Taktik-Nachlese zum Spiel FCK-HSV

DBB-Analyse: Ein Fest des Fehlerspiels Fußball

DBB-Analyse: Ein Fest des Fehlerspiels Fußball


Das Wort "Spektakel" ist jetzt oft genug gefallen. So toll dieses 3:3 des 1. FC Kaisers­lautern gegen den Hamburger SV wieder war, es muss mal gefragt werden: Was wäre für dieses Team drin, stellte es endlich diese blöden Abwehrfehler ab?

Ja, als Fußballfreund bekommt man mächtig was geboten, wenn man den Betze-Buben in dieser Saison zuschaut, und, ja, wer sich diesen Spaß nicht live im Stadion leisten kann oder will, dem entgeht ein echtes Stück Lebensqualität. Damit soll es jetzt aber auch genug der Schwärmerei. Wo könnten die Roten Teufel stehen, wenn sie nicht ständig Treffer nach schlichtweg unsäglichem Abwehrhalten kassierte? Trainer Dirk Schuster hat es in der Pressekonferenz nach dem Spiel angedeutet: "Wir haben zuletzt gegen die Top-Teams Düsseldorf und Hamburg sechs Treffer erzielt, aber nur einen Punkt geholt."

21 Gegentreffer hat der FCK nach elf Spieltagen auf dem Konto, nur die Teams auf den Abstiegsrängen weisen mehr auf. Dagegen hat er 24 Buden erzielt, keiner hat öfter genetzt. Und Lautern trifft, im Gegensatz zu den gleich erfolgreichen Hannoveranern, gleichmäßig, hat noch keinen 7:0-Ausreißer gelandet, so wie 96 gegen Osnabrück.

Krahls Fehler lässt sich relativ leicht abhaken

Dabei muss über den augenscheinlich krassesten Bock, der an diesem regnerischen Samstagabend zu erleben war, gar nicht so viel geredet werden: Der Ausgleichstreffer zum 3:3 fällt, als Keeper Julian Krahl an einer langen Hereingabe von HSV-Linksverteidiger Miro Muheim vorbeigreift. Dabei wurde er nicht einmal nachhaltig bedrängt, er schätzte einfach die Flugbahn des Balls krass falsch ein. Ein Schock, in der Tat.

Aber: Der Junge ist 23 Jahre alt, machte sein gerade mal zehntes Zweitligaspiel. In der vergangenen Runde sammelte er wenn, dann meist in den Heimspielen der zweiten Mannschaft Spielpraxis. Seit er Andreas Luthe nach dessen Platzverweis am 2. Spieltag auf Schalke ablöste, ist er stets souverän aufgetreten, auch in dieser Partie war bis zu diesem Missgeschick fehlerlos. Rückschläge wie dieser gehören dazu, müssen in Kauf genommen werden, wenn man junge Spieler voranbringen will.

Die linke Seite bleibt die Achillesferse

Die Entstehungsgeschichten der anderen beiden Treffer sind im Grunde fataler. Weil sie Fehlerbilder offenbaren, die es in dieser Runde schon öfter zu sehen gab. Das 0:1 durch Robert Glatzel etwa bereitete Bakery Jatta über Lauterns linke Abwehrseite vor. Die war in den vergangenen Wochen schon öfter die Achillesferse dieses FCK-Teams, zuletzt bei der 3:4-Niederlage in Düsseldorf, aber auch schon, als die neue Stammkraft auf der linken Außenbahn, Tymo Puchacz, noch im Einsatz war.

An "Notlösung" Kenny Redondo allein, der diese Position erneut übernahm, da der etatmäßige Backup Hendrick Zuck ebenfalls erneut ausfiel, liegt's also nicht. Vor dem HSV-Treffer in der 10. Minute hatten Jatta und Rechtsverteidiger Moritz Heyer übrigens zwei weitere Strafraumszenen über diesen Flügel vorbereitet. Trainer Schuster bezeichnete die Anfangsphase auf der linken Abwehrseite im Nachgang in gewohnt treffender Wortwahl als "Einflugschneise". Da sollte, da muss sich endlich was ändern.

Die Gegner haben zu viele Freiheiten vor dem Sechzehner

"Wir haben zu abwartend gespielt, zu passiv die Zweikampfgestaltung angenommen. Der Gegner hatte vielfältige Möglichkeiten, an unseren Sechzehner ranzuspielen", analysierte Schuster nach dem Spiel. Dabei bezog er sich allerdings auf die Anfangsphase , nach der sich der FCK seiner Wahrnehmung nach gut in Partie biss. Das schnelle 1:1 - wieder mal nach einer Ecke, wieder mal trug sich Boris Tomiak in die Torschützenliste ein - und der Führungstreffer durch Marlon Ritter bieten dafür ja auch beste Belege.

Fakt ist aber ebenso: Dieses "Ranspielen an den Sechzehner", das ein Gegner sich erlauben darf, war in dieser Saison ebenfalls schon öfter zu beklagen, auch bei zwei Gegentreffern in Düsseldorf vergangene Woche. Diesmal wars der HSV-Sechser Jonas Meffert, der in der 65. Minute von der linken Seite in den Zehnerraum aufzog, um dann mit einem bilderbuchmäßig tödlichen Pass Glatzel in den Lauf zu spielen, der abermals in bester Mittelstürmer-Manier vollstreckte. Und wieder mal waren eigentlich genug Rote in der Nähe, um Mefferts Treiben ein Ende zu bereiten - aber keiner ging entschlossen zur Sache.

Tomiak auf der Sechs, Kraus in der Dreierkette - gute Idee eigentlich

Dabei hatte der Trainer durchaus erkannt, dass im Raum vor dem Strafraum zu wenige Zweikämpfe gewonnen werden. Wohl deswegen hatte er für diese Partie wieder mal Tomiak auf die Sechs vorgezogen und die Rolle des zentralen Mannes in der Dreier-Abwehrreihe wieder Kevin Kraus übertragen.

Nach der aus FCK-Sicht etwas vergeigten Anfangsphase fügte sich alles auch einigermaßen zusammen, und sogar in der Phase nach dem peinlichen Anschlusstreffer schien der Defensivverband endlich richtig gut zu stehen: Der HSV hatte zwar Ballbesitz, kam aber gegen die nun tief gestaffelt stehenden Betze-Buben kaum durch, während die Hausherren mit ihrem schnellen Vertikalspiel gefährlich blieben. Hätte sich das Spiel so noch länger fortgesetzt, wäre ein 4:1 wohl wahrscheinlicher geworden als ein Ausgleich ... Dann aber patzte Krahl.

Gute Abläufe, gutes Umschalten

Doch auch nach diesem Spiel soll nicht nur gemeckert werben. Die Schuster-Jungen glückten immer wieder mitreißende Offensivaktionen. Der 2:1-Führungstreffer etwa: Natürlich patzte da HSV-Innenverteidiger Dennis Hadzikadunic, aber solche Fehler wollen erstmal provoziert werden - durch einen gut getimten langen Ball und einen pfeilschnellen Richmond Tachie. Der an der Abseitslinie lauert, sich das Leder ersprintet und von der Grundlinie in die Mitte flankt. Wo Terrence Boyd auf den kurzen Pfosten zieht und Ritter auf den langen - da stimmen einfach die Abläufe.

Oder Boyds 3:1. Ballgewinn in der eigenen Hälfte, ein langer Ball auf den durchstartenden Stürmer, dem seine 32 Jahre bei seinem langen Sprint in Richtung HSV-Tor in keiner Sekunde anzumerken sind. Dann dieser "Arschwackler" (O-Ton Boyd) gegen Hadzikadunic und der krönende Abschluss. Eine Umschaltaktion fürs Lehrvideo.

Die starke Bank hätte es beinahe entschieden

Apropos Boyd. Der Goalgetter der vergangenen Saison durfte endlich wieder ran. Weil der Torjäger dieser Runde, Ragnar Ache, fürs Erste verletzt ausfällt. Boyd demonstrierte eindrucksvoll, wie schnell ein zwischenzeitlicher Bankdrücker wieder von unschätzbarem Wert für sein Team werden kann.

Der eingewechselte Julian Niehues hätte um ein Haar in der 89. Minute mit einem phantastischen Pass dem ebenfalls eingewechselten Aaron Opoku den Siegtreffer aufgelegt, der aber scheiterte am Außenpfosten. Und eine Minute spielte der eingewechselte Daniel Hanslik von der Grundlinie des Strafraum in den Rückraum auf den eingerückten Kapitän Jean Zimmer, dessen Schuss aber wurde von HSV-Innenverteidiger Guilherme Ramos vor der Torlinie abgeblockt.

Zwei Spielanlagen, und doch interessante Parallelen

Keine Frage, dank ihrer starken Bank waren die Lautrer in der Schlussphase dem 4:3 näher als die Gäste. Obwohl diese mittlerweile 66 Prozent Ballbesitz für sich beanspruchten. Aber was bedeutet schon Ballbesitz.

Der Blick auf diese Analysedaten von "Wyscout" ist viel interessanter. Obwohl sich zwei Mannschaften mit augenscheinlich sehr unterschiedlichen Spielanlagen gegenüberstanden, glückte beiden die gleiche Anzahl an Balleroberungen in der gegnerischen Hälfte - und die sind es nun einmal, die besonders viel Gefahr heraufbeschwören. Auch die Zahl der eigenen Ballverluste insgesamt ist exakt gleich, ebenso die der tiefen Ballverluste. Lediglich bei den mittleren und hohen ergeben sich Abweichungen.

Umschaltspiel FCK-HSV

Zahlen wie diese lassen zudem den Schluss zu: Okay, es war ein gerechtes Unentschieden. Natürlich profitierten beide Mannschaften immer wieder von Fehlern des Gegners. Und beide Trainer wurden hinterher nicht müde zu betonten, dass Fußball nunmal ein "Fehlerspiel" sei. Insofern bot dieser Abend Fußball satt.

Andererseits bleibt die Frage: Zu was wäre dieser FCK in dieser Saison fähig, stellte er endlich mal diese blöden Abwehrfehler ab?

Die Grafik: Lautern war besser in den Zweikämpfen

Und wie immer noch ein paar Grafiken zum Schluss. Die xG-Timeline: Nicht zuletzt dank Opokus Top-Chance liegt der FCK in der zweiten Hälften nach expected Goals klar vorne. Und hat dennoch zwei Treffer kassiert.

xG-Dynamik FCK-HSV

Die Positions- und Passgrafik der Roten Teufel: Toll, wie Boyd (Nr. 13) nach langer Pause direkt wieder im Spiel war. Und die Mannschaft wieder auf sein Spiel einging. Boyd ist nun einmal ein wesentlich mehr "entgegenkommender" Mittelstürmer als Ache. Interessant: Hanslik (19) durfte in der Schlussphase mal wieder als zentraler Stürmer ran. Nach seiner Einwechslung für Ritter (7) hatte er zunächst im hinteren Mittelfeld geackert.

Passmap FCK

Die Positions- und Passgrafik des HSV: Auch wenn Laszlo Benes (8, leider von der 9 verdeckt) oft gelobt wird und Ludovit Reis fehlte - die wahre Schaltstation im Hamburger Spiel heißt Jonas Meffert (23).

Passmap HSV

Und zuguterletzt die Übersicht über die geführten Duelle. In der Gesamtschau betrachtet war der FCK demnach besser in den Zweikämpfen. Leider halt nicht in der Szene, die zum 2:3 führte. Interessant auch, wie gut Tobias Raschl in dieser Darstellung jedesmal abschneidet.

Zweikampf-Duelle FCK-HSV

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2023/24: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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