehr Lücken aufgetan, wären sie entsprechend gefordert worden. Und die Regensburger? Liefen sogar vier Kilometer mehr als der FCK und haben wohl auch deswegen so klar gewonnen.

Umso bezeichnender ist es, wie die Pfälzer die 1,59 xGoals herausgespielt haben, mit denen sie hinterher ihren "eigentlich" verdienten Sieg begründeten, nämlich ausnahmslos mit lang geschlagenen und/oder ruhenden Bällen. Schon in der 11. Minute verlängerte Boris Tomiak eine Ecke von Philipp Klement auf Julian Niehues, dessen Kopfball Lino Tempelmann auf der Linie blockte. Später kamen noch zwei halbgare Kopfballansätze von Tomiak und Terrence Boyd hinzu, abermals nach Ecke und Freistoßflanke von Klement. Dem zurecht zurückgenommenen Elfmeter in der zweiten Hälfte ging ebenfalls eine Ecke Klements voraus.

Lange Bälle ablegen: Kann klappen, genügt aber nicht

Dazu zwei Versuche im Anschluss an aus dem Spiel heraus geschlagene lange Bälle, beide aus der Rechtsverteidigerposition: Der eine kam von Erik Durm. Marlon Ritter erlief ihn sich, doch strich sich sein 16 Meter-Schuss knapp am langen Pfosten vorbei. Und tief in der zweiten Halbzeit visierte Ritter, der sich mal hinten rechts angeboten hatte, den eingewechselten Aaron Opoku im Sturmzentrum an. Der legte passgenau auf den halbrechts einlaufenden Boyd ab, doch der scheiterte an FCN-Torsteher Christian Mathenia.

Und dann war da noch die größte Chance des Spiels. Auch der ging ein abgelegter langer Ball voraus, der aber schon an der Mittellinie runterging, da der "Glubb" ungewöhnlich hoch aufgerückt war. Die Roten Teufel sicherten sich den zweiten Ball, passten über die linke Seite nach vorne, Klement schickte Kenny Redondo halblinks in die Gasse. Der aber schloss lieber selbst, statt dem mitgelaufenen Jean Zimmer aufzulegen, der einfach hätte einschieben können.

Demut ist schön, aber Angriffspressing wär geiler

Klar, unterm Strich hätte das reichen können, aber es wäre noch viel, viel mehr möglich gewesen. Auch wenn die Nürnberger noch so stolz darauf verweisen, dass sie nunmehr im vierten Pflichtspiel nacheinander ohne Gegentreffer geblieben sind, souverän wirkten sie in der Defensive keinesfalls. Etliche vertikale Bälle wehrten sie nur unsauber ab, auch ließen sie sich das ein oder andere Mal in gefährlichen Zonen den Ball abjagen. Mit aggressivem Pressing und Gegenpressing hätte sich die Fehlerquote der Gäste locker erhöhen lassen, die Anzahl an Torchancen, den Siegtreffer zu erzielen, erst recht.

Als Aufsteiger nicht zu schnell, schon wieder zu viel wollen, sich weiter in der von Sportchef Thomas Hengen geforderten "Demut" üben, das ist ja schön und gut, aber irgendwann wird der Anhang, der gegenwärtig noch so zufrieden wie zahlreich auf den Betzenberg strömt, dort auch wieder Rote Teufel sehen wollen, die ihre Gegner auf die Hörner nehmen.

Wie er die vielen Unentschieden derzeit werte, wurde Dirk Schuster unlängst gefragt, und er antwortete: "Für mich ist das Glas immer halbvoll". In dem Bild steckt, mit Verlaub, ein kleiner Rechenfehler: Für einen Sieg gibt’s drei Punkte, für ein Remis nur einen. Streng genommen also ist das Glas bei Gleichstand nur zu einem Drittel voll. Das klingt jetzt ganz schön oberschlau, gell? Aber warten wir mal ab, ob die Anmerkung nicht vielleicht doch als "irgendwie bezeichnend" angesehen wird.

Die Krux: Zu wenig Passkommunikation in der Zentrale

Zu den Grafiken. Über die xGoals haben wir ja schon gesprochen, bei den übrigen Datenanbieter variieren sie übrigens nur minimal.

xG-Dynamik FCK-FCN

Die Positions- und Passgrafik der Lautrer sieht auf den ersten Blick gar nicht mal übel aus. Auf den zweiten zeigt sich aber: Es gibt keine Passlinien zwischen Redondo und Boyd, keine zwischen Zimmer und Boyd, keine zwischen Niehues und Ritter, keine zwischen Ritter und Zimmer. Unterm Strich also zu wenig Passspiel. Öfter und schneller abspielen, setzt den Gegner in Bewegung. Und öffnet Lücken.

Passmap FCK

Zum Vergleich die Positions- und Passgrafik des FCN. Nürnbergs Abwehrformation diesmal wird vielerorts als Dreierkette beschrieben, diese Visualisierung bestätigt dies nicht unbedingt. Zweifelsohne richtig ist: Auf der rechten Seite bildeten Jan Gyamerah und der junge Jens Castrop ein Pärchen, das das FCK-Duo Hendrick Zuck/Redondo insbesondere in der ersten Hälfte ordentlich beschäftigte. Die Männer in Rot suchten daher den Weg nach vorne über den rechten Flügel, wo Fabian Nürnberger keine festen Partner hatte, bis der ehemalige Lautrer Erik Wekesser eingewechselt wurde. Sofern es Absicht von Markus Weinzierl war, die Angriffsbemühungen der Gastgeber auf deren rechte Seite zu leiten, war’s clever. Denn wenn mal was über Zuck/Redondo lief es, sah es meist erfolgversprechender aus als bei Durm/Zimmer.

Passmap FCN

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2022/23: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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