Interview des Monats: Ex-FCK-Spieler und -Funktionär Fritz Fuchs, Teil 2/2

"Demut ist das eine, Selbstbewusstsein das andere"

"Demut ist das eine, Selbstbewusstsein das andere"


Seit 71 Jahren Mitglied beim 1. FC Kaiserslautern, beinahe mal Trainer, zwei Mal Funk­tionär gewesen. Immer noch als Berater unterwegs und Feuer und Flamme für seinen Herzens­verein. Fritz Fuchs blickt auf ein bewegtes Fußballer-Leben zurück.

Der Betze brennt: Fritz Fuchs, Sie haben 167 Bundesliga-Spiele für den FCK absolviert, darunter das legendäre 7:4 gegen die Bayern, hinzu kommen diverse Einsätze im DFB-Pokal und im Europacup. Nach Ihrer aktiven Laufbahn sind Sie dann Trainer geworden.

Fritz Fuchs (79): Ja, da bin ich so reingerutscht. 1975 war ich 32 Jahre alt, wollte eigentlich noch weiter beim FCK spielen. Der Vertrag lag auch schon fertig auf der Geschäftsstelle. Aber dann hab ich mir in Düsseldorf ein Bein gebrochen, und angesichts meines Alters hat der Verein sein Angebot zurückgezogen. Ich bin dann zunächst Spielertrainer geworden, bei Hassia Bingen, und anschließend war ich als Trainer in ganz Deutschland unterwegs.

Der Betze brennt: Der ehemalige FCK-Stürmer Axel Brummer hat uns erzählt, dass Sie in Offenbach mal zu einer Weihnachtsfeier kamen, um Gitarre zu spielen und mit den Spielern zu singen, obwohl die Kickers Sie kurz zuvor entlassen hatten. Das hat ihm ungeheuer imponiert.

Fuchs: Das ist nett, aber leider hat sich der Axel da falsch erinnert. Ich war zu diesem Zeitpunkt noch nicht entlassen. Ich hab erst mit den Jungs gefeiert, weil das eine tolle Truppe war. Und bin danach zurückgetreten, weil ich mit diesem Vorstand nichts mehr zu haben wollte. Ich hab sogar auf anderthalb Jahre Gehalt verzichtet. Meine Frau hat mich gefragt, ob ich noch ganz dicht bin.

"Nach Homburg und Bielefeld wollte ich nicht mehr"

Der Betze brennt: Mit dem FC Homburg sind Sie 1986 in die Bundesliga aufgestiegen, was als absolute Sensation galt. Nach drei Spielen in der Ersten Liga sind Sie dann entlassen worden. War das der härteste Schlag, den Sie in diesem Geschäft hinnehmen mussten?

Fuchs: Ja, das kann man sagen. Der damalige Präsident Manfred Ommer hatte so einen Spielerfonds gegründet, mit dem er durch Ein- und Weiterverkaufen von Profis Geld verdienen wollte. Daher wollte er bestimmen, wen von seinen Jungs ich aufzustellen hatte. Da habe ich nicht mitgemacht - und wurde rausgeschmissen. Hart war aber auch die Erfahrung, die ich anschließend bei Arminia Bielefeld machte. Den Klub habe ich im November 1986 auf Platz 18 der Zweiten Liga übernommen. Zu Saisonende hatte ich ihn auf Platz 9 geführt. Anschließend wurde er insolvent. Da wollte ich eigentlich nicht mehr. Bis Achim Stocker mich anrief, der damalige Präsident des SC Freiburg.

Der Betze brennt: Nach einigen weiteren Trainer-Stationen unter anderem beim 1. FC Saarbrücken, Union Berlin oder auch Rot-Weiß Essen, wo der spätere FCK-Trainer Marco Antwerpen Ihr Spieler war, waren Sie 2009 auch mal Sportlicher Leiter beim Regionalligisten Eintracht Trier.

Fuchs: Dazu hat mich Mario Basler überredet, der dort Trainer geworden war. Er stand eines Tages mit seinem Sohn vor meiner Haustür und sagte, er brauche dringend jemanden, der ihm in Trier den Rücken stärkt. Ich war erst skeptisch. "Mario", sagte ich, "ich kenn dich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir beide zusammenpassen." Darauf schwor er mir, auf mich zu hören. Das hat am Anfang auch funktioniert, aber dann verfiel er wieder in seine bekannten Gewohnheiten - und wurde entlassen.

"Ich kann dir helfen, wenn du willst"

Der Betze brennt: Die Station Trier markiert auch Ihren Einstieg ins Berater-Geschäft.

Fuchs: In gewisser Weise, ja. Bei Trier kickte damals Sahr Senesie. Der war mit Borussia Dortmund Deutscher Junioren-Meister geworden, hatte danach aber nicht den Durchbruch geschafft, war nach Hoffenheim und Zürich ausgeliehen worden und schließlich in Trier gelandet. Ich sagte zu ihm: "Junge, du kannst doch viel mehr. Ich kann dir helfen, dich nochmal höher zu bringen, wenn du willst." Darauf hat er sich eingelassen, und siehe da, bald darauf spielte er in Burghausen und Großaspach, also Dritte Liga immerhin. Das hat er mir nicht vergessen. Bald darauf rief er mich an und fragte, ob ich mich nicht auch mal um seinen jüngeren Halbbruder kümmern könnte - den "Toni".

Der Betze brennt: Der "Toni", das ist Antonio Rüdiger, und der gehörte damals noch der A-Jugend von Borussia Dortmund an und seine Karriere schien bereits vorbei, bevor sie begonnen hatte …

Fuchs: Ja, er hatte Probleme, und auch Horst Hrubesch wollte ihn nicht mehr in seine U16-Nationalmannschaft einladen. Und der damalige BVB-Trainer Jürgen Klopp hielt nichts von ihm, wie er mir in einem Telefonat bestätigte. Toni hatte aber einen Ausbildungsvertrag über fünf Jahre unterschrieben. Ich fand heraus, dass der im Grunde ungültig war, handelte seine Freigabe aus und vermittelte ihn zum VfB Stuttgart. Von dort wechselte Antonio Rüdiger 2016 für neun Millionen Euro zu AS Rom, 2017 für 35 Millionen Euro zum FC Chelsea. Heute spielt er bei Real Madrid und hat über 60 Länderspiele für die deutsche Nationalmannschaft bestritten. Und ich bin immer noch im Beirat der Trierer Berater-Agentur FSB (die Fuchs damals zusammen mit Sahr Senesie und Rechtsanwalt Alexander Bergweiler gründete; Anm. d. Red.).

"Solche Geschichten könnte ich einige erzählen"

Der Betze brennt: Haben Sie später noch mal mit Jürgen Klopp über Rüdiger reden können?

Fuchs: Toni hat ihn wiedergetroffen, als er mit Chelsea gegen den FC Liverpool spielte. Jürgen Klopp wollte ihm die Hand geben, aber Toni hat sie ausgeschlagen. Er hatte nicht vergessen, wie Klopp damals über ihn geredet hatte.

Der Betze brennt: Haben Sie auch Ihrem Heimatverein FCK mal Spieler vermittelt oder zumindest empfohlen?

Fuchs: Als ich eine Fußballschule in Brasilien leitete, hab ich den FCK auf den Brasilianer Lincoln aufmerksam gemacht, den sie dann tatsächlich geholt haben. 2001 war das. Und noch zu Kalli Feldkamps Zeiten habe ich dem FCK einen gewissen Rudi Völler ans Herz gelegt, der damals noch bei Kickers Offenbach spielte. Den haben die FCK-Verantwortlich aber als körperlich zu schwach empfunden. Von diesen Geschichten könnte ich einige erzählen. Als Berater betreue ich heute die U21-Spieler Jacob Collmann und Görkem Koca mit. Gute Jungs, beide, die den Sprung nach oben schaffen können. Aaron Opoku zählt ebenfalls zu unseren Klienten.

Der Betze brennt: Ihr Sohn Uwe hat dem FCK Ragnar Ache vermittelt, der in den ersten Saisonspielen geradezu durch die Decke geschossen ist. Arbeitet er mit Ihnen zusammen?

Fuchs: Uwe ist bei einer anderen Agentur angestellt. Wir tauschen uns natürlich aus, aber wir machen keine Geschäfte miteinander.

"95 Prozent aller Berater sind Luftpumpen, Absahner und Idioten"

Der Betze brennt: Einerseits sind Sie ja noch mittendrin, andererseits haben Sie altersbedingt nun ja auch eine gewisse Distanz. Daher die Frage: Wie sehen Sie das Berater-Geschäft?

Fuchs: Da muss ich leider sagen: Wirklich seriös sind in der Branche nur etwa fünf Prozent. Der Rest besteht aus Luftpumpen, Absahnern und Idioten. Denn leider darf sich ja jeder Krethi und Plethi Spielerberater nennen, da müsste der DFB endlich mal was unternehmen. Als Spielerberater darf's dir nicht nur um die Kohle gehen. Du musst dich auch um die Persönlichkeitsentwicklung deiner Jungs kümmern, um Sonder- und Zusatztrainings, sogar um die Ernährung. Und du musst schauen, ob auch der Trainer des Vereins, der an deinem Jungen interessiert ist, mit ihm was anfangen kann.

Der Betze brennt: Uwe Scherr, der Leiter des FCK-Nachwuchszentrums, äußert sich da ähnlich. Und der FC St. Pauli hat jetzt angekündigt, in seinem Nachwuchsbereich gar nichts mehr mit Beratern zu tun haben zu wollen. Was halten Sie davon?

Fuchs: Das kann ich grundsätzlich verstehen, aus den oben genannten Gründen. Aber man kann nicht alle über einen Kamm scheren. Ich zähle mich zu den seriösen Beratern, sehe mich als Ziehvater meiner Jungs. Wenn mich einer aus seinem NLZ aussperren will, bekommt er von mir keine Spieler mehr angeboten, basta. Ich bin mal gespannt, welche Erfahrungen St. Pauli macht, wenn sie da tatsächlich so konsequent vorgehen, wie sie es angekündigt haben.

"1983 wäre ich beinahe mal FCK-Trainer geworden"

Der Betze brennt: Sie sind 71 Jahre FCK-Mitglied, waren immer nahe am Verein, erst Spieler, dann lange Jahre Trainer. Aber Sie waren nie FCK-Trainer. Hat sich das einfach nie ergeben?

Fuchs: Einmal wäre ich es fast geworden. 1983, als Rudi Kröner entlassen worden war. Der damalige FCK-Präsident Udo Sopp rief mich an und fragte, ob ich übernehmen könne. Ich war damals zum ersten Mal Trainer beim SC Freiburg. Ich fragte Achim Stocker. Der hätte mich schweren Herzens freigegeben, weil er wusste, was mir der FCK bedeutet. Udo Sopp musste dann aber in einem insgesamt dreiköpfigen Vorstand über meine Verpflichtung abstimmen lassen. Die ging 2:1 gegen mich aus.

Der Betze brennt: Zwei Mal waren Sie beim FCK als Funktionär engagiert, zwei Mal endete es jäh.

Fuchs: Ich kann es eben nicht ausstehen, angelogen zu werden. Anfang 2008 habe ich kurzfristig den Posten des Team-Managers übernommen, nachdem Klaus Toppmöller seinen Posten als "Aufsichtsrat mit Sportdirektoren-Kompetenz" nach nur wenigen Wochen wieder hingeschmissen hatte. Darauf rief mich Aufsichtsratsmitglied Dieter Buchholz an, fragte mich, ob ich helfen wolle, dem FCK drohte der Absturz in die 3. Liga. Ich arbeitete damals für den Unternehmer Hartmut Ostermann, der auch Präsident des 1. FC Saarbrücken war, in Portugal. Auch der gab mich frei, weil er einsah, dass ich nicht aufhören würde zu nerven. Ich blieb aber auf seiner Gehaltsliste. Als eine der ersten Maßnahmen beurlaubte ich Trainer Kjetil Rekdal und stellte Milan Sasic ein, womit die entscheidende Weiche zum Klassenverbleib gestellt war. Kurz darauf rief mich Werner Altegoer an, der Präsident des VfL Bochum, und verriet mir, dass die FCK-Führung gerade im Begriff sei, seinen Sportdirektor Stefan Kuntz an den Betzenberg zu lotsen. Dagegen hätte ich im Prinzip nichts gehabt, ich wäre dann im Sommer zu Ostermann zurückgekehrt. Aber ich wollte, dass mir der Aufsichtsrat von Angesicht und Angesicht bestätigt, hinter meinem Rücken bereits mit meinem Nachfolger zu verhandeln. Doch der hat dreist behauptet, da sei nichts dran. Da sagte ich: "Okay, aber wenn Kuntz jetzt doch hier auftaucht, bin ich sofort weg." Und so kam es dann.

"Ich habe immer meine Meinung gesagt, jedem"

Der Betze brennt: Als Aufsichtsrat kamen Sie 2019 ins Amt. Im Mai 2021 war Schluss. Im Zuge der Entlassung von Trainer Marco Antwerpen.

Fuchs: Auch da kritisiere ich nicht grundsätzlich die Entscheidung. Im Nachhinein lässt sich ja nicht bestreiten, dass sie zum Erfolg geführt hat. Aber Geschäftsführer Thomas Hengen wollte uns dienstags darüber abstimmen lassen, ob wir Marco Antwerpen entlassen sollen. Dabei hatte ich schon am Sonntagabend erfahren, dass er Dirk Schuster bereits als Nachfolger verpflichtet hatte. Entweder geht man vertrauensvoll miteinander um, oder man lässt es.

Der Betze brennt: Sie scheinen aber auch nicht gerade ein Diplomat zu sein.

Fuchs: Ich hab immer meine Meinung gesagt, jedem. Ich weiß noch, wie ich im Jahr 2000 im Büro von Atze Friedrich saß und ihm sagte, dass das mit dem Gespann Andreas Brehme/Reinhard Stumpf, das er gerade eingestellt hatte, nicht funktionieren könne. Stumpf würde Brehme als Vorgesetzten nicht wirklich akzeptieren. Er hat mir nicht geglaubt. Ich sagte: "Atze, du warst ein guter Spieler, aber du warst nie Trainer wie ich, heute bist du nur noch ein routinierter Zuschauer, mehr nicht." Darauf durfte ich meinen Kaffee austrinken und gehen. Recht behalten habe ich dennoch.

Der Betze brennt: Aber Sie sind immer wieder gekommen.

Fuchs: René C. Jäggi, Erwin Göbel, Stefan Kuntz, Nikolai Riesenkampff - egal, wen Sie nennen, ich hab mit allen zusammengesessen und ihnen meine Meinung gesagt. Keiner wollte hören, wenn ich gewisse Befürchtungen hatte. Im Nachhinein aber zeigte sich, dass ich fast immer richtig lag. Dabei habe ich nie jemanden persönlich angegriffen, mir ging es immer mir nur um die Sache, um meinen FCK. Heute sind sie alle, die ich eben genannt habe, weg - aber ich bin immer noch da.

"In diesem Team stimmt alles: Können, Mentalität, Altersstruktur

Der Betze brennt: Kürzlich haben Sie wieder ein wenig gegen die aktuellen Aufsichtsräte gestichelt.

Fuchs: Ich kritisiere lediglich, dass das NLZ weiterhin zu wenig beachtet wird. Ansonsten bin ich sehr glücklich, wie es zurzeit läuft. Seit Enis Hajri Kaderplaner ist, werden auch jüngere Spieler verpflichtet, mit denen man vielleicht auch mal fette Transfererlöse erzielen kann, das hatte zuletzt gefehlt. In dieser Mannschaft stimmt jetzt alles: Können, Mentalität, Altersstruktur. Ich sehe keine bessere in der Liga. Warum also sollten wir nicht aufsteigen?

Der Betze brennt: Der Verein fährt seit einiger Zeit lieber die Strategie, nicht zu früh zu große Töne spucken, und fährt damit doch sehr gut. Stichwort Demut.

Fuchs: Demut ist grundsätzlich auch gut, und bisher war sie ja angebracht. Aber Demut ist das eine, das andere: Selbstbewusstsein. Und das muss ich vorleben. Eine Mannschaft, die in Osnabrück 0:2 zurückliegt, zwei Elfmeter verschießt, aber dennoch zurückkommt, der kann ich doch was zutrauen. Und das sollte ich ihr auch klar sagen dürfen. Natürlich lässt sich so ein Aufstieg nicht vorprogrammieren, aber unter die ersten Fünf kommen, das kann man als Ziel vorgeben, das hat dieses Team drauf. Erstmal 40 Punkte holen, das ist doch nichts. Ich weiß schließlich, von was ich rede, ich bin als Trainer und Spieler sechs oder sieben Mal aufgestiegen.

"Die schwersten Fehler macht man, wenn es gerade gut läuft."

Der Betze brennt: "Die Sehnsucht treibt uns weiter, wir glauben an das Glück", haben Sie 2021 mal gesungen, in einer zu Herzen gehenden Eigenkomposition, die Sie über die sozialen Medien verbreiteten, als es dem FCK wirklich schlecht ging. Werden Sie bald wieder zur Gitarre greifen?

Fuchs: Das habe ich damals aus dem Bauch heraus gemacht, ganz spontan. Daher kann ich nicht vorher ankündigen, ob und wann es mal wieder soweit ist. Aber ein Aufstieg, ja, das könnte ein Anlass sein. Bis dahin ist es aber noch ein bisschen hin. Und solange gilt es auch zu bedenken: Die schwersten Fehler macht man immer dann, wenn es gerade gut läuft.

Der Betze brennt: Herzlichen Dank für das interessante Gespräch und einen schönen 80. Geburtstag am kommenden Mittwoch!

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer, Thomas Hilmes

Weitere Links zum Thema:

- Teil 1 des Interviews: "... und dann ging die Post ab" (Der Betze brennt)

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