Taktik-Nachlese zum Spiel FCM-FCK

Die DBB-Analyse: Mit Courage in die Blamage

Die DBB-Analyse: Mit Courage in die Blamage

Foto: Imago Images

Der taumelnde 1. FC Kaiserslautern vermag auch beim 1. FC Magdeburg das Ruder nicht herum zu reißen. Nach beherztem Beginn geht er 1:4 unter. Weil zum zum wiederholten Mal krasseste Abwehrfehler nicht abgestellt werden können.

Es war ein Spiel, das zeigte: Selbst die besten Ideen nutzen nichts, wenn eine Mannschaft sie nicht 90 Minuten lang umzusetzen vermag, ohne zu patzen. Denn was die Interimstrainer Niklas Martin und Oliver Schäfer sich für ihr Team ausgedacht hatten, um die Magdeburger Passmaschine schon beim Hochfahren auszubremsen, war durchaus beeindruckend - allerdings nur eine Viertelstunde lang. Obwohl es gar nicht mal soweit von dem entfernt war, was sich der unter der Woche geschasste Trainer Dirk Schuster fürs Spiel gegen den Ball hatte einfallen lassen.

Auf dem Papier startete der FCK auch ins Spiel Eins ohne Schuster in der von ihm etablierten 3-4-1-2-Formation. Aus dieser rückte Zehner Marlon Ritter vom Start weg permanent zwischen die beiden Stürmer Terrence Body und Richmond Tachie, um den Dreieraufbau der Magdeburger aus der hinteren Linie zu stören, auch das war nichts Neues. Da die Gastgeber meist das kurze Anspiel in den Sechserraum suchten, rückten die zentralen Mittelfeldspieler Julian Niehues und Tobias Raschl noch energischer als sonst an die offensive Dreierreihe heran, um die potentiellen Abnehmer Silas Gnaka und Amara Condé zu stressen, die sich auf dieser Position immer wieder anzubieten versuchen.

Somit sahen sich die Ballbesitz-Aficionados schon im Spielaufbau gleich fünf äußerst beweglichen Störelementen ausgesetzt, die sich auch nicht scheuten, FCM-Keeper Dominik Reimann auf die Pelle zu rücken, wenn der sich seinen zunehmend irritierten Vorderleuten als zusätzliche Anspielstation bereitstellte. Und waren zu etwas gezwungen, was sie gar nicht gerne tun: den Ball nach vorne zu dreschen. Dass dies nicht ihr Spiel war, war schnell zu erkennen.

Starker Beginn - doch wieder schlägt die 16. Minute

Die Roten Teufel wirkten in diesen Anfangsminuten hochkonzentriert und in jeder Sekunde gewillt, den Bock umzustoßen, der sich nach zuletzt drei Niederlagen in Serie aufgestellt hatte. So dass der künftige Trainer Dimitrios Grammozis vor dem TV-Bildschirm zufrieden registrieren durfte: Der Spirit dieser Truppe stimmt nach wie vor. Und er dürfte mitgelächelt haben, als auf die womöglich auch künftigen Assistenten geschnitten wurde, die sich zufrieden angrinsten. Ja, es lief, und so durfte es gerne weiterlaufen.

Tat es aber nicht.

Die vergangenen Wochen haben den mitfiebernden Anhang eben nicht nur Demut, sondern auch Argwohn gelehrt. So dass er sich auch in dieser starken Viertelstunde schon fragte: Was, wenn doch mal ein steiler Ball auf die Magdeburger Spitzen durchkommt - auf diese schnellen Leute gegen die eher lahmen FCK-Abwehrspieler, die bei dieser Spielanlage so verdammt hoch stehen müssen?

Die Antwort, gewissermaßen auch die Quittung für dieses Risikospiel, erhielten die Pfälzer in der 16. Minute. In der gleichen Minute also, in der vor Wochenfrist im Heimspiel gegen Holstein Kiel ein katastrophaler Rückpass von Philipp Klement die bis dato leidlich erfolgversprechenden Bemühungen einer neuformierten FCK-Hintermannschaft, zu Stabilität zu finden, auf einen Schlag zunichte machte.

Feiner Chip aus Castaignos - und Kraus ist zu langsam

Der FCM-Abwehr glückte nun doch einmal ein Zuspiel in den Sechser-Raum. Die umtriebigen roten Störelemente ließen Silas Gnaka gar nicht mal so viel Raum gelassen, doch der genügte ihm zu einem fein getimten Chip auf seinen Mittelstürmer Luc Castaignos. Dem wiederum hatte Kevin Kraus, Lauterns Zentraler in der Dreier-Abwehrkette, an seiner Seite zwei Meter Platz gelassen, und die waren eindeutig zu viel. Castaignos startete direkt, kreuzte Kraus' Laufweg, so dass er ohne Foul nicht zu stoppen gewesen wäre, knoddelte den Ball an Keeper Julian Krahl vorbei, drin. 1:0 für die Gastgeber.

Gerade aufgrund des am Ende erneut deprimierenden Ergebnisses muss aber betont werden: Die Moral der Roten Teufel brach auch da noch nicht Sie berappelten sich, kamen gut ins Spiel, erzielten frühe Ballgewinne und bauten auch aus der Abwehr wiederholt gut auf.

Wenigstens das macht Hoffnung: Tourés Startelf-Debüt

Dabei wiederum zeichnete sich Almamy Touré aus, mit dem endlich der gesuchte Aufbauspieler aus der letzten Reihe gefunden zu sein scheint. 87 Prozent Passquote insgesamt. Von seinen kurzen und mittellangen Pässen kamen sogar 92 Prozent an, von seinen Vorwärtspässen 88 Prozent, und er spielte davon immerhin 17. In der 40. Minute tauchte er sogar mal vor FCM-Keeper Reimann auf, scheiterte aber. Kurz darauf scheiterte Raschl, den die Nicht-Berücksichtigungen in der Startelf zuletzt offenbar wieder heiß gemacht haben, mit einem Schuss aus spitzem Winkel.

Zu diesem Zeitpunkt stand es bereits 1:1. Terrence Boyd hatte in der 25. Minute den Ausgleich erzielt. Flache Flanke von Jean Zimmer, Ballannahme mit dem Rücken zum Tor. Wie man auf die Idee kommt, es aus 13 Meter Entfernung aus dem Stand probieren zu müssen, vor sich auch noch einen Gegenspieler? Keine Ahnung. Aber eben das unterscheidet Boyd von einem Fußballbeschreiber. Er ist derjenige, der auf dem Platz steht. Und es einfach macht. Und trifft.

Die letzten Schilderungen zeigen: Der FCK war in der Phase zwischen dem Gegentreffer bis zur Pause gut im Spiel. Nicht unbedingt in punkto Ballbesitz, Magdeburg ist nunmal Magdeburg, aber Chef im Ring in den direkten Duellen. Diese Visualisierung der Zweikampfquoten über die volle Distanz zeigt’s:

Quote gewonnener Zweikämpfe FCM-FCK

Der Bruch folgt nach der Pause - Puchacz, der Risikofaktor

Die Grafik zeigt aber auch, wie's weiterging. Nach der Pause endete die Lautrer Dominanz. Und in der 51. Minute setzte es dann den Niederschlag, der für den Rest der Partie Wirkung zeigte. Und er war noch ärgerlicher als der erste Gegentreffer, der ebenfalls schon ein Fehlerbild offenbart hatte, dass man bereits kannte.

Die Gastgeber hielten den Ball am linken Flügel, und im Prinzip war das FCK-Personal auf Höhe sowie über die gesamte Breite des Feldes gut verteilt. Dass Baris Atik im Laufduell Richtung Grundlinie am aufmerksam mitgehenden Tachie vorbeiflanken kann, muss angesichts der individuellen Klasse des Tempodribblers in Kauf genommen werden. Aber dann segelt die Flanke in den Rückraum, der rechte FCM-Schienenspieler Herbert Bockhorn läuft in Richtung Strafraummitte und köpft geradezu schulbuchmäßig ein. Tymo Puchacz ist einfach nicht hinter ihm hergekommen.

Puchacz. So sehr seine Flankenläufe zuletzt die manchmal einzigen belebenden Elemente im Offensivspiel des FCK waren, seine Arbeit nach hinten macht ihn zunehmend schwerer ertragbar. Insgesamt 18 Ballverluste in diesem Spiel. Das sind 6,7 mehr über dem Durchschnitt seiner fünf letzten Partien, und der war schon nicht gut. Und diesmal ließ auch Puchacz' Offensivleistung zu wünschen übrig. Zu oft führten seine Dribblings ins Nichts.

Wie auch im ganzen Rest der zweiten Hälfte kein rechter Offensivschwung mehr ins Spiel der Roten Teufel kam. Die Aushilfstrainer versuchten zu reagieren. Schon nach 63 Minuten brachten sie Daniel Hanslik und Nikola Soldo für Boyd und Kraus. Der defensive 1:1-Wechsel war verständlich. Und der offensive? Vermutlich sollte der taktisch disziplinierte, laufstarke Hanslik wieder mehr Pressingschärfe in die vordere Linie zurückbringen. Der Wille war ja auch erkennbar, nur: So ein unorthodoxer Torschussversuch, wie Boyd ihn sich zum Ausgleich gestattet hatte, ließ sich nun nicht mehr wiederholen.

Für den Rest braucht's Galgenhumor

Stattdessen gab's noch zwei Gegentreffer zu erleben, deren Schilderung sich nur Freunde grimmigen Humors antun sollten. In der 59. Minute schickte Titz seinen Dribbelzwerg Tatsuya Ito aufs Feld. "Sky"-Erklärbär Torsten Mattuschka wies darauf hin, dass der Japaner diese Saison noch kein Tor und keinen Assist abgeliefert hätte. Worauf es Kennern der gefühlten typischen Lautrer Eigenheit, gegnerischen Flauten-Stürmern wieder auf die Beine zu helfen, direkt schwante: Das ist keine Feststellung, sondern eine Ankündigung ...

Und so kam es. In der 75. Minute legte Ito dem eingewechselten Connor Krempicki den Ball zum 3:1 auf. Zugegeben, über einen kleinen Umweg, Soldo hätte sich mit einem Handspiel ums Haar noch zum Spielverderber gemacht, aber der fällt nicht weiter ins Gewicht.

Wie ein Gastgeschenk kam auch der vierte Gegentreffer rüber. Ein so schön ausgestrecktes langes Bein, wie Niehues es für Bockhorn in der 85. Minute stehen ließ - das wär schon sehr unhöflich vom Gastgeber gewesen, diese Einladung zum Drüberplumpsen nicht anzunehmen. Cristiano Piccini besorgte per Elfmeter den Rest.

Her mit dem Trostpflaster: DFB-Pokal am Dienstag

Gibt’s denn nach einer solchen Partie irgendeinen Trost? Ja, schon. Am Dienstag bietet sich gegen den 1. FC Nürnberg im DFB-Pokal direkt die Gelegenheit zur Wiedergutmachung. Gegen einen Gegner, der an diesem Samstag noch härter auf die Zwölf bekommen hat: Der FCN unterlag Fortuna Düsseldorf zuhause mit 0:5. Da stehen sich also zwei Gegner gegenüber, die schon vom Anpfiff weg in den Seilen hängen - die Frage wird sein, wer sich schneller hochziehen kann.

Mit Boris Tomiak erhält der neue FCK-Trainer zur Begrüßung schon mal ein nettes Lederherzchen, mit dem er wenigstens eines der Löcher in dieser Hintermannschaft flicken kann - welches, darf er sich selbst aussuchen. Und bei Stürmer Ragnar Ache, der in Magdeburg noch pausierte, reicht's am Dienstag ja vielleicht für einen Joker-Einsatz.

Wer wenig in Zweikämpfe geht, verliert auch nicht viele

Zu den Grafiken. Die xG-Timeline spricht für sich.

xG-Timeline FCM-FCK

Die Positions- und Passgrafik des FCK: Ja, Tymo Puchacz spielt außen, ist aber zentrales Element im Lautrer Passspiel. Umso fataler, wenn ihm nicht viel gelingt.

Passmap FCK

Die Positions- und Passgrafik des FCM: Ja, liebe Kinder, so sieht die Passmap einer Mannschaft aus, die ihrer Torwart mitspielen lässt.

Passmap FCM

Die Duelle: Kevin Kraus geht für einen zentralen Abwehrspieler eher selten in den Clinch, drum gestaltet sich seine Bilanz so positiv - und Lauf-Duelle sind hier wohl gar nicht erfasst. Absolut hoffnungsfroh darf das Startelf-Debüt von Touré stimmen. Und wie fast immer in dieser Übersicht sieht auch Elvedi gut aus. Aber leider nur in dieser.

Zweikampf-Duelle FCM-FCK

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2023/24: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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