Taktik-Nachlese zum Spiel F95-FCK

DBB-Analyse: Geflipper zwischen Skandal und Spektakel

DBB-Analyse: Geflipper zwischen Skandal und Spektakel


Neues Spiel, neuer Irrsinn. Mit diesem 3:4 bei Fortuna Düsseldorf bietet der 1. FC Kaiserslautern seinem Anhang das nächste Wahnsinnsspiel. Dieses allerdings hätte nach 32 Minuten auch schon abgepfiffen werden können.

Die Roten Teufel haben es geschafft, eine 3:0-Führung nochmal abzugeben und zu verlieren. Und das nur einen Tag, nachdem sie den 50. Jahrestag eines Spiels gefeiert hat, in dem sie gegen den FC Bayern aus einem 1:4 ein 7:4 machten. Sie selbst hatten nach einer Drei-Tore-Aufholjagd des Gegner noch nie verloren. 1994/95 haben sie in Karlsruhe mal nach einer 3:0-Führung wenigstens noch einen Punkt mitgenommen, ebenso nach einem Heimspiel gegen den VfB Stuttgart in der Spielzeit 1966/67. In der Zweiten Liga glückte zuletzt Jahn Regensburg ein 4:3 nach 0:3 - gegen Fortuna Düsseldorf. Dem Klub, dem dieses Husarenstück nun am Samstagabend ausgerechnet gegen Lautern glückte. Der Fußball und seine Geschichten.

So ein Spiel gibt's so schnell nicht noch einmal

In dieser Saison fiel es uns schon öfter schwer, FCK-Spiele auch am Tag danach noch einigermaßen nüchtern-differenziert zu betrachten. Nach diesem ist es geradezu unmöglich. "Wie blöd kann man sein?" fragt sich der aufgewühlte Anhang erst einmal, wenn das eigene Team einen 3:0-Vorsprung vergeigt. Doch das wäre auf jeden Fall zu simpel - und ungerecht.

Zu einem guten Teil lässt sich diese Partie als eine Verkettung skurriler, aber auch ungeheuerlicher Ereignisse abhaken, die sich in dieser Anordnung so bald sicher nicht wiederholen werden. Sie erinnerten phasenweise mehr an Flippern denn an Fußball. Zum anderen lässt sich diese "Fortuna für alle"-Premiere eher als Skandal denn als Spektakel bezeichnen, der am grünen Tisch zugunsten des FCK gewertet werden müsste und daher keiner weiteren sportlichen Bewertung bedarf. Denn dass ein Spielabbruch gerechtfertigt gewesen wäre, nachdem Ragnar Ache unmittelbar nach dem 3:0 von einer Flasche am Kopf getroffen wurde und danach sichtlich gehandicapt war, wird wohl auch im Fortuna-Lager niemand ernsthaft bestreiten.

Die Roten Teufel kassieren mehr Tore, als sie schießen können

Was noch an Analyse bleibt, wenn man dies alles, so schwer es fällt, ausblendet? Da hängen wir uns am besten mal an einem Satz auf, den FCK-Trainer Dirk Schuster nach der Partie sprach: "Du kannst nicht in jedem Spiel drei, vier Tore schießen, um Punkte zu holen. Das sind mir zu einfache und zu viele Gegentore."

In der Tat: Die Abwehr bleibt die Achillesferse der Pfälzer. 18 Gegentreffer haben sie in dieser Saison kassiert, mehr als jedes andere Team in der oberen Tabellenhälfte. Nürnberg und Braunschweig weisen genauso viele auf, Schalke und Osnabrück haben als einzige mehr kassiert. Und die dümpeln alle im unteren Drittel herum.

Die Gegentreffer: Manches lässt sich einfach nicht verhindern

In den Gegentreffern dieser Partie Fehlermuster zu erkennen, ist allerdings nicht so einfach. Vor dem 1:3 fällt Ao Tanaka ein abgefälschter Ball vor die Füße. Dagegen lässt sich zunächst mal nichts machen. Aber: Zuvor war Shinta Appelkamp mittig am Sechzehner frei zum Schuss bekommen, durfte eine zu kurz abgewehrte Freistoßflanke annehmen. Da lässt sich schon eher ansetzen. Generell landeten zu viele zweite Bälle beim Gegner.

Beim zweiten Treffer wird ein kaum erfolgversprechender Torschuss von Fortunas Rechtsverteidiger Matthias Zimmermann abgefälscht, aus halbrechter Position und außerhalb des Sechzehner. Eigentlich waren zwei Mann bei ihm, dass der Ball abgeblockt würde, war im Grunde viel wahrscheinlicher. Aber da auch der FCK schon zwei Flippertore erzielt hatte, wohl ausgleichende Gerechtigkeit.

Dem dritten Gegentreffer ging der einzige wirkliche Geniestreich dieses Spiels voraus: Wie präzise und gefühlvoll Zimmermann seine flache Rechtsflanke in den Laufweg des in die Mitte stürmenden Felix Klaus timte, das hatte Champions League-Qualität.

Notlösung Redondo - die Schwachstelle? Ja und nein

Hier fällt auf: Wie die Treffer fielen, war kaum zu verhindern, aber zwei Mal war Rechtsverteidiger Zimmermann beteiligt. Hatten die Lautrer ihre linke Abwehrseite nicht im Griff? Wäre nicht das erste Mal gewesen in dieser Saison.

In der Tat hatte Schuster auf dieser Seite improvisieren müssen. Stammkraft Tymo Puchacz war nach der Verletzung, die im jüngsten Heimspiel gegen Hannover erlitten hatte, nicht mehr rechtzeitig fit geworden. Mit Hendrick Zuck steht für die Position normalerweise ein qualitativ hochwertiger Ersatz zur Verfügung, der aber hatte sich im Abschlusstraining den Fuß lädiert. Also musste Kenny Redondo als Schienenspieler ran. Dem ist der linke Flügel zwar vertraut, doch ist er von Haus aus eher offensiv orientiert. Seit der FCK Grundordnungen mit Dreierkette bevorzugt, kommt er meist als Stürmer zum Einsatz.

Schuster attestierte der Notlösung hinterher, "einen guten Job" gemacht zu haben. Bei differenzierter Betrachtung relativiert sich das ein wenig. Redondos Zweikampfführung war ohne Frage ordentlich, allerdings leistete er sich neun Ballverluste in der eigenen Hälfte, so viel wie kein anderer seiner Teamkollegen. Die Abstimmung mit seinem halblinken Hintermann Nikola Soldo war ebenfalls nicht optimal, und im Spiel nach vorne hatten seine Flanken nicht alle Puchacz'sche Qualität. Was Redondo aber keinesfalls zum Verlierer dieses Spiel macht. Man muss halt auch mal anerkennen: Matthias Zimmermann hatte einen überragenden Tag.

Tachie und Ritter ragten heraus

Beim vierten Gegentreffer wiederum durfte mit Tanaka abermals ein Düsseldorfer mittig vom Strafraum abziehen. Doch auch hier ist anzumerken: Eigentlich stehen zwei Mann vor ihm, normalerweise wird so ein Torschussversuch von einem der vier davor positionierten Beine geblockt. Aber was war in diesem Spiel schon normal?

Natürlich: Auch die Treffer des FCK waren kurios. Hervorzuheben ist Richmond Tachie, der an allen drei Einschlägen maßgeblich beteiligt war. Der erste darf ihm sogar zugeschrieben werden, auch wenn sein 16-Meter-Geschoss kaum getroffen hätte, hätte ein Düsseldorfer Abwehrspieler den Ball nicht so abgefälscht, dass er Keeper Florian Kastenmeier auf dem falschen Fuß erwischte. Das zweite Tor bereitete Tachie mit einer scharfen Rechtsflanke vor, die Fortuna-Innenverteidiger Jamil Siebert ins eigene Netz ablenkte. Beim dritten Treffer leitete er die Balleroberung auf Fortunas rechter Abwehrseite an - Marlon Ritter schnappte sich das Leder und vollstreckte.

Mit der Nummer 7 darf sich Tachie auch um die Bestnote auf FCK-Seite streiten. Ritter brillierte einmal mehr in seiner neuen Rolle, in der er als Zehner auch den Pressing-Leader gibt und beim Spiel gegen den Ball zwischen die beiden Stürmer rückt. Was bei Fortuna Aufbauspiel besonders hilfreich war, da Keeper Kastenmeier - das sieht man in der Zweiten Liga wirklich selten - sich dabei meist zwischen seine beiden Innenverteidiger schiebt, um eine weitere Anspielstation zu bilden.

Neben der Spur war Lautern eigentlich nur 25 Minuten

Unterm Strich bleibt die Erkenntnis, dass der FCK bei dieser historischen Niederlage eigentlich nur für knapp 25 Minuten den Faden verlor. Eben zwischen dem 1:3 in der 36. Minute und dem 4:3 in der 63. Minute. Danach stellte Schuster auf 4-2-3-1 um. Und selbst nach den herben Schlägen, die sein Team eingesteckt hatte, muss man ihm zugute halten: Es brach nicht auseinander, so wie die Bayern vor 50 Jahren. Sondern übernahm in den verbleibenden 30 Minuten noch einmal die Kontrolle, und mit etwas Glück hätte Terrence Boyd, der in der Pause für den lädierten Ache gekommen war, noch per Kopf das 4:4 erzielt. Auf Flanke von Philipp Klement übrigens, den Schuster kurz vor Schluss in die Schlacht warf.

Ob die Viererkette nicht mal wieder eine Formation für die Startelf wäre, um der Abwehr mehr Stabilität zu verschaffen? Oder fehlt nicht vielleicht doch die ruhige Hand eines Kevin Kraus, der zuletzt nur auf der Bank saß?

Die Grafiken: Erklären diesmal eigentlich nichts

Zu den üblichen Grafiken. Die würden wir uns diesmal am liebsten sparen. Denn es gibt Spiele, die lassen sich mit nichts erklären, erst recht nicht mit Statistiken. "Wyscouts" xG-Timeline zufolge gewinnt Düsseldorf 1,56 : 1,26. Die "Opta"-Software, auf die "Bundesliga.de" und andere Anbieter vertrauen, hat ein 2,13 : 1,66 für den FCK errechnet. Muss das jemand verstehen? Nach einem Spiel wie diesem eigentlich nicht.

xG-Dynamik Düsseldorf-FCK

Die Positions- und Passgrafik des FCK: Stellt sich angesichts der vielen Wechsel als ziemliches Kuddelmuddel dar.

Passmap FCK

Zum Vergleich die Passmaß der Düsseldorfer. Da ist zumindest schön zu erkennen, wie intensiv Keeper Kastenmeier mitspielt.

Passmap Düsseldorf

Und zum Abschluss die Übersicht über die geführten Duelle. Eigentlich immer sehr aufschlussreich, diesmal aber können wir auch damit nicht viel anfangen. Wir hatten gedacht, dass Düsseldorfs Mittelfeldtriangel mit Tanaka, Appelkamp und dem starken Sechser Yannik Engelhardt das große Plus der Gastgeber war und eigentlich glauben wir das ja noch immer. Nur: Dieser Darstellung zufolge war das Trio gar nicht mal so gut im Spiel.

Zweikampf-Duelle Düsseldorf-FCK

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2023/24: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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