Taktik-Nachlese zum Spiel SVE-FCK

DBB-Analyse: Steffens Ideen trugen die reiferen Früchte

DBB-Analyse: Steffens Ideen trugen die reiferen Früchte

Foto: Eibner/Neis

Auf zwei rauschende Flutlichtnächte folgt eine trübe Nachmittagsvorstellung. Mit einem 1:2 bei der SV Elversberg endet erneut eine Englische Woche mit einer Niederlage. Typisch 1. FC Kaiserslautern? Nicht unbedingt.

Na, da haben sich ja wieder mal alle Vorurteile unserer notorischen Skeptiker bestätigt. Nach den Kaviar-Häppchen bei der Pokal-Gala am Mittwoch wollten die Herrschaften am Sonntag kein Liga-Graubrot kauen. Eine Stadionkulisse von 11.150 Zuschauern im Stadion an der Kaiserlinde vermag eben nicht so befeuern wie 74.245 Zuschauer im Berliner Olympiastadion. Last but not least, war's das dritte Spiel in einer Englischen Woche, und wieder haben sie verloren, weil sie nicht am Personalkarussell drehen wollten. Sie haben also nichts gelernt seit dem vergangenen November, als sie, ebenfalls nach einem Pokalerfolg in der Wochenmitte, mit unveränderter Startelf zuhause ein trauriges 0:2 gegen die SpVgg Fürth ablieferten. Alles wie gehabt also. Typisch FCK.

Zumal ja auch die Schelte von Geschäftsführer Thomas Hengen nach dem Spiel - "Wir sind mit die schwächste Auswärtsmannschaft und heute hat man auch gesehen warum" - bestätigt, dass man diesem Team und seinem Trainer einfach nicht genug Vorwürfe machen kann.

Tatsächlich?

Auch wenn's nach Ostalgie klingt: Es war nicht alles schlecht

Wie immer wollen wir an dieser Stelle ein wenig differenzierter hinschauen. Und da kommen wir zu der gleichen Einschätzung, mit der viele ältere Ostdeutsche auf die eigentlich wenig selige DDR-Zeit zurückblicken: "Es war nicht alles schlecht." Und das, ohne unseren Rückblick romantisch zu verklären. Oder dass wir uns, wie Thomas Hengen anmahnt, "in die Tasche lügen" wollen.

Denn gerade im Vergleich zur Heimniederlage gegen Fürth lässt sich feststellen: An diesem November-Samstag war schon von Anfang an zu spüren, dass bei Lautern nicht viel ging. In Elversberg dagegen wirkte das Team von Dimitrios Grammozis in der Anfangsviertelstunde durchaus entschlossen, weiter an dem neuen Stil zu feilen, den ihr im Dezember eingesetzter Coach sehen will: Hohes Pressing und, noch wichtiger, unmittelbares Gegenpressing bei Ballverlust.

Diese "Wyscout"-Visualisierung der Balloberungen über die gesamten Spielverlauf zeigt, dass die Gäste diesen Anspruch in der Anfangsphase durchaus verwirklichten:

Balleroberungen SVE-FCK

Gleiches gilt für die erste Viertelstunde nach der Pause, auch wenn es dabei nicht zu nennenswerten Toraktionen kam. Stattdessen durften die Gastgeber in der 56. Minute treffen. Mit einem von Thore Jacobsen verwandelten Handelfmeter, den Lauterns Innenverteidiger Almamy Touré verursachte. Eine weitere unglückliche Tat der November-Verpflichtung, die einfach nicht mehr ihre volle Wirkung erreicht, seit der Trainer ihn auf die linke Seite gestellt hat.

Der ordentliche Start wiederum fand sein Ende in der 19. Minute, als der 18-Jährige Paul Wanner, eine Leihgabe vom FC Bayern, zum 1:0 für die Gastgeber traf. Vorausgegangen war ein Flankenlauf des linken Schienenspielers Maurice Neubauer, der sich energisch gegen Jan Elvedi durchsetzte.

Der Gegner netzte also in einem bis dahin ausgeglichenen Spiel zuerst. Das ist ärgerlich, kommt aber immer mal vor. Und sollte eine mental gefestigte Mannschaft eigentlich nicht aus dem Konzept bringen, angesichts von über 70 Minuten noch verbleibender Spielzeit.

Richtig fahrig wurde es erst zwischen der 70. und 80. Minute

Dass das FCK-Spiel nun an der zu Beginn präsentierten Schärfe verlor, lag aber nicht an mangelndem Willen und fehlendem Kampfgeist. Eher schon an nachlassendem Konzentrationsvermögen, das insbesondere zwischen der 70. und der 80. Minute zu einigen Fahrigkeiten und damit zu Kontergelegenheiten für die "Elv" führte, mit denen sie gut und gerne auf 3:1 hätte stellen können. Die dickste davon bot sich Robin Fellhauer, der aus kurzer Distanz an FCK-Keeper Julian Krahl scheiterte.

Diese Schwächephase könnte mit dem dritten Spiel innerhalb einer Woche in Zusammenhang stehen. Denn als Grammozis in der 79. Minute mit einem Dreifachwechsel die unverbrauchten Kräfte Kenny Redondo, Dickson Abiama und Chance Simakala für Frank Ronstadt, Tobias Raschl und Tymo Puchacz brachte, ebbte die Chancenflut der SVE direkt ein wenig ab. 13 Minuten zuvor hatte der Trainer bereits Filip Stojilkovic und Aaron Opoku für Ragnar Ache und Richmond Tachie eingewechselt. Also genug frisches Blut, um einem Nachlassen der körperlichen Kräfte entgegenzuwirken. Mental mag das anders aussehen.

Steffen stellt um wie Dardai, macht's aber besser

Den Vorwurf, dass die Elversberger Kulisse die Roten Teufel nicht so stimulierte wie die 75.000 in Berlin oder die 50.000 gegen Schalke, lassen wir ebenfalls so nicht gelten. Es waren vielmehr die Ideen von Horst Steffen. Nachdem Lautrer Fans aus Protest gegen die DFL mit Zitronen geworfen hatten, begannen die Eingebungen des Elversberger Trainers, Früchte zu tragen. Und wie waren viel reifer als die, die sich sein Kollege Pal Dardai vergangenen Mittwoch ziehen wollte. Auch wenn beider Ideen sich auf dem Papier erstmal ähnelten: Beide bevorzugen sonst eher Formationen mit Viererkette, stellten gegen die Pfälzer aber auf Dreierkette um. Doch dem einen sin Uhl ist bekanntlich dem andern sin Nachtigall: Dem Hertha-Trainer wurde diese Entscheidung hinterher um die Ohren gehauen, Steffen durfte sich dafür feiern lassen.

Und das, obwohl seine personellen Voraussetzungen dafür denkbar schlecht waren. Wie berichtet, fehlten der SVE drei Innenverteidiger. So dass Steffen die Plätze links und rechts neben Carlo Sickinger von Last-Minute-Neuzugang Florian Le Joncour und dem etatmäßigen Mittelfeldspieler Fellhauer besetzt wurden. Und das Trio machte seine Sache gut, obwohl es so noch nie zusammengespielt hatte.

Vor allem beim Abpflücken der langen Bälle, die in der Regel von den Lauterns Abwehrspielern oder Keeper Krahl geschlagen wurden, ließ das Trio kaum was zu. Außer natürlich dieses eine Mal in der Nachspielzeit der ersten Hälfte, als Tachie und Ache im Zusammenspiel ein solches Stück Langholz gemeinsam behaupteten und Ache mit einem fulminanten Drehschuss in den Winkel des langen Ecks traf.

SVE punktet mit Flexibilität, starken Flügeln und tief gestaffelt

Weitere Feinheiten des SVE-Spiels: Der sehr variabel auftretende Dreiersturm, in dem der junge Wanner, eigentlich offensiver Mittelfeldspieler, bisweilen öfter im Sturmzentrum zu finden war als seine Nebenleute Luca Schnellbacher und Jannik Rochelt. Dazu die beiden enorm kampfstarken Schienenspieler Neubauer und Hugo Vandermersch, die gegen ihre Gegenspieler Ronstadt und Puchacz Punktsieger blieben. Wobei Vandermersch ein wenig mehr Mühe hatte.

Und natürlich die Staffelung. Obwohl Aufsteiger, stellt sich die "Elv" normalerweise nie hinten rein. Gegen diesen Gegner machte sie mal eine Ausnahme, wie diese Visualisierung verdeutlicht.

Durchschnittliche Aufstellungslinien SVE-FCK

Dies geschah wahrscheinlich aus der Überlegung heraus, dass der FCK überfordert sein würde, wenn er gezwungen wird, einen tiefstehenden Gegner zu bespielen. Und auch diese Rechnung ging auf. Vor allem zeigte sich, dass dem Team ein Zehner fehlt, der sich geschmeidig zwischen den Linien anbieten, Bälle annehmen und kurze, präzise Pässe in die Spitze spielen kann.

Marlon Ritter ist mehr Dampfmacher und Marschierer, und er bevorzugt den weiten Diagonalball. Dass er in dieser Partie nicht seine gewohnte Wirkung erreichte, dürfte also weniger daran gelegen haben, dass er am Ende dieser Englischen Woche einfach nur müde war, sondern daran, dass die Spielanlage des Gegners ihm nicht gestattete, seine Stärken auszuspielen.

Raschl: fleißig, aber zu viele Ballverluste - Kaloc: abermals gut

Neben und hinter ihm kam diesmal Tobias Raschl zum Einsatz. Der einzige Neue in der Startformation, er ersetzte den gelbgesperrten Julian Niehues. Der 23-Jährige gab sich eifrig und lauffreudig. Zeigte, dass er durchaus gewillt war, den schwachen Eindruck, den er bei seinem 45-Minuten-Einsatz auf St. Pauli hinterließ, korrigieren wollte. Leistete sich unterm Strich aber zu viele Ballverluste.

Hinter den beiden musste Filip Kaloc diesmal defensiver agieren, als es mit einem Nebenmann wie Niehues der Fall gewesen wäre. Der Last-Minute-Einkauf machte seine Sache erneut ordentlich, und zeigte schon Mitte der ersten Hälfte, als eine SVE-Konter über Schnellbacher ablief, dass er die "Holding Six" werden könnte, die dem FCK schon lange fehlt.

So, wie eben nicht alles schlecht war im Spiel des FCK. Was die strengen Worte von Geschäftsführer Hengen aber keinesfalls verwässern soll. Auf Rang 15 stehend, nur ein Punkt von Abstiegsrang 17 entfernt, darf Kritik gerne auch mal ein bisschen dicker aufgetragen werden, damit die Sinne geschärft bleiben. Denn so vielversprechend der neue Grammozis-Style zumindest phasenweise anmutet - am Ende zählen halt doch nur die Punkte. Und von denen der FCK weiterhin zu wenige.

Passmap zeigt: Für Ache kommt zu wenig aus der Zentrale

Zu den Grafiken. Die xG-Timeline belegt: Ja, doch, der Sieg für Elversberg ist "verdient". Auch wenn es ohne den Ausschlag, den der Elfer verursachte, schon ein bisschen freundlicher für den FCK aussähe. Für den Rest an xG-Hüpfern sorgt die fahrige Lautrer Phase zwischen der 70. und 80. Minute.

xG-Timeline SVE-FCK

Die Positions- und Passgrafik: Hier lohnt es sich, mal ein bisschen genauer hinzuschauen. Weder von Ritter (7), noch von Raschl (20) und Kaloc (26) laufen Linien zu Ache. Der bekam mehr als drei Bälle nur von Tachie, Puchacz sowie, auf den ganz weiten Wegen, von Touré und Krahl. Das ist nicht gut.

Passmap FCK

Die Passmap der Elversberger: Okay, die haben diesmal "Schusterball" gespielt. Aber auch in ihrem Fall gilt: Wer gewinnt, hat recht.

Passmap Elversberg

Und zum Abschluss die Überkreuztabelle der geführten Duelle. Wie oben schon ausgeführt: Die Elversberger behaupteten sich vor allem auf den Außenbahnen. Wie gewohnt gibt es an den Zweikampfbilanzen von Elvedi und Tomiak nicht viel auszusetzen, und auch Kaloc steht wieder gut da.

Zweikampf-Duelle SVE-FCK

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2023/24: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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