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Gegner-Check HSV: Auch das sechste Jahr bleibt verflixt

Gegner-Check HSV: Auch das sechste Jahr bleibt verflixt

Foto: Imago Images

Der 1. FC Kaiserslautern will vom Relegationsplatz weg, der Hamburger SV wieder dahin. Heißt: Beide brauchen Punkte. Der Pokalerfolg unter der Woche mag die Roten Teufel beflügeln, doch erwartet sie an der Elbe ein vollkommen anderes Spiel.

So lief's seit dem Hinspiel: Der FCK hat diese Saison bekanntlich schon 18 Mal eine Führung verspielt. Aber kaum eine war so ärgerlich wie die im Hinspiel gegen den HSV, das 3:3 endete. Der Patzer des zum Rückspiel verletzten Julian Krahl, der zum Ausgleich führte, dürfte dem Keeper noch heute Alpträume bescheren. Die Hamburger hatten nach einem Traumstart mit 13 Punkten aus fünf Spielen zu diesem Zeitpunkt bereits begonnen, nur noch mittelmäßig zu punkten. Und das tun sie bis heute. In einer Tabelle, die die ersten fünf Spieltage unberücksichtigt lässt, wären die Hanseaten grade mal 9. - wohlgemerkt, mit dem laut "Transfermarkt.de" zweitwertvollsten Kader der Liga. Eine wichtige Zäsur erfolgte allerdings nach dem 19. Spieltag: Nach einem 3:4 zuhause gegen Karlsruhe musste Coach Tim Walter gehen. Interimscoach Merlin Polzin holte daraufhin ein 2:2 in Rostock, anschließend übernahm Steffen Baumgart, der in der Winterpause beim 1. FC Köln freigestellt worden war. Unter ihm sind bislang zwei Siege, zwei Niederlagen und ein Unentschieden zu verzeichnen. Klingt ausgeglichen, doch in den jüngsten beiden Partien waren Aufwärtstrends zu erkennen. Das 3:0 daheim gegen Wehen wurde, im Gegensatz zu Baumgarts 1:0-Sieg gegen Elversberg zu seinem Einstieg, wirklich überzeugend herausgespielt, und auch vom jüngsten 1:1 in Fürth wird berichtet, dass der Hamburger SV vor allem in der zweiten Halbzeit klar überlegen war. Und wohl auch gewonnen hätte, hätte Torjäger Robert Glatzel nicht gefehlt. Der wohl beste Zweitliga-Stürmer der letzten Jahre muss gegen den FCK verletzungsbedingt passen.

Das hat sich geändert: Auf dem Papier behielt Baumgart die 4-3-3-Formation bei, die auch Walter stets bevorzugte. Ebenso sind nach wie vor hohe Ballbesitzwerte zu verzeichnen, die das Team ebenfalls schon zuvor produzierte. Dennoch hat Baumgart an einigen Stellschrauben gedreht. Die Elf spielt nun ein intensiveres Angriffspressing, es werden während des Spiels nicht mehr so viele Positionen gewechselt, und Goalgetter Glatzel muss nicht mehr nur reiner Strafraumstürmer sein. Das kommt seinem Typ, wie er selbst bestätigt, einerseits entgegen, andererseits: In den vier Partien, in denen er unter Baumgart zum Zug kam, hat der 16-Tore-Mann nur noch einen Treffer erzielt, und den per Elfmeter bei der 1:2-Heimniederlage gegen Osnabrück. Im Wehen-Spiel überraschte der Coach zudem mit einer neuen taktischen Variante. Ludovit Reis agierte nur noch bei Ballbesitz als Mittelfeldspieler in einem 3-4-3, gegen den Ball rückte er auf die rechte Verteidigerposition im gewohnten 4-3-3. Der Schachzug schien zunächst aus der Not heraus geboren, weil Baumgart für diese Partie keinen passenden Außenverteidiger zur Verfügung hatte. In Fürth aber behielt der Coach die Variante bei, obwohl mit Moritz Heyer wieder ein Rechtsverteidiger einsatzfähig war. Gut möglich also, dass er auch gegen den FCK auf sie setzt.

Gewinner und Verlierer: So ziemlich jeder HSV-Spieler quälte sich diese Saison schon mal durch ein Formtief oder fiel zwischenzeitlich mal verletzungsbedingt aus. Unter Baumgart aber haben sich mittlerweile wenigstens ein paar Gewinner herauskristalliert. Direkt nach Walters Abschied hatte bereits Interimscoach Merlin Polzin Matheo Raab ins Tor gestellt, und auch der neue Trainer zieht den Lautrer Aufstiegshelden von 2022 seither dem bisherigen Stammkeeper Daniel Heuer Fernandes vor. Innenverteidiger Sebastian Schönlau kehrte nach langer Leidenszeit ins Team zurück und ist seit sechs Wochen gesetzt. Einigkeit besteht in Hamburg darüber, dass sich der Schweizer Miro Muheim in seinem dritten Jahr an der Waterkant prächtig weiterentwickelt. Der Linksverteidiger hat bereits fünf Treffer und drei Assists auf dem Konto, wird gegen Lautern aber gelbgesperrt fehlen. Ersetzen wird ihn Noah Katterbach, den der HSV im Winter aus Köln verpflichtete. Konstante Größe blieb neben Glatzel noch Mittelfeldspieler László Bénes, der bislang zwölf Mal getroffen und elf Mal vorbereitet hat, was ihn zum besten Vorlagengeber der Liga macht. Die Assists zu den jüngsten vier HSV-Treffern kamen allesamt von ihm. So ziemlich alle anderen Rothosen hingen diese Saison schon mal durch. Der Ungar András Németh konnte sich ebenso wenig zum erhofften Backup für Glatzel entwickeln wie der Tscheche Lukasz Poreba für den bisweilen schwächelnden Sechser Jonas Meffert. Ebenso spielt der Uwe Seeler-Enkel Levin Öztunali nach wie vor keine große Rolle.

Zahlenspiele: Kleiner Tipp für Sportwetter: Ein 0:0 zwischen diesen beiden Teams ist kaum wahrscheinlich. Beim FCK stand in dieser Saison erst einmal hinten die Null - beim 3:0-Sieg in Rostock. Beim HSV stand die Null vorne erst ein einziges Mal, beim 0:2 in Düsseldorf vor vier Wochen. Hat sich unterm Strich bislang also ausgezahlt, dass die Hanseaten öfter aufs Tor schießen als jedes andere Zweitligateam. Mit 51 erzielten Treffern liegen sie gleichauf mit den Tabellenführern St. Pauli und Kiel, auch wenn Düsseldorf, Karlsruhe und die Hertha öfter getroffen haben. Kein anderes Team hat mehr Tore von außerhalb des Strafraum gemacht (12). Bénes hat schon zwei Freistöße direkt verwandelt. Ein kleines Kuriosum: HSV-Spieler treffen öfter mit dem linken Fuß (bislang 22 Mal) als mit dem rechten (20 Mal). Der Ausfall von Glatzel wird in Hamburg genauso so laut beklagt wie der Ragnar Aches in Lautern, lässt sich durch Zahlen aber nicht belegen: Glatzel fehlte diese Saison nur dieses eine Mal in Fürth, und da erzielte sein Team wenigstens einen Treffer. Flügelstürmer Bakery Jatta zieht die meisten Sprints in der Liga an. Da braucht Lauterns Linksverteidiger Tymo Puchacz einen starken Helfer an seiner Seite, wenn es nicht noch einmal zu seiner Szene kommen soll wie zuletzt vor dem 1:1 gegen Düsseldorf.

Fazit: Steffen Baumgart übernahm seinen Job eine Woche nach Friedhelm Funkel. Beide Trainer haben die vorgefundenen Lagen treffend analysiert, auch erkennbar an wichtigen Stellschrauben gedreht, doch was die nackten Ergebnisse angeht, sind ihre Bilanzen bislang gerade mal ausgeglichen. Funkel verzeichnet mit dem FCK ebenfalls zwei Siege und zwei Niederlagen, hat lediglich ein Remis mehr geholt als Baumgart. Funkel allerdings durfte zuletzt den 2:0-Erfolg im DFB-Pokal-Halbfinale in Saarbrücken feiern. Wie der sich mit Blick aufs Samstag auswirkt? Ob und wie sehr der Finaleinzug das Team für den Rest der Saison pusht, muss die Praxis zeigen. Als sicher darf gelten: Die Roten Teufel erwartet ein vollkommen anderes Spiel als im Saarland. Der HSV wird Aggressivpressing spielen und sich nicht wie der FCS nach jedem Ballverlust vor den eigenen Sechzehner zurückziehen. Für die Lautrer Hintermannschaft bedeutet das: Unter Druck nicht blind nach vorn bolzen, sondern versuchen, die erste Pressinglinie zu überspielen. Dafür müssen Filip Kaloc und Julian Niehues Anspielmöglichkeiten auf kurzen Wegen anbieten. Aber auch: Es kann zu den beliebten Umschaltmomenten kommen, in denen wieder mal die Stunde schneller Stürmer schlagen könnte: Aaron Opoku, Richmond Tachie, Chance Simakala, Dickson Abiama, Filip Stojilkovic. Funkel hat nach dem Saarbrücken-Spiel angedeutet, dass er zum Abschluss dieser Englischen Woche vielleicht ein wenig rotieren lässt, das Personal wäre also vorhanden. Kenny Redondo und Jean Zimmer verließen den Platz in Saarbrücken zwar nicht verletzt, aber lädiert, könnten also Kandidaten zum Verschnaufen sein. Sogar eine Pause für Marlon Ritter ist denkbar, Tobias Raschl hat in Hannover (1:1) zuletzt gezeigt, dass er den wichtigsten Dampfmacher im Team durchaus ersetzen kann. Und auch Chance Simakalas gute 30 Minuten gegen Osnabrück sollten bei der Alternativen-Ausschau nicht in Vergessenheit geraten.

Quelle: Der Betze brennt

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