Taktik-Nachlese zum Spiel FCK-Kiel

Die DBB-Analyse: Leichte Beute für die Störche

Die DBB-Analyse: Leichte Beute für die Störche


Beim 0:3 gegen Holstein Kiel macht der 1. FC Kaiserlautern mehr individuelle Fehler denn je. Es drohen traurige Weihnachten. Einziger Hoffnungsträger ist der zur Pause ein­ge­wech­sel­te Al­ma­my Touré.

Es war eines der Spiele, über das man sich am liebsten kurz fassen möchte. Und es im Prinzip ja auch könnte. Zum wiederholten Mal hat sich der FCK selbst geschlagen. Nur waren die individuellen Fehler, die dazu führten, so krass und so zahlreich wie noch in keiner anderen Partie dieser Spielzeit.

Beim ersten Gegentreffer passt Philipp Klement dem gegnerischen Stürmer Benedikt Pichler so präzise in den Laufweg, dass ihm dafür eigentlich ein Assist gutgeschrieben werden sollte. Mehr gibt’s dazu nicht zu sagen.

Beim zweiten Treffer kleben einige Rote Teufel nach einem Eckball nicht konsequent genug an Mann und Ball. Störche-Stürmer Fiete Arp darf am langen Eck Danke sagen. Nicht der erste Gegentreffer in dieser Saison, der auf die Weise erzielt wurde. Auch wenn die "Sky"-Information, es wäre für Lautern der zehnte nach einer Standardsituation gewesen, nicht so ganz stimmt. Da waren vier Elfmeter dabei, und die weisen nicht unbedingt auf Fehlverhalten nach ruhenden Bällen hin.

Dafür werden Schläfrigkeiten nach Einwürfen in diesen Statistiken nicht erfasst - obwohl diese im Grunde ebenfalls "Standardsituationen" sind. Und solche leistete sich die Mannschaft auch schon öfter. In diesem Spiel unmittelbar vor dem 0:3. Wie Pichler danach Kevin Kraus abhängt, verursacht bei einem dem FCK zugeneigten Betrachter selbst ohne November-Tristesse Depressionen. Und dass nach drei solchen Böcken in nicht einmal 60 Minuten die Luft raus ist, ist ebenfalls nicht verwunderlich.

Also können wir hier Schluss machen, oder?

Na ja, so ein paar Dinge wollen wir doch noch ansprechen.

Wieder mal Viererkette: Im Grunde gut gedacht, aber ...

Zum Beispiel, ob die Rückkehr zum 4-2-3-1 etwas gebracht hätte, hätte Klements Katastrophenpass nach einer Viertelstunde dem Team, dessen Traute nach nur einem Punkt in den jüngsten vier Partien ohnehin nicht die stärkste war, nicht den nächsten Tritt in die Testikel verpasst.

Grundsätzlich gut gedacht war das ja. Die Dreierkette mit Nikola Soldo als linkem Innenverteidiger hatte sich zuletzt äußerst anfällig präsentiert. Eine Viererkette mit Hendrick Zuck als Linksverteidiger konnte zudem dem offensiven Linksfuß Tymo Puchasz besser den Rücken freihalten, als es zuletzt der Fall war. Und in der Tat gehörten die Dribblings und Sprints des Polen an der linken Außenlinie zu den wenigen belebenden Elementen im FCK-Spiel.

Wobei die einzigen Aktionen, die in diesen Anfangsminuten so etwas wie Gefährlichkeit andeuteten, über die rechte Seite eingeleitet wurden. Von Richmond Tachie und Marlon Ritter, die sich jeweils im Eins-gegen-Eins durchsetzten und danach mal ein paar Meter Platz hatten.

Überhaupt mussten Lauterns Offensivspieler in dieser Phase stets weite Wege gehen, da ihre Elf sehr tief stand. Im Schnitt 37 Meter vom eigenen Tor weg, die Kieler hingegen stellten ihre letzte Linie mutige 53 Meter vorm eigenen Kasten auf. Diese "Wyscout"-Visualisierung verdeutlicht, wie sich die Aufstellungslinien während des Spiels verschoben. Wer war hier eigentlich Heim- und wer Gastmannschaft?

Aufstellungslinien FCK-Kiel

Statt für Balance zu sorgen, baut Klement Bockmist

Philipp Klement agierte im hinteren zentralen Mittelfeld neben Julian Niehues und sollte "im Ballbesitz eigentlich Sicherheit ausstrahlen", wie er selbst nach dem Spiel erklärte. Mit anderen Worten: Er sollte für die Balance zwischen Abwehr und Angriff sorgen, die Trainer Dirk Schuster in vergangenen Wochen vermisst hatte. Auch die Idee war im Prinzip also gut, nur: Wenn der exakt dafür zum Verantwortlichen erklärte Spieler nach 16 Minuten einen solchen Bockmist fabriziert, wirkt das für die ohnehin schon angekratzte Moral der Truppe wie E 605. Und so spielte sie den Rest der ersten Hälfte dann auch.

Pichler und Finn Porath hätten für die Gäste locker nachlegen können, Zuck hätte unmittelbar vor dem Pausenpfiff ums Haar eine Kieler Ecke ins eigene Tor geköpft - und Klements Bock damit noch getoppt.

Zur Ehrenrettung des gebürtigen Ludwigshafeners muss aber gesagt werden: Er bereitete die einzige wirklich verwertbare Torgelegenheit der Pfälzer vor, als er nach rund einer halben Stunde auf Terrence Boyd durchsteckte, der aber Störche-Keeper Timon Weiner nicht überwinden konnte. Beim vorangegangenen Heimspiel, dem ebenfalls deprimierenden 0:2 gegen die SpVgg Fürth, konnten wir noch zwei, drei Szenen aufzählen, die dem Spiel vielleicht hätten eine Wende geben können, wäre was Zählbares herausgekommen. Diesmal aber blieb es bei dieser einzigen.

Nach drei Wechseln zur Pause wieder Dreierkette

Fazit zur Viererketten-Variante: Der Defensive hätte sie vielleicht mehr Sicherheit geben können, nach vorne aber lief noch weniger als zuletzt. Und wohl auch deswegen stellte Schuster in der Pause wieder auf Dreierkette um. Dazu nahm er gleich drei Wechsel vor: Für Klement kam Tobias Raschl, was nach dessen Aussetzer keine Überraschung war. Mal sehen, wann er nun seine nächste Chance erhält, nachdem er schon in den Monaten zuvor nicht so angesagt war.

Als rechter Schienenspieler für Jean Zimmer kam nach langer Zeit mal wieder Erik Durm zum Einsatz - ein Tausch, der sich weder positiv noch negativ auswirkte. Und, last but not least: Für Zuck kam der in der Länderspielpause neu verpflichtete Almamy Touré, und sein Auftritt war das Spannendste, was in der zweiten Hälfte zu beobachten. Vom Spiel selbst ist aus Lautrer Sicht nichts mehr erwähnenswert.

Das einzig Spannende in Hälfte zwei: Tourés Debüt

Zunächst musste Jan Elvedi die Seite wechseln. Links ist der Rechtsfuß ebenso wenig eine Idealbesetzung wie Soldo. Aber der Trainer wollte Touré offenbar die Seite überlassen, die er auch selbst als seine bevorzugte bezeichnet hat. Und in der Tat zeigte der 27-Jährige, dass er in der Lage ist, aus dieser Position heraus ein Spiel aufzubauen.

Dabei ist er nicht nur passsicher, er kann den Ball auch auf engem Raum behaupten. Die Kerze, die er gegen Ende des Spiels im eigenen Strafraum baute, sollte als hoffentlich einmaliger Lapsus gewertet werden - und nicht als Zeichen dafür, dass er sich seinen Nebenleuten bereits angepasst hat. Schnell ist Touré auch, insbesondere für die Verhältnisse dieser Hintermannschaft, die mit Sprintern nicht gerade gesegnet ist. Allerdings scheint der Malier nicht gerade ein Zweikampfmonster zu sein, wie auch unsere Duell-Übersicht unten zeigt.

Unterm Strich aber ist Touré einer der wenigen Hoffnungsträger für die verbleibenden Spiele der Hinrunde. Gerade vor der Englischen Woche, die am kommenden Samstag gegen den 1. FC Magdeburg beginnt. Zum DFB-Pokal-Spiel gegen den 1. FC Nürnberg am darauffolgenden Dienstag ist auch Boris Tomiak wieder einsatzbereit. Dann steht die Mannschaft hinten hoffentlich besser. Ob mit Vierer- oder Dreierkette, ist dabei wurscht, solange solche individuellen Fehler nicht abgestellt werden.

Denn wenn es weiter solche Gegentore hagelt, droht dem Betzenberg eine wenig stimmungsvolle Weihnachtszeit. Vor dem Spiel gegen die Störche stellte Schuster noch tabellarisch korrekt fest, der Weg nach unten sei für sein Team derzeit genauso weit wie der nach oben. Nach diesem 0:3 nun dürfte klar sein, in welche Richtung ab sofort zuerst geschaut werden muss.

Die Passmap bestätigt: Touré war direkt im Spiel

Zu den Grafiken: Die von "Wyscout" ermittelte xG-Timeline sieht für den FCK freundlicher aus, als es im Stadion wahrzunehmen war. Einige Bewertungen sind jedoch nicht so direkt nachvollziehen, etwa, weswegen Pichlers Torchance nach Klements Vorlage nur einen so kleinen Ausschlag verursachte.

xG-Timeline FCK-Kiel

Die Postions- und Passgrafik der Roten Teufel: Schon beeindruckend, wie sehr Touré (6) im Passspiel integriert ist, obwohl er nur 45 Minuten dabei war. Die intensive Verbindung von Elvedi (33) zu Puchacz (15) ist wohl dadurch zu erklären, dass Elvedi in der zweiten Hälfte Puchacz’ Hintermann war - und die linke Seite die einzige war, über die überhaupt was lief.

Passmap FCK

Die Positions- und Passgrafik der Kieler: Da bilden Sander (16) und Holtby (10) Schaltzentralen, die diese Bezeichnung auch verdienen.

Passmap Kiel

Die Überkreuz-Übersicht über die geführten Duelle: Fast alle FCK-Spieler verloren mehr Zweikämpfe als sie gewannen. Eine der wenigen Ausnahmen bildet Elvedi. Er mag nicht unbedingt ein Mann für den ersten Pass sein, an seiner Defensivleistung aber gibt es selten was auszusetzen.

Zweikampf-Duelle FCK-Kiel

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2023/24: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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