Spielbericht: 1. FC Kaiserslautern - Alemannia Aachen 1:1

„Kurz-Passspiel“ mit Luftnot bleibt ohne Happy End

„Kurz-Passspiel“ mit Luftnot bleibt ohne Happy End


Die negative Nachricht war, dass nur 28.079 Zahlende den FCK im Spitzenspiel gegen Aachen sehen wollten. Natürlich ist das an einem Sonntag, um 13:30 Uhr, viel. Dennoch, blickte auf Nord- und Südtribüne, musste man schon mal mit dem Kopf schütteln. Wo sind die FCK-Fans? Ist daran nur die DFL schuld, nur das „All-In-Weekend bei Pay-TV-Sender Sky? Oder auch die fehlende Euphorie im vierten Zweitligajahr, in dem offiziell nur „Platz 3 bis 7“ das Saisonziel ist, vielleicht auch die angehobenen Eintrittspreise?

Etwa 700 mitgereiste „Öcher“ setzen sich farbenfroh ab, waren aber vielleicht ob der blamablen Tivoli-Einweihung gegen St. Pauli (0:5) so geschockt, dass man sie nur hauchzart akustisch wahrnahm. Das kann die Alemannia besser! Aber ein schönes Banner für den verunfallten Pauli-Fan vom Montag, den besten Wünschen schließen sich sicher alle FCK-Fans an: „Alles Gute, Sven!“ Daumen hoch!

Ebenfalls beteiligten sich die Schlachtenbummler aus Aachen dem Aktionstag zum Thema Pay-TV mit einem „Boycott Sky“-Transparent. Auf Lautrer Seite war selbiges mit dem Zusatz „Love Hell“ in Block 8.2 zu sehen, dazu hinter dem Tor der Spruch „Football is for you and me, not for fucking pay-tv“. Später gab es in der gut gefüllten Westkurve weitere Spruchbänder, etwa „Trommler statt Kameras!“ (aufgrund der Rückversetzung der Trommler in die Kurve) und „Pfeife bleibt Pfeife, Herr Heynemann!“ (aufgrund eines Interviews von Ex-Schiedsrichter Bernd Heynemann zum Thema Fußballfans).

FCK-Trainer Marco Kurz brachte die erfolgreiche Elf der ersten zwei Spiele, in gleicher taktischer Formation wie beim Auswärtssieg in Ahlen. Lautern legte wie in den letzten beiden Kicks gleich los mit Offensiv-Fußball, erspielte sich früh gute Chancen durch Ivo Ilicevic und Adam Nemec, das hätte es schon rappeln können. Aachen stand deshalb bald sehr tief und kam mit dem guten Flügelspiel der Roten Teufel nicht gleich klar. So ergaben sich weitere Chancen und dann pfiff der eigentlich umsichtige Schiri Kempter einen klaren Rückpass der Aachener nicht - die Lautrer hätten bereits nach 15 Minuten mit 3:0 führen können... oder vielleicht müssen.

Was insgesamt auffiel war das fast perfekte „italienische“ Abwehrspiel in der Viererkette bis zu diesem Zeitpunkt. Martin Amedick und Rodnei ließen nichts zu in der Mitte, waren immer schneller am Ball und hatten Lufthoheit. Florian Dick und Alexander Bugera offensiv, bedienten oft schön Bastian Schulz, Georges Mandjeck oder Sidney Sam. Die beiden letzteren kamen gut über die Außen, machten so enorm Druck auf Aachens anfänglich desorientierte Defensive, in der außer Herzig keiner wusste, wo Westen ist. Alles lief prima! Kurzpassspiel wie einst beim SC Freiburg, schnelle Vorstöße über die Flanken wie bei Meister Wolfsburg, und eine Abwehr aus Granit, so wie einst.... Der FCK in dieser ersten Viertelstunde absolut auf Erstliganiveau! Wir „spielen“ wieder Fußball! Danke, Marco Kurz!

Doch dann kam er eben, der erste Stellungsfehler. Aachens Auer nur passiv, Amedick zu tief und Gueye ist durch, allein vor Tobias Sippel, der sich gottseidank nicht hinreißen lässt und ihn umrennt. So kurvt der Senegalese um Lauterns Schlussmann herum und schießt aus einem Meter locker ein. Unverdiente und schmeichelhafte Führung für die Westdeutschen (17.) Gueye legte sich gleich mal mit der Westkurve an, was ihm ein Kollege allerdings schnell ausredete, doch fortan war jeder seiner Ballkontakte deutlich zu „hören“ und er bekam so recht keinen Fuß mehr auf den Boden. Verzockt, mein Bübchen!

Wer am Betze war, sah jedoch im Gegensatz zu den meisten Zeitungsberichten, dass der FCK in keiner Weise geschockt war, nur verärgert. Schon acht Minuten später hatte Jendrisek die beste Möglichkeit mit einer Doppelaktion quasi aus fünf Metern konnte er Stuckmann nicht überwinden, unglaublich. Zuvor und danach hatte Nemec sehr gute Situationen. Der FCK war in allen Belangen überlegen, aber Aachen lag eben vorn.

Nach der Pause riefen die Ultras per Banner auf, am übernächsten Mittwoch, den 02. September in die Baracke zu fahren und die FCK-Amateure zu pushen, was ich hier noch mal bekräftigen möchte: „Alle nach Mannheim!“

Zweite Hälfte wie immer? Nö - auch hier überraschte der FCK. Es ging gleich ab nach vorne, die Jungs hellwach, was ja nicht stetig nach dem Pausentee der Fall ist. Schulz konnte das erforderliche Tempo zentral allerdings nicht mehr mitgehen, die Spielverlagerung auf die Außen nahm zu. Kurz reagierte richtig und brachte früh Dragan Paljic (56.), der nun etwa fünf Meter vor Mandjeck agierte. So ist recht, Herr Kurz! Wer hinten liegt und spielerisch wie taktisch überlegen ist, darf sich nicht einigeln!

Der kleine Hänger dauerte bis zur 61. Minute, als Ilicevic mit einer Außenrist-Zuckerflanke a la Beckham Nemec bediente, der allerdings leider versuchte ins Kreuzeck zu zielen, statt den Ball nach unten zu drücken. Das war dann schon die fünfte „Hundertprozentige“ in diesem Spiel! Und da liegt dann wohl der Hase im Pfeffer! Nur eine gefühlte Sekunde später erneut der überaus agile Jendrisek aus der Drehung - wieder hält Stuckmann! Zum Haare raufen! Zudem ermüdeten nun, wie in den vergangenen Wochen, die Offensivkräfte zunehmend, vor allem Nemec und Sam. Allerdings konnten das Rodnei von hinten raus und vor allem Mandjeck ausgleichen, die viele „Meter machten“. Man hatte insgesamt nicht das Gefühl, dass Aachen als Sieger vom Platz gehen würde. Der FCK war einfach „zu gut drauf“!

Zwar stand auch die Alemannen-Abwehr nun sicherer, Burkhard und Fiel ließen sich weit nach hinten fallen, quasi Sechserkette. Doch man bleib bei Kontern gefällig, wenn gleich auch ungefährlich. Mandjeck und Rodnei hatten je einen Aussetzer, aber ohne Konsequenzen.
Dann hatte Aachen - exakt eine Stunde nach dem 0:1 - seine immerhin zweite Torchance. Das soll nicht abwertend klingen, war aber so. Oussale durch wie einst Gueye, doch diesmal kommt Rodnei angeflogen und grätscht ihn auf Betze-Art weg, trifft dabei freilich nur den Ball... geschwitzt! Ein unsicherer Schiri hätte hier Elfer und Rot geben können, das war Risiko.

Dann der Auftritt von Dragan „Okocha“ Paljic. Was der da in der 71. Minute mit dem Ball auf der Grundlinie fabrizierte, zauberte etwa zehn Sekunden lang „Ahs“ und „Ohs“ auf die Lippen der Zuschauer, er spielte und spielte und noch einen Haken links und wieder rechts, und beinahe Aus, „aaaaah“, doch nicht, er macht und trickste genauso lange, bis Ilicevic am kurzen Pfosten etwa zwei Meter entfernt einschußbereit postiert war und dann kam er, der „Kurz-Pass“, den sie seit Rundenbeginn so überaus, erfolgreich praktizieren, die Jungs. Ivo hielt den Fuß rein und es war endlich passiert! Überfällig, hochverdient, absolut mega-geiles Tor! Wer mir unter Ex-Trainer Milan Sasic gesagt hätte, dass ich nochmal solche Kabinettstückchen aus etwa nur 15 Metern Entfernung am Betze bewundern werde, den hätte ich wohl ausgelacht. 1:1 - und noch 20 Minuten Zeit, „Jetzt geht's looooooos“ heulte der Mob! Auf geht's Teufel!

Doch die Aufholjagd forderte Tribut aufgrund der Hitze und der vielleicht bei nur etwa 80% liegenden Kondition. Bugeras Rückpass auf Sippel läutete so die letzte Drangphase der Aachener ein... eigentlich auch die erste. Lauterns Nummer 1 konnte den viel zu kurzen Ball gerade noch erreichen und klären. Die letzten zehn Minuten gehörten keinem, beide hätten den Siegtreffer machen können. Adlung hatte die größte Chance dazu, die 28.079 Zuschauer im Fritz-Walter-Stadion sahen den wohl auch schon zappeln, doch Sippel reagierte in bester Ehrmann-Manier, furchtlos und kompromisslos. Wenn Adlung da hätte vorbei wollen, hätte er sich weh getan. Zu diesem Zeitpunkt, im Gegensatz zum 0:1, die richtige Entscheidung von Tobi und er hatte den verdienten Erfolg, blockte den strammen Schuss ab.

Ex-Nationaltorwart Eike Immel hat'˜s schon immer gewusst: „Im Großen und Ganzen war es ein Spiel, das, wenn es anders läuft, auch anders hätte ausgehen können.“

Dennoch: Der FCK verliert zwei Punkte, weil er die Mannschaft ist, die in der Liga die meisten Großchancen auslässt und aus seiner Feldüberlegenheit zu wenig macht - 8:0 Ecken plus Standards aus dem Halbfeld, 69% Ballbesitz, 84% Passquote und 19 Torschüsse sind wahrlich genug.

Der wichtigste Aspekt dieses Fußballsonntags ist jedoch, was man spielerisch sah und wie vor allem nach dem Rückstand auch noch geduldig und taktisch diszipliniert weiter gespielt wurde, garniert mit Augenschmaus-Aktionen im Viertelstundentakt. Ich wiederhole mich, Marco Kurz bringt zum ersten Mal seit Ex-Trainer Erik Gerets eine Taktik auf den Berg, die man als Fußball spielen bezeichnen kann - wobei hier nach drei Spieltagen natürlich noch keine abschließende Bilanz gezogen werden sollte. Zudem hat er, wie zuletzt unter Otto Rehhagel, auch die richtigen Spieler dazu ausgewählt, zusammen mit dem Vorstandsvorsitzenden Stefan Kuntz natürlich. Das passt! FCK-Kapitän Martin Amedick hat das Schlusswort: “Es ist absolut positiv, wie wir aufgetreten sind. Wir haben die Ruhe bewahrt und unsere Linie beibehalten. Letztlich haben wir sie geknackt.“

Nach dem Spielverlauf allerdings mindestens einmal zu wenig. Am Wochenende des 20. September treffen am Millerntor die beiden zurzeit wohl besten Zweitligateams aufeinander. Doch zuvor muss der FCK in Paderborn und gegen Duisburg beweisen, dass er Killerinstinkt besitzt!

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Rossobianco

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