Neues vom Betzenberg

Die

Die "Ein-Mann-Büffelherde": Ragnar Ache im DBB-Porträt


Ungewöhnlich: Mit Ragnar Ache hat der 1. FC Kaiserslautern einen Transfer klargemacht, der nicht überrascht, sondern über den wochenlang spekuliert wurde. Der 24-Jährige schien die Wunschlösung fürs Lautrer Sturmproblem zu sein. Zurecht?

Ragnar Prince Friedel Ache, wie der vollständige Name des Betze-Neuzugangs lautet, wurde in Frankfurt geboren, in Rotterdam fußballerisch ausgebildet und ist dort ins Profi-Geschäft eingestiegen. Klingt nach einem ungewöhnlichen Karriereweg, ist mittlerweile aber gar nicht mehr so ungewöhnlich. Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" zählte in der Saison 2014/15 nur fünf deutsche Profis in der niederländischen "Eredivisie". 2020 waren es plötzlich 31, ihr Durchschnittsalter lag bei 22,7 Jahren.

Es sind also vor allem junge Spieler, die dem Beispiel späterer Weltstars wie Ronaldo oder Luis Suárez folgen und übers flache Land den Sprung in höchste Sphären schaffen wollen. Prominente deutsche Beispiele: Amin Younes, der sich 2014/15 als Gladbacher Leihgabe auch mal in Kaiserslautern versuchte, ehe er bei Ajax Amsterdam zum Topspieler reifte, oder Robin Gosens, der bei Heracles Almelo startete und bei Inter Mailand landete. Auch Linksverteidiger Derrick Köhn hat nach seiner Ausbildung beim FC Bayern erst mal den Umweg über den niederländischen Erstligisten Willem II Tilburg genommen, ehe er bei Zweitligisten Hannover 96 auf- und einschlug. Aktuell wird er von mehreren Bundesligisten umworben.

"In Holland lieben sie Fußball"

Zu den 31 deutschen Eredivisie-Kickern der Saison 2019/20 zählte auch Ragnar Ache. Sein Profidebüt für Sparta Rotterdam hatte er noch als 18-Jähriger bereits zwei Jahre zuvor gefeiert. Zu dem Klub gewechselt war der Hesse freilich schon als Zehnjähriger, als er mit seiner Familie von Hessen noch Holland umzog. An eine Profikarriere dürfte er da also noch kaum gedacht haben. Genossen hat er seine Ausbildung dennoch. "In Holland lieben sie Fußball. Da lernst du schon als Kind Positionsspiel", erklärte er 2020, als er in seiner Heimatstadt Frankfurt als Neuzugang vorgestellt wurde.

» Zum Video: Vorstellungs-PK von Ragnar Ache bei Eintracht Frankfurt

Das bestätigen auch deutsche Trainer, die mittlerweile in den Niederlanden tätig sind oder lange Zeit waren. "Alles denkt offensiv", sagt beispielsweise Frank Wormuth, der bis 2018 oberster Fußballlehrer-Ausbilder des DFB war und danach bei Heracles Almelo und dem FC Groningen als Trainer unter Vertrag stand. "Lieber 5:4 als 1:0 gewinnen" - der Spruch sei in den Niederlanden eben keine Phrase. Entsprechend gut ließen sich Offensiv-Talente entwickeln.

"Holland ist ein Paradies für junge Spieler", bestätigt der ehemalige Hertha-Profi Peter Niemeyer, der heute bei Twente Enschede als Co-Trainer und Nachwuchschef dient. Ihnen werde mehr Zeit gegeben, fußballerisch und taktisch zu wachsen. Niemeyer hat selbst einst bei Twente den Weg in den Profifußball gefunden: "In der Westfalen-Auswahl wurde ich damals aussortiert, weil ich zu klein war", erzählte der heute 36-Jährige unlängst dem "Kicker."

Schon von Jugend an: Tore und Tänze

Ache kam in seinen ersten beiden Profijahren bei Sparta Rotterdam bereits zu 39 Einsätzen, erzielte dabei sieben Treffer, gab drei Torvorlagen. In Erinnerung blieb er dort aber auch mit einem legendären Kabinentanz anlässlich des geglückten Aufstiegs Spartas in die Eredivisie im Jahr 2019.

» Zum Video: Ragnar Aches Tänzchen nach dem Aufstieg mit Sparta

Auch auf dem Rasen gehören Jubel-Tänze zu seinen Markenzeichen. Für deutsche Klubs geriet er unter anderem durch seine Nominierung für die deutsche U21-Nationalelf im November 2019 in den Fokus. "Wir wollen ihn erstmal kennenlernen", räumte deren damaliger Trainer Stefan Kuntz ein, dass ihn bis dato noch niemand auf dem Radar hatte. Dann aber ging es recht schnell. Bereits zu seinem Debüt beim 2:3 gegen Belgiens U21 steuerte Ache einen Treffer bei. Insgesamt dreimal kam der Stürmer in der DFB-Nachwuchself zum Einsatz, ebenfalls dreimal in der als U23 konzipierten DFB-Auswahl für die Olympischen Spiele 2021. Dort markierte er zwei Treffer, einen davon beim 2:4 gegen Brasilien.

» Zum Video: Ragnar Aches Kopfballtor bei Olympia gegen Brasilien

In Frankfurt begeisterte er nur Bas Dost

Sein Wechsel zu Eintracht Frankfurt wurde bereits zum Jahresbeginn 2020 bekanntgegeben. Er sollte allerdings bis zum Sommer in Rotterdam bleiben, um weiter Spielpraxis zu sammeln. Daraus wurde jedoch nichts. Corona stoppte den Spielbetrieb in den Niederlanden komplett. Daher kehrte er mit einem halben Jahr Wettkampfpause in seine Heimatstadt zurück. Und die erwies sich nur als eine von mehreren ungünstigen Vorzeichen, unter denen das anschließende Eintracht-Jahr stand. Immer wieder warfen Verletzungen ihn zurück, und an der Konkurrenz im Sturm war kaum vorbeizukommen: André Silva, Luka Jovic, Goncalo Paciencia und bis zur Winterpause, Bas Dost.

Der Niederländer allerdings hielt große Stücke auf den Neuen: "Er macht einen sehr guten Eindruck, bringt viel Kraft, Power und Tempo mit. Wie er die ersten Wochen angeht und lernen will, ist beeindruckend. Ich hoffe, dass er so weitermacht. Er hat eine gute Zukunft vor sich."

Die jedoch schien Ache bei der Eintracht fürs Erste versperrt. In zwei Spielzeiten bestritt er nur einen Einsatz von Beginn an, wurde in der Bundesliga 19 Mal eingewechselt, in der Europa League dreimal - für jeweils eine Spielminute. Im Mai 2021 erzielte er gegen den SC Freiburg seinen bislang einzigen Bundesliga-Treffer.

Leihe nach Fürth: Endlich wieder Spiele, endlich wieder Tore

Im Sommer 2022 wurde Ache dann an die SpVgg Fürth ausgeliehen. "Wir glauben unverändert an die Entwicklungsfähigkeit von Ragnar", gab Eintracht-Sportvorstand Markus Krösche zum Abschied zu verstehen, dass nach einem Jahr Spielpraxis in der Zweiten Liga ein neuer Anlauf in der Hessen-Metropole versucht werden sollte.

In Fürth kam er endlich wieder zu Einsätzen - und Toren. 23 Mal stand er in der Startelf, neunmal wurde er eingewechselt. Dabei erzielte er sieben Treffer, gab vier Torvorlagen. Durchgehend rund lief die Saison allerdings nicht. Zuletzt plagten ihn Knieprobleme, und nach der Winterpause hatte er vorübergehend seinen Platz in der Startelf verloren. Eroberte ihn sich aber wieder zurück, nicht zuletzt, weil er den Pressing-Afficionado Alexander Zorniger, der das Kleeblatt im Oktober 2022 übernahm, mit seinem aggressiven Anlaufverhalten gegen gegnerische Verteidiger überzeugte. Zorniger bezeichnete ihn diesbezüglich mal als "Ein-Mann-Büffelherde", und das war absolut als Lob gemeint.

Für Furore sorgte Ache vor allem mit seinem Last-Minute-Siegtreffer im Frankenderby gegen den 1. FC Nürnberg. Und, kaum vierzehn Tage später, mit seinen zwei Buden gegen Fortuna Düsseldorf. Den zweiten Treffer legte ihm übrigens ein gewisser Tobias Raschl auf, der nun auch in Lautern sein Teamkollege sein wird.

» Zum Video: Ache schnürt gegen Düsseldorf ein Doppelpack

Nur 1,83 Meter groß, aber kopfballstark

Kopfbälle - wie hier zum 1:0 - sind übrigens seine Spezialität. Dies wird von all seinen regelmäßigen Beobachtern gelobt. "Ich gewinne in der Zweiten Liga jedes Kopfballduell", sagte er selbst einmal von sich, wenn auch im Überschwang eines Sieges. Bei vergleichsweise bescheidenen 1,83 Meter Körpergröße sichert er sich seine Vorteile im Luftkampf mit enormer Sprungkraft und rechtzeitigem Lösen vom Gegenspieler, vorzugsweise in dessen Rücken. Damit galt er gar nicht mal als idealer Mittelstürmer für die Kleeblatt-Elf, für die der Flachpass ja einen Markenkern darstellt. Behalten hätten ihn die Verantwortlichen dennoch gerne.

Zumal nach seiner Rückkehr zur Eintracht schnell klar war, dass Ache auch in dieser Saison kaum Chancen auf Einsatzzeiten haben würde. Eine erneute Leihe machte aus Sicht der Verantwortlichen keinen Sinn mehr, also eröffnete Krösche das Wettbieten auf den Stürmer. Lautern sicherte sich den Zuschlag bei einer Ablöse, die laut Medienberichten bei bis zu zwei Millionen Euro liegen soll. Die Fürther seien daher schon ausgestiegen, ehe die Zahl siebenstellig wurde. Für die Eintracht stellt die Personalie somit kein großes Verlustgeschäft dar. Sie hatte den Spieler 2020 für kolportierte 1,75 Millionen Euro von Rotterdam weggelotst.
Hier ein Highlight-Video aus seiner bislang stärksten Saison 2019/20. Er imponiert einmal mehr mit seinen Kopfballtoren - und seinen Jubeltänzchen -, präsentiert sich aber auch als guter Vorlagengeber. Den Fürther Gegentreffer beim 1:3 auf dem Betzenberg in der vergangenen Rückrunde bereitete er übrigens ebenfalls vor.

» Zum Video: Tore und Vorlagen von Ache aus der Saison 2019/20

In puncto Kopfballstärke könnte Ache Publikumsliebling Terrence Boyd, für den er ja ein "Backup" darstellen soll, sogar übertreffen. So er denn entsprechend mit Flanken gefüttert wird. Die Roten Teufel erzielten vergangene Saison zwar viele Kopfballtreffer, aber meist nach Standards. Aus dem Spiel heraus stellen sie bislang noch keine Kernkompetenz dar.

GSN: "Bei Kaiserslautern gut aufgehoben"

Aber ob Ache etwa auch den Mittelfeldspielern entgegenkommen kann, wie Boyd es tut, oder gar dessen Mentalität mitbringt? Begeisterungsfähig ist er auf jeden Fall. Dafür gilt er bei aller Kraft und Schnelligkeit als technisch limitiert.

Die Daten-Nerds vom "Global Soccer Network" (GSN) sehen in Ache einen "unterdurchschnittlichen Bundesligaspieler", der aber durchaus noch das Potenzial hat, wenigstens ein durchschnittlicher zu werden. Weiter heißt es: "Für Eintracht Frankfurt hat dauerhaft die Qualität gefehlt, bei Kaiserslautern ist er gut aufgehoben. Die Ablöse geht in Ordnung, bei uns hat er einen Marktwert von 900.000 Euro. Er hat Stärken im Kopfballspiel sowie in der offensiven Raumfindung. Er besitzt einen starken Antritt, gutes Tempo, ist stabil im Zweikampf, mit mutiger Spielweise. Schwächen hat er beim eigenen Abschluss, in der Ballverarbeitung und im Passspiel. Taktisch muss er dazu lernen, unter Druck fehlt die Übersicht. Er wirkt nicht durchgehend konzentriert."

Damit passt auch der fünfte Transfer dieser Saison in das Schema, das auch bei vorangegangenen schon zu erkennen war: Dem Talent-Alter im Grunde bereits entwachsen, aber nach wie vor jung genug, um nach einer Karriere-Delle doch noch durchzustarten. Man darf also gespannt sein auf den "Büffel".

Außer Fußball betätigt er sich übrigens auch im Kickboxen - "Da lernt man nicht aufzugeben", sagt er selbst. Und er daddelt "FIFA" auf Wettbewerbsniveau. Auch dabei ließ er sich schon filmen.

» Zum Video: Ragnar Ache zaubert bei FIFA 22

Quelle: Der Betze brennt

Weitere Links zum Thema:

- Neuer Stürmer: FCK holt Ragnar Ache aus Frankfurt (Pressemeldung FCK)

Kommentare 112 Kommentare | Empfehlen Artikel weiter empfehlen | Drucken Artikel drucken