Neues vom Betzenberg

Herr Kuntz, Hand aufs Herz!

INTERVIEW: Der FCK-Vorstandschef über Transfers, Spielervermittler und Finanzielles

Die schlechteste Saison in der Vereinsgeschichte. Schlappe 23 Zähler stehen auf dem Punktekonto des 1. FC Kaiserslautern. Abstieg in die Zweite Bundesliga. Auch ein Trainerwechsel zu Saisonende brachte nicht die erhoffte Wende: Krassimir Balakov holte sieben Niederlagen in acht Spielen. Dazu ranken sich Gerüchte um FCK-Vorstandschef Stefan Kuntz. Auf die Fragen von „Wochenblatt“-Redakteur Andreas Erb bezieht er nun Stellung.

Wochenblatt: Herr Kuntz, Hand aufs Herz, weg mit den Gerüchten, im Klartext: Werden beim 1. FC Kaiserslautern alle Spielertransfers sauber abgewickelt?

Stefan Kuntz: Natürlich und mir stellt sich schon die Frage, wie Sie auf die Idee kommen, das könnte nicht so sein? Wir fragen uns, was für ein journalistisches Verständnis dahinter steckt, wenn Sie ohne den geringsten Anlass Verdächtigungen aussprechen und von uns Rechtfertigungen einfordern. Aber ich habe versprochen, Ihre Fragen zu beantworten, und das will ich gerne tun: Wir überlegen immer gemeinsam im Trainerteam, mit dem Scouting und im Vorstand, welche Spieler in Frage kommen könnten. Dabei spielen Qualität und Verfügbarkeit selbstverständlich eine wichtige Rolle. Wenn wir merken, dass wir mit einem Spieler konkret ins Gespräch kommen, treten wir mit dem Aufsichtsrat in Dialog, insbesondere ist hier Ottmar Frenger unser Ansprechpartner, wenn es um sportliche Themen geht. Im Zuge der ersten Verhandlungen geht dann eine Mail an den Aufsichtsrat bezüglich der möglichen Ablösesumme, Gehaltsvorstellungen, Beraterhonorar und so weiter. Dann stimmen wir uns mit dem Aufsichtsrat ab, besprechen das Thema, wenn es Bedenken oder Rückfragen gibt. Wir informieren, wenn wir versuchen, die Verhandlungen zu Ende zu führen. Hier ist es Aufsichtsratsmitglied Gerhard Theis, der unterschriebene Spieler- und Beraterverträge prüft. In der nächsten Aufsichtsratssitzung werden die Verträge dann genehmigt, bei einer gewissen Aktualität kann dies gegebenenfalls auch im Umlaufverfahren geschehen.

Wochenblatt: Die „SportBild“ begründet Ihren Abgang aus Bochum unter anderem mit einer „ungesunden Nähe“ zum dem Spielerberater Lars-Wilhelm Baumgarten. Jener Spielerberater tritt als Berater aktueller FCK-Profis in Erscheinung. Auch Frank Lelle, derzeit Leiter des FCK-Nachwuchsleistungszentrums, war einst Baumgarten-Mitarbeiter bei der Spielervermittleragentur „Stars and Friends“. Wie würden Sie Ihr Verhältnis zu Baumgarten beschreiben?

Kuntz: Zunächst zum Abgang Bochum. Der dortige Aufsichtsrat hatte dem Vorstand unvermittelt eine neue Geschäftsordnung vorgelegt – ein entscheidender Punkt dabei war, dass der Vorstand Beschlüsse des Aufsichtsrats hätte operativ umsetzen müssen. Dazu hatten mein Vorstandskollege Ansgar Schwenken und ich zwei Anmerkungen. Unsere Position war, es sei nicht satzungskonform, dass der Aufsichtsrat in das operative Geschäft des Vorstandes eingreift. Zweitens stellte sich die Frage der Haftung für den Fall, dass der Aufsichtsrat etwas beschließt, das wir in der operativen Verantwortung hätten umsetzen müssen. Darüber wurde ein Gutachten gefertigt, und daraufhin kamen wir zu dem Ergebnis, dass es besser sei, unseren Vertrag aufzulösen. Dies hatte nichts mit Spielertransfers zu tun – in diesem Bereich waren die Abläufe ähnlich wie in Kaiserslautern. Angesprochen haben Sie auch Frank Lelle: Bei „Stars and Friends“ war er in erster Linie für Jugendspieler zuständig. Frank ist deshalb gut geeignet für die Position des Leiters des Nachwuchsleistungszentrums, weil er deutschlandweit mit seiner Erfahrung bereits Jugendspieler gescoutet hat und dabei in Verhandlungen mit Jugendleitern und Nachwuchsleistungszentren trat. Ein gewisser Kenntnisvorsprung also, der ihm in seinem Amt zu Gute kommt. Die in „SportBild“ angesprochene Situation um den Transfer des Spielers Sestak, in die Frank Lelle nur am Rande wegen seiner Arbeit für „Stars and Friends“ eingebunden war, war folgende: „Stars and Friends“ hatte von dem Spieler den Auftrag, einen möglichen neuen Verein zu finden. Gleichzeitig hatte eine andere Agentur vom Verein des Spielers den Auftrag, für ihn einen neuen Club außerhalb der Slowakei zu finden. Dadurch kam es zu der Irritation. „Stars and Friends“ hat sich jedoch nach einem sofortigen klärenden Gespräch vor Ort selbstverständlich zurückgezogen. Der Transfer wurde schließlich mit dem Vereinsberater Juraj Venglos abgewickelt und abgerechnet.

Wochenblatt: Und Ihr Verhältnis zu Baumgarten?

Kuntz: Lars-Wilhelm Baumgarten war bis 1. Januar 2011 Geschäftsführer der Agentur „Stars and Friends“, einer der größten Agenturen Europas, die über 450 Spieler vertritt und mit der man automatisch in Kontakt kommt, wenn man im Profifußball arbeitet. Hier muss man trennen. Baumgarten ist ja mittlerweile von „Stars and Friends“ gelöst. Von ihm waren oder sind die Spieler Martin Amedick und Christian Tiffert beim 1. FC Kaiserslautern. Beides Spieler, die dem FCK zweifellos weitergeholfen haben.

Wochenblatt: Am Beispiel Christian Tiffert ist Baumgarten klar als Spielerberater ausgewiesen. Laut transfermarkt.de ist der Spielerberater des FCK-Stürmers Itay Shechter „ungeklärt“, bei Gil Vermouth tritt die Firma „Top Sport Services“ auf. Auf der offiziellen Webseite Baumgartens jedoch sind beide Transfers als Referenz angegeben. Welche Rolle spielt also die Agentur „Baumgarten Sports and More“ bei diesen konkreten Spielervermittlungen?

Kuntz: Von Baumgarten kam der erste Tipp, sich den Spieler genauer anzuschauen. Shechter hatte dann ein Angebot aus Hannover. Ein Mitarbeiter von „Stars and Friends“ hatte den Kontakt zum israelischen Berater hergestellt, als wir eingestiegen sind und ebenfalls unser Interesse bekundet haben, haben wir ausschließlich mit dem israelischen Berater Ronen Katzav verhandelt. Die Abrechnung erfolgte über die internationale Agentur von „Stars and Friends“.

Wochenblatt: Wieso steht der Transfer dann als Referenz auf seiner Webseite?

Kuntz: Da müssen Sie ihn schon selbstfragen...*

Wochenblatt: Laut kicker-Interview vom 2. April beschreiben Sie den Finanzbedarf des FCK als „nicht dringend“, um einen Transfer von Torwarttalent Kevin Trapp zur Saison 2011/12 nach Schalke in Höhe von fünf bis sieben Millionen Euro hätten realisieren zu müssen. Nun geht Trapp für vermutlich 1,5 Millionen Euro. Dem FCK gehen demnach also mindestens 3,5 Millionen Euro verloren. Ein Managementfehler? Oder wurde die entsprechende Vertragsklausel schlicht übersehen?

Kuntz: Erst einmal: Es gibt und gab kein schriftliches Angebot von Schalke, weder per SMS, Email, Fax oder Brief. Es gab ein mündliches Angebot für fünf Millionen Euro. Aufgrund des immer wieder aufkommenden Gerüchts, es hätte ein Angebot in Höhe von sieben Millionen vorgelegen, habe ich mich nochmals ausdrücklich bei Horst Heldt rückversichert. Schalke hat niemals sieben Millionen geboten. Jede Behauptung in diese Richtung – von wem auch immer – ist gelogen**. Von den faktischen fünf Millionen sollte zwingend der Moravek-Transfer abgezogen werden für rund 2,5 Millionen Euro. Den Spieler fanden wir mit 2,5 Millionen überbewertet. So wären für Trapp nur 2,5 Millionen Euro hängen geblieben. Kevin hatte damals neun Spiele in der Bundesliga, wir haben uns, also fast vor einem Jahr, entschieden, ihn in Kaiserslautern halten zu wollen und mit ihm über eine Vertragsverlängerung zu verhandeln. Wenn wir letztendlich von den 2,5 Millionen Euro die nun festgeschriebene Ablöse in Höhe von 1,5 Millionen Euro abziehen, dann liegen wir eher bei einer Million, und man sollte bei dieser Betrachtung eben auch die Ausgangslage vor einem Jahr berücksichtigen.

Wochenblatt: Der FCK-Aufsichtsrat weist in einer Stellungnahme darauf hin, der 1. FC Kaiserslautern verfüge „nicht über Mittel, komplett ausgebildete und erfahrene Bundesligaspieler zu verpflichten“. Andererseits: Für den Transfer Shechter aus einer allenfalls zweitklassigen Liga standen angeblich vier Millionen Euro, inklusive Beraterhonorare et cetera, zur Verfügung. Wieso der Transfer für diese Summe? Sie gelten als ausgewiesener Transferfachmann, in Bochum bescheinigte man Ihnen, ein „Schnäppchenjäger“ zu sein. Hat Sie bei Shechter Ihr Gespür verlassen?

Kuntz: Zum Thema Shechter werde ich bei der außerordentlichen Mitgliederversammlung am 9. Mai etwas sagen.

Wochenblatt: In der Sendung „Flutlicht“ vom 29. April vergleichen Sie Shechter mit Weltklassestürmern wie Mario Gomez oder Robert Lewandowski, die im ersten Jahr beim neuen Verein auch eine gewisse „Ladehemmung“ gehabt hätten. Hinkt dieser gewöhnungsbedürftige Vergleich nicht etwas? Schließlich haben Gomez und Lewandoski – im Gegensatz zu Shechter und Vermouth, die in der eher spielschwachen israelischen Liga kickten – zuvor ihre Bundesligareife konstant bewiesen, Gomez war gar Nationalspieler.

Kuntz: Eigentlich unterstützt dies doch meine Argumentation: Wenn selbst Nationalspieler und international erfahrene Spieler im ersten Jahr Anlaufschwierigkeiten haben...

Wochenblatt: Im zitierten „Flutlicht“-Interview haben Sie sich vor etwa einer Woche zu Shechter bekannt. Nun vermeldet das Sportmagazin kicker jedoch eine mögliche Trennung des israelischen Stürmerstars vom FCK. Ein Sinneswandel vor der Mitgliederversammlung?

Kuntz: Ich bin nicht dafür verantwortlich, was der kicker vermeldet. Wie gesagt: Zu Shechter werde ich mich am 9. Mai äußern.

Wochenblatt: Umgekehrt: Andrew Wooten sprach man bis vor wenigen Wochen die Bundesligareife ab. Die Fans in der Westkurve haben ihn jedoch regelrecht in die Mannschaft gesungen. Nun soll der Junge den Club mit seinen Toren zum sofortigen Aufstieg schießen, ein Vertrag wurde unlängst abgeschlossen. Hier ein Sinneswandel vor der Mitgliederversammlung?

Kuntz: Aus meiner Sicht gibt es keinen Sinneswandel vor der Mitgliederversammlung. Das suggeriert ja, dass hier Entscheidungen getroffen werden, um auf die Stimmung zu reagieren. Entscheidend ist einzig die Qualität eines Spielers. Außerdem entscheidet der Trainer, der täglich mit den Spielern arbeitet, wer spielt und wer nicht.

Wochenblatt: Finanzunabhängig scheinen andere Clubs dem FCK stets voraus zu sein. Denn selbst finanzschwache Vereine konnten ehemalige FCK-Spieler wie Axel Bellinghausen und Jan Moravek, beide nun beim Bundesligisten Augsburg, oder Erwin Hoffer, nun beim Zweitligisten Frankfurt, abwerben und für den eigenen Erfolg gewinnen. Nach welchen Kriterien funktioniert die Kaderplanung beim 1.FC Kaiserslautern?

Kuntz: Was heißt finanzschwache Vereine...? Bei Axel Bellinghausen war klar, dass – noch vor der Aufstiegssaison – ein Angebot aus Augsburg vorlag, mit dem wir nicht mithalten konnten. Eintracht Frankfurt hatte in der Zweiten Liga einen Etat für den Lizenzspielerkader in Höhe von 22 Millionen Euro. Wir haben in der Bundesliga mit am Ende wahrscheinlich rund 17,5 Millionen Euro agiert. Ich denke, dies entkräftet die Frage „Finanzschwäche“. Mit Walther Seinsch hat Augsburg überdies einen finanziell extrem involvierten Vorstandsvorsitzenden mit dem Kaliber unseres Hauptsponsors. Bei Moravek ergab sich außerdem die besprochene Hürde des Trapp-Transfers.


Nach-Gefragt

* Auf Nachfrage per Email bestätigt der Spielervermittler Lars-Wilhelm Baumgarten telefonisch die Darstellung von Stefan Kuntz. Er sei zwar nicht aktiv in die Transfers eingebunden gewesen, aufgrund seines Hinweises an den Verein habe er die Personalien jedoch auf seiner Webseite veröffentlicht, erklärt Baumgarten. Zugleich untermauert er, dass keine Korruption stattgefunden, jegliche Geschäfte sauber abgewickelt und Stefan Kuntz niemals von ihm Geld erhalten habe. Dafür lege er seine Hand ins Feuer.

** Der Rechtsanwalt Michael Becker, der Kevin Trapp betreute, erklärt auf Nachfrage telefonisch sowie per Email, dass es zwei Verhandlungsrunden bezüglich eines möglichen Wechsels von FCK-Torwarttalent Trapp nach Gelsenkirchen vor der Saison 2011/12 gegeben habe. Im Juni habe Schalke 04 fünf Millionen Euro für den Keeper geboten. Dieses Angebot sei vom FCK unmittelbar abgelehnt worden. Ende Juli, Anfang August habe es einen weiteren Versuch gegeben, den Spieler Trapp nach Schalke zu lotsen – in einer Größenordnung von sieben Millionen Euro. Konkret seien dabei die bereits gebotenen fünf Millionen Euro bestätigt und um Bonuszahlungen in Höhe von mindestens zwei Millionen Euro aufgestockt worden. Im Zusammenhang mit diesen Bonuszahlungen habe man auch über eine mögliche „Verrechnung“ mit dem damals an den FCK ausgeliehenen Spieler Jan Moravek gesprochen. Letztendlich fand der Transfer jedoch nicht statt. Trapp wechselte im Herbst die Beraterfirma. Heute wird der Torwart von „SportsTotal“ betreut. Jene Firma berät laut transfermarkt.de unter anderem die FCK-Profis Oliver Kirch, Richard Sukuta-Pasu und Lucas.

** Eine telefonische Anfrage im Umfeld von Schalke 04 bestätigt die Darstellung Beckers. (ae)

(Der Artikel ist erschienen in der aktuellen Ausgabe des Kaiserslauterer „Wochenblatts“. Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.)

Quelle: Wochenblatt

Weitere Links zum Thema:

- Eine Recherche mit Herzblut (Wochenblatt, vom 24. April 2012)

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