Taktik-Nachlese zum Spiel FCK-Hertha

Die DBB-Analyse: Mühe allein genügt nicht

Die DBB-Analyse: Mühe allein genügt nicht


1:2 gegen Hertha BSC. Der Fußballgott hat es nicht gut gemeint mit Dimitrios Grammozis zu seinem Liga-Debüt als Trainer des 1. FC Kaiserslautern. Hadern mit der höheren Macht sollte er aber nicht, wie sein Kollege Pal Dardai deutlich machte.

Der FCK hat nun sechs seiner sieben jüngsten Zweitliga-Partien verloren, zuletzt fünf in Serie. Wer nur aufs Papier schaut, wird also sagen: Der Abwärtstrend ist nicht gestoppt, der Klub befindet sich weiter im freien Fall, Trainerwechsel hat nichts gebracht. Zur Verteidigung des Neuen ließe sich noch ergänzen: Was hätte er an insgesamt sechs Arbeitstagen, die auch noch in eine Englische Woche fielen, auch schon groß ändern sollen?

Wer allerdings das Geschehen auf dem Rasen aber nicht nur "vom Ergebnis her" betrachtet, darf feststellen: So ein bisschen war schon zu erkennen, wohin die Reise unter Grammozis gehen soll.

Die erste Hälfte nämlich sah aus FCK-Sicht gar nicht so schlecht aus. Und das nicht nur, weil es an deren Ende noch 1:0 für die Gastgeber stand. Die 45.308 Zuschauer im Fritz-Walter-Stadion sahen ein FCK-Team, das sich konzentriert und geschlossen gegen den Ball verschob. Und das deutlich weiter vorne auf dem Feld, als es es zuletzt unter Dirk Schuster tat.

Nach dem frühen 1:0 war Lautern gut im Spiel

Trotz dieser insgesamt riskanteren Spielweise ließen die Roten Teufel aus dem Spiel heraus nicht einen Torschuss des Gegners zu. Zugegeben: Selbst gelang ihnen vor Gegners Tor auch nicht viel. Lediglich ein früher Ballgewinn in der 18. Minute zeigte, wie es in Zukunft öfter laufen könnte, wenn nach der Winterpause die Batterien wieder aufgeladen sind.

Terrence Boyd, Richmond Tachie und Tobias Raschl zwangen die Berliner Hintermannschaft durch geschicktes Anlaufen, auf die linke Verteidigerposition zu spielen, wo sie den Ballführenden gegen die Seitenauslinie drängten. Tachie eroberte den Ball, zog Richtung Sechzehner auf, legte auf den rechts einlaufenden Boyd ab - und dessen Schuss aus spitzem Winkel wurde von Hertha-Innenverteidiger Toni Leistner geblockt.

Zu diesem Zeitpunkt stand es bereits 1:0 für den FCK. Lauterns rechter Innenverteidiger Almamy Touré hatte den Ball nach einer Ecke von Tymo Puchacz mit einem artistischen Seitfallzieher über die Berliner Torlinie bugsiert. Touré also. Der Malier, der in seinem nun vierten Pflichteinsatz für den FCK einmal mehr zeigte, wie sehr dieser Mannschaft ein Abwehrspieler gefehlt hat, der ein präzises Passspiel aus der letzten Linie beherrscht.

Schock zur Pause: Touré und Zimmer müssen raus

Das wurde gerade in dieser Partie umso brutaler deutlich, weil Touré zur Pause ausgewechselt werden musste. "Die Wade machte zu", erklärte Grammozis nach dem Spiel, gab sich aber zuversichtlich, dass der Abwehrmann kommendes Wochenende zum Jahresabschluss in Braunschweig wieder einsatzbereit sein könnte. Ebenso wie Kapitän Jean Zimmer, der sich unglücklich vertreten hatte und ebenfalls in Hälfte zwei nicht mehr dabei war. Der Einsatz beider beim Tabellen-Vorletzten wäre ungemein wichtig, da es in dieser Partie darum gehen könnte, nicht auf Relegationsrang 16 zu überwintern. Vor wenigen Wochen stand der FCK noch auf einem Platz 3 - so schnell kann's gehen.

Doch zurück zu diesem Spiel.

In dem Maße, in dem das Lautrer Spiel nach Tourés Ausscheiden an Qualität verlor, legte die Hertha zu. Trainer Pal Dardai brachte seine beiden Stürmerstars, Torjäger Haris Tabakovic und Linksaußen Fabian Reese, dazu den Dänen Gustav Christensen für den jungen Mann am rechten Flügel, Marten Winkler. Der Trainer hatte seine Top-Kräfte in der ersten Hälfte geschont, weil seinem Team noch das DFB-Pokal-Spiel vom Mittwoch in den Knochen steckte, in dem sich die Berliner nach 120 Minuten gegen den Hamburger SV im Elfmeterschießen durchgesetzt hatte. Manche glaubten Dardai würde bluffen mit diesem bereits vorher angekündigten Plan, aber dem war nicht so.

Hälfte zwei: Hertha übernimmt die Kontrolle

Und mit diesen frischen Kräften rissen die Gäste die Partie nun an sich. Pressten hoch, ließen den Ball laufen - und hatten bereits in der 49. Minute Erfolg. Ausgangspunkt war - wieder mal - ein Einwurf. Den schleuderte Reese von der rechten Seite fast schon in Eckball-Qualität in die Mitte. Nach zu kurzer Kopfball-Abwehr kam der Ball in den Strafraum zurück, wo ihn Florian Niederlechner per Fallrückzieher verwandelte - der Oldie im Berliner Team, der zurzeit einen Riesenlauf hat.

Grammozis reagierte auf die neue Angriffswucht der Hertha. Ohnehin hatte er nach Tourés Ausfall Boris Tomiak in die Abwehrreihe zurückziehen müssen. Für ihn spielte jetzt Afeez Aremu auf der Sechs, der ehemalige Sankt Paulianer, der zweieinhalb Monate verletzt ausgefallen war und überhaupt erst 31 Minuten Wettkampfpraxis in diesem Team gesammelt hat. Für Zimmer war Erik Durm gekommen.

Die Mannschaft formierte sich nun in einem 4-4-1-1, mit Jan Elvedi als linkem Verteidiger, Tachie rechts offensiv und Marlon Ritter als verbindendem Element zur Sturmspitze Boyd. In der Arbeit gegen den Ball wirkten die Pfälzer auch in dieser Anordnung stabil, nach vorne aber ging nun noch weniger.

Der nächste Rückschlag: Aremus Platzverweis

Nach knapp einer Stunde der nächste Rückschlag. Aremu grätschte in Höhe der Mittellinie mit offener Sohle in Gegenspieler Pascal Klemens. Zunächst schien er Glück zu haben. Schiri Harm Osmers ließ die Partie weiterlaufen, um der Hertha Gelegenheit zu geben, ihre Aktion zu Ende zu spielen. Danach zeigte er Aremu Gelb, was zu einem kollektiven Durchschnaufen auf den Rängen führte - bis der VAR sich meldete. Und Osmers bat, sich die Szene nochmal am Monitor anzuschauen. Worauf der dann nur noch zehn Sekunden brauchte, um sich zu korrigieren - in ein leider absolut vertretbares Rot. "Auf diesem rutschigen Boden musst du wirklich sehr aufpassen, wenn du grätschst", bemerkte Pal Dardai hinterher treffend.

Grammozis reagierte abermals, brachte Kevin Kraus für Ritter und formierte ein 4-4-1. Das abermals seine Arbeit gegen den Ball absolut diszipliniert verrichtete, allerdings fehlte mit Ritter nun ein weiterer der Spieler im Team, von denen Lautern zu wenig hat: die Sorte, die gerade in Unterzahl mit einer unorthodoxen oder genialen Einzelaktion einem Spiel doch nochmal eine Wende in die andere Richtung geben kann. So aber rannten die Roten Teufel fleißig, schlussendlich aber uninspiriert solange hinter dem Ball her, bis sie sich in der 81. Minute der Erkenntnis stellen mussten, mit der eine gewisse "Frau Sommer" schon in einer Kaffeewerbung der 1970er Jahre konfrontiert wurde: "Mühe allein genügt nicht."

Ein Eckball bringt die Entscheidung

Und es war ausgerechnet ein Eckball, der dem FCK das Genick brach - also eine Situation, in der Unterzahl eigentlich nur eine ungeordnete Rolle spielen sollte. Getreten hatte ihn Linksverteidiger Michal Karbownik. Nach zu kurzer Kopfball-Abwehr kam erst Niederlechner zum Schuss, Keeper Julian Krahl, der schon zuvor ein Geschoss Jonjon Kennys stark abgewehrt hatte, pariert abermals klasse. Aber Hertha-Innenverteidiger Marc Oliver Kempf kann den Abpraller am langen Eck über die Linie drücken.

Pech für die Roten Teufel, ein Unentschieden wäre möglich gewesen, aller widrigen Umstände zum Trotz, die sich ihnen ab Minute 45 in den Weg gestellt hatten. Mit dem Fußballgott aber sollten sie auf keinen Fall hadern, wie der Hertha-Coach in seiner unnachahmlichen Rhetorik nach dem Spiel verdeutlichte: "Irgendjemand da oben guckt dir zu", versicherte Pal Dardai in festem Glauben, "und so wie du arbeitest, kommt auch der Lohn." Also: Ärmel hochkrempeln und weitermachen.

Gute Zweikämpfe, aber maue Passquote

Zu den Grafiken. Zunächst mal zu "gewonnenen Zweikämpfen". Die Visualisierung zeigt, wie gut die Roten Teufel auch nach dem 1:0 im Spiel waren. Pal Dardai sprach sogar davon, dass sie zur Halbzeit 2:0 oder 3:0 hätten führen können.

Gewonnene Zweikämpfe FCK-Hertha

Allerdings: Mit Passsicherheit war es in der starken Zweikampfphase nicht soweit her, wie diese Grafik zeigt. Was möglicherweise der Grund dafür ist, weswegen es doch nichts werden konnte mit dem 2:0 oder dem 3:0.

Passquote FCK-Hertha

Die xG-Timeline: Belegt vor allem, wer in welcher Halbzeit die Nase vorn hatte.

xG-Timeline FCK-Hertha

Die Positions- und Passgrafik des FCK: Durch die frühen Auswechslungen und die Umstellungen in der zweiten Hälfte diesmal nur bedingt aussagekräftig.

Passmap FCK

Die Passmap der Gäste: Hier müsste man eine von der ersten und eine von der zweiten Hälfte zur Verfügung haben, um den Stilwechsel zu dokumentieren, den die Hertha nach der Pause vollzog.

Passmap Hertha

Die Duelle: Wieder mal waren sehr viele Lautrer in sehr vielen Duellen obenauf. Aber Zweikämpfe sind eben auch nicht alles.

Zweikampf-Duelle FCM-FCK

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2023/24: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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