Taktik-Nachlese zum Spiel FCK-F95

DBB-Analyse: Acht schwache Minuten zerstören 70 starke

DBB-Analyse: Acht schwache Minuten zerstören 70 starke


Wieder ein Einbruch in Hälfte zwei, wieder versagt die linke Abwehrseite - die Kardinal­schwächen des 1. FC Kaiserslautern werden ihm auch im stärksten Heimspiel der Funkel-Ära zum Verhängnis. Die Lage bleibt nach dem 1:3 gegen Fortuna Düsseldorf angespannt.

Friedhelm Funkel hatte es nach den guten Ergebnissen zuletzt bereits angekündigt: "Es wird auch noch Rückschläge geben bis Ende der Saison." Einen ersten setzte es an diesem Samstag nun prompt und in voller Härte. Und allzu viele dürfen den FCK nicht mehr treffen. Nach den Ergebnissen der Konkurrenz hat sich die Zahl der Abstiegskandidaten zwar vergrößert - es liegen nur noch drei Punkte zwischen Platz 12 und 17 -, aber die Roten Teufel fallen erstmal wieder auf Relegationsrang 16.

Aber zunächst mal das Positive. Immer wieder erstaunlich, wie Funkel zu überraschen versteht. Gegenüber dem jüngsten Auswärtsspiel in Hannover (1:1) änderte er bei den Feldspielern augenscheinlich nur eine Personalie - und das gezwungenermaßen: Für den verletzten Ragnar Ache kehrte der zuletzt gelbgesperrte Marlon Ritter in die Startelf zurück. Was die Vermutung nahe legte, dass er auch die 4-4-2-Formation mit Raute beibehalten würde, die er in Niedersachsen gewählt hatte. Wobei MR7 seine gewohnte Zehnerrolle einnehmen und Kenny Redondo zu Daniel Hanslik in die Spitze aufrücken würde.

Hätte man meinen können. Aber: Pustekuchen.

Funkel formierte mit dieser Besetzung sein gewohntes 4-2-3-1. Mit einigen Rotationen, die wohl auch die Betroffenen überrascht haben dürften, als der Coach ihnen seinen Matchplan offenbarte. Als Zehner präsentierte sich Tobias Raschl, Ritter musste auf den linken Flügel ausweichen, Redondo präsentierte sich auf dem rechten.

Ritter links, Redondo rechts? Alles schon mal dagewesen

Was, bei allem Respekt vor der Arbeit, die Trainerveteran in seiner kurzen Amtszeit am Betze geleistet hat, alle langjährige Beobachter die Stirn runzeln ließ. Ritter war bei seinen frühesten Anfängen in der Zweiten Mannschaft von Borussia Mönchengladbach tatsächlich mal Flügelspieler gewesen, hatte seinerzeit in der Regionalliga West auch tüchtig gescort, sich dann aber in zentralen Mittelfeldrollen besser weiterentwickelt. Seit er in Lautern spielt, ist er unter diversen Funkel-Vorgängern immer wieder mal testweise auf die Seite gestellt worden, aber so richtig gut ausgesehen hatte er da nicht.

Und Linksfuß Redondo auf der rechten Seite? War in der Vergangenheit auch schon immer mal ausprobiert worden. Es mag in manchen Fällen interessante Effekte zeitigen, Flügelspieler auf die für sie "falsche" Seite zu stellen, damit sie ihren starken Fuß innen haben. So kommen sie gefährlicher in Schussposition, wenn sie in die Mitte ziehen, Arjen Robben lässt grüßen. Redondo aber war immer ein Linksfuß, der am stärksten war, wenn er über die linke Seite kam.

Und wie stellte diesen Wechsel nun unter Funkel dar? Redondo setzte sich in der Offensive in der Tat nicht wie gewohnt in Szene. Dafür leistete er gegen den Ball gute Arbeit. Unterstützte Rechtsverteidiger Jean Zimmer und zeichnete sich in der ersten Halbzeit auch durch Balleroberungen vor der Mittellinie aus, was gefährliche Umschaltmomente eröffnete.

MR7s neue Rolle: Erst abwarten, dann zuschlagen

Ritter war im Spiel nach vorne ebenfalls nicht so präsent wie zuletzt, vor allem in der Startphase. Aber: Wenn er mal in die Mitte zog, wurde es direkt spannend. Nach 13 Minuten steckte er vor dem Sechzehner Hanslik den Ball in den Lauf - der klassische "tödliche Pass". Der junge Jamil Siebert vermochte die Chance jedoch mit klugem Körpereinsatz zu vereiteln. In Minute 26 tauchte Ritter ein zweites Mal in der Tornähe auf - und markierte das 1:0. Das lässt sich natürlich auch als Masche verkaufen: Einen Leistungsträger zunächst mal in einer eher unauffälligen Rolle präsentieren, damit er dann umso wirkungsvoller den besonderen Moment nutzt.

Der Führungstreffer beschloss das Highlight in einer Startphase, in der es an der Spielanlage des FCK absolut nichts zu meckern gab. Wie unter Funkel gewohnt, konzentrierte sich eine geschlossen formierte Elf auf Ballgewinne im Mitteldrittel, ließ nach hinten nicht viel zu und setzte immer wieder, wie der Coach es hinterher formulierte, "Nadelstiche". Schon nach vier Minuten eroberten sich Puchacz und Hanslik auf der linken Seite einen langen Ball von Boris Tomiak, den ein Fortuna-Spieler unglücklich verlängert hatte. Hansliks klugen Pass in den Rückraum durfte Filip Kaloc direkt annehmen, leider aber landete der Ball nur am Außennetz.

Und nach einem Eckball von Puchacz legte Julian Niehues per Kopf auf Jan Elvedi, der das Leder jedoch übers Tor setzte. Eine von mehreren Situationen, nach denen es von den Rängen raunte: "Wenn da mal Ragnar Ache gestanden hätte ..."

Nach der Führung steht der FCK tiefer tiefer

Nach der Führung positionierten sich die Pfälzer erwartungsgemäß tiefer, die Fortuna kam auf, vermochte sich bis zur Pause aber nicht entscheidend in Szene zu setzen. Wie sich die Aufstellungslinien während des Spiels insgesamt verschoben, visualisiert diese Grafik:

Durchschnittliche Aufstellungslinien FCK-F95

"Das lag halt auch am Gegner", entschuldigte Fortuna-Trainer Daniel Thioune sein Team hinterher, dass es so lange brauchte, bis sie im Duell der "beiden besten Zweitliga-Mannschaften im Monat März" ins Laufen kam. Überrascht hatte ihn die Spielweise der Lautrer allerdings nicht: "Aus Halbräumen tief zu starten", das sei "eine Kompetenz", die Funkel-Mannschaften schon seit Jahren auszeichne.

Thioune brachte in der Pause Emmanuel Iyoha für Takashi Ushino, der den kurzfristig ausgefallenen Nicolas Gavory zunächst ersetzt hatte. Iyoha ist wesentlich mehr linker Verteidiger als Ushino, der doch eher auf der rechten Seite zuhause ist, und wurde direkt zum belebenden Element im Düsseldorfer Spiel, das nun insgesamt torgefährlicher wurde. In Minute 58 durfte Felix Klaus eine flache Flache von Iyoha viel zu frei annehmen, verzog aber, ein paar Minuten später kratzte Tomiak eine Kopfball des ebenfalls eingewechselten Vincent Vermeij nach einer Iyoha-Flanke gerade noch von der Torlinie.

Doch auch der FCK hatte auch in dieser Phase seine Chancen. Erst Niehues, dann Zimmer setzten weitere Kopfbälle am Tor vorbei, bei denen sich das Gros der 46.210 Zuschauer Ache als Abnehmer gewünscht hätte.

Bis zur 74. Minute ging es nun munter hin und her, so dass es immer unwahrscheinlicher wurde, dass diese Partie 1:0 endete. Entweder würde das zweite Tor für die Betze-Buben fallen oder der Gast zum Ausgleich kommen. Mit der Zeit aber gewann die Fortuna deutlich mehr Zweikämpfe, wie diese Grafik zeigt:

Quote gewonnener Zweikämpfe FCK-F95

Das Pendel schlug dann schließlich zuungunsten der Gastgeber aus. Wieder mal in der zweiten Hälfte, wieder mal, weil die Flügelverteidigung nicht funktionierte. Es war aber nicht Iyoha von links, sondern Jona Niemiec rechts, der nach 70 Minuten für Klaus gekommen war und nach einem tiefen Pass von Yannik Engelhardt Puchacz überlief. Und es wieder mal Puchacz, der in der Defensivarbeit patzte - der aber im Spiel nach vorne sämtliche FCK-Chancen mitvorbereitet hatte. Derart janusköpfig präsentiert sich der frischgebackene EM-Teilnehmer aus Polen bereits über die gesamte Saison. Es ist zum Verzweifeln.

Die Gegentreffer: Wenn's dick kommt, dann immer knüppeldick

Niemiec servierte den Ball lehrbuchmäßig in die Mitte, wo Düsseldorfs Topscorer Christos Tzolis nur noch abzustauben brauchte.

Und da es wenn, dann grundsätzlich immer gleich knüppeldick kommt für den 1. FC Kaiserslautern in dieser Spielzeit, setzte es zwei Minuten später gleich den nächsten Schlag. Diesmal kam Fortuna-Rechtsverteidiger Matthias Zimmermann gegen Puchacz zum Flanken, Zimmer präsentierte sich bei seinem Kopfball-Abwehrversuch in der Mitte als ein paar Zentimeter zu klein gewachsen, und hinter ihm stand Shinti Appelkamp, der sich mit einem Volleyschuss unter die Torlatte bedankte. Appelkamp, der für den gelbgesperrten Ísak Jóhannesson in die Startelf gerückt war und den Thioune ungewohnt offensiv aufgestellt hatte. Er war mehr zweiter Stürmer als Mittelfeldspieler.

Und weil auch aller schlechten Dinge drei sind, setzten die Gäste sechs Minuten später gleich noch einen drauf. Diesmal war es Niehues, der mit einem verpeilten Laufweg seinem Gegenspieler Tanaka ermöglichte, seelenruhig in den Zehnerraum marschieren und Tzolis durchsteckte. Der legt sich das Leder am herausstürzendem Torwart-Debütanten Robin Himmelmann vorbei und schob ein.

Lauterns Wechsel blieben diesmal wirkungslos

Unmittelbar nach dem 1:2 hatte Kaloc noch ein Hinterhaltsgeschoss am Düsseldorfer Tor vorbeigejagt - und das war's dann für FCK. Vor drei Wochen beim Heimspiel gegen Osnabrück (3:2) hatte Funkel mit den Einwechslungen von Richmond Tachie und Chance Simakala der Partie noch eine Wende geben können - diesmal blieben die beiden wirkungslos. Dafür darf sein Kontrahent Thioune in Anspruch nehmen, seinem Team mit seinen Wechseln entscheidende neue Impulse gegeben zu haben.

Zu den Grafiken: Die xG-Timeline zeigt sehr schön, wann das Spiel kippte.

xG-Timeline FCK-F95

Die Position- und Passgrafik des FCK. Mittelstürmer Hanslik (Nr. 19, verdeckt von 20) hat den linken Offensivspieler Ritter (7) öfter angespielt als umgekehrt. Umgekehrt wär's natürlich besser gewsen.

Passmap FCK

Die Passmap der Fortuna: Da erscheint Appelmann (23) doch mehr Mittelfeldspieler, und ist im Trio mit Tanaka (4) und Engelhardt (6) richtig gut im Spiel.

Passmap F95

Die Übersichtgrafik der Duelle. Ein bisschen merkwürdig mutet die Darstellung Elvedis an. Der Innenverteidiger soll nur in drei Zweikämpfe verstrickt gewesen sein? Da scheint beim Erfassen was schiefgelaufen zu sein.

Zweikampf-Duelle FCK-F95

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Eric Scherer

Weitere Links zum Thema:

- Saison-Übersicht 2023/24: Die DBB-Analysen der FCK-Spieltage

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