Spielbericht: 1. FC Kaiserslautern - Schalke 04 5:0

 Enthusiasmus gegen Orientierungslosigkeit, oder: Schalke Null-Fünf

Enthusiasmus gegen Orientierungslosigkeit, oder: Schalke Null-Fünf


49.474 Besucher kamen an einem eiskalten aber sonnigen Samstagnachmittag zum Spiel des 1. FC Kaiserslautern gegen Schalke 04 ins Fritz-Walter-Stadion. Darunter befanden sich knapp 6.000 Gästefans, die sich zunächst auch sehr lautstark in Szene zu setzen wussten. Später war ihnen das Singen allerdings vergangen - doch der Reihe nach...

Vor Spielbeginn gab es zunächst einmal in der Westkurve eine erneut sehr gelungene Choreographie zu sehen. Das „Pfalz Inferno“ feierte mit seiner ersten richtig großen Aktion sein zehnjähriges Bestehen, gezeigt wurde neben Fähnchen und Spruchband eine aufwändig gestaltete Blockfahne mit den wichtigsten Symbolen des Gruppenlebens: Fritz Walter, die Gruppe selbst, der FCK und die Pfalz.

FCK-Trainer Marco Kurz brachte mit dem wiedergenesenen Florian Dick für den gesperrten Thanos Petsos nur einen neuen Spieler in die Partie. Dick nahm seine angestammte Position hinten rechts wieder ein, dafür rückte Oliver Kirch ins defensive Mittelfeld.

Die Schalker, seit Mittwoch frischgebackener Achtelfinalist der Champions League, nahmen das Selbstvertrauen des Sieges gegen Lyon auf und begannen die Partie höchst aggressiv. Sie pressten sehr gut, attackierten den FCK früh und zwangen diesen dadurch zu Fehlern im Spielaufbau. Das alles klappte allerdings nur sieben Minuten lang. Dann gab es die erste Ecke für die Roten Teufel, getreten von Christian Tiffert und verwandelt per Kopf durch Srdjan Lakic, der von Christoph Metzelder am Fünfmeterraum vergessen worden war (7.). Nun tobte der Betze zum ersten, weiß Gott aber nicht zum letzten Mal an diesem winterlichen Nachmittag. Die Stimmung war von Anfang an großartig: deftig, spielbezogen und laut. Ein Pfeifkonzert jagte das nächste, der Anhang schrie und sang seine Farben nach vorne. Die Zuschauer als wirklicher zwölfter Mann, so wie es sein muss.

Nach dem frühen Rückstand war es schon fast vorbei mit der Schalker Herrlichkeit. Offenbar geschockt durch keineswegs nur kämpferisch überzeugende, sondern nun auch spielerisch auftrumpfende Lautrer ließ man sich mehr und mehr den Schneid abkaufen. Nach 16 Minuten hätte es schon 2:0 stehen müssen, doch zunächst scheiterte der freistehende Ivo Ilicevic an Nationalkeeper Manuel Neuer, der sich ihm mutig an der Strafraumkante entgegenwarf, den Nachschuss von Jan Moravek hielt der in sein Tor zurück stürzende Neuer ebenfalls glänzend. Nach dem anschließenden Eckball kam schließlich Stiven Rivic ans Leder, servierte dieses dem völlig freistehenden Mathias Abel mustergültig auf den Fuß, doch dieser verzog aus nur fünf Metern. Schalke war nun völlig verunsichert und mit dem knappen Rückstand bestens bedient. Kaum einmal kamen die Knappen nun noch erfolgsversprechend vor das Tor von Tobias Sippel.

Nach 39 Minuten gab es wieder einmal einen Eckball für den FCK, natürlich schaufelte erneut Tiffert den Ball in den Strafraum. Da Lakic dieses Mal gedeckt war, köpfte der Einfachheit halber Kapitän Martin Amedick das Runde ins Eckige - 2:0 für Lautern. Nun glaubten auch die größten Pessimisten an den Sieg. Doch eine Minute vor der Pause schien doch noch ein Schalker Treffer fällig.

Nacheinander fiel der Ball den freistehenden Topstars Klaas-Jan Huntelaar und Raúl auf die Füße, doch Sippel parierte beide Bälle in geradezu unglaublicher Manier. Das ganze Stadion erhob sich und feierte den Torhüter mit Standing Ovations. Pause.

Vom königsblauen Anhang war schon seit Mitte der ersten Halbzeit nicht mehr sehr viel zu hören, nach dem Wechsel rührten sie sich nochmal kurzzeitig. Die Schalker Leihgabe Jan Moravek scheiterte kurz vor und nach der Pause noch zweimal und vergab das 3:0 für die Gastgeber. Dieses fiel jedoch wenig später, in der 56. Spielminute: Einen erneuten Zuckerpass des herausragenden Tiffert nahm wieder Lakic auf, lief noch ein paar Meter auf Neuer zu und versenkte die Kugel trocken - sein neuntes Tor in der Bundesliga. Der Betze bebte, das Stadion kochte, welche Freude konnte man in den jahrelang leidgeplagten Gesichtern vieler FCK-Freunde erkennen. Um wieder einmal ein solches Spiel sehen zu können, dafür hatte man viele Demütigungen in einer falschen Liga fast klaglos erduldet. Und wer noch nicht wusste, was eine Depression ist, der musste nur mal in die Gesichter der nun paralysierten Schalke-Anhänger schauen. Damit hatten sie nie und nimmer gerechnet. Die Fans der Gastgeber hingegen waren geradezu ekstatisch, die Stimmung war selbstredend bestens.

Sinnbildlich eine Szene vor dem FCK-Tor, als der mit nach vorne gegangene Metzelder nach einem Zweikampf benommen zu Boden ging, von den Betreuern aufgepäppelt Richtung Mittellinie wankte, bevor er dann zur Torauslinie taumelte und das Spielfeld verließ, das er ja wegen seiner Behandlung regelkonform auch verlassen musste. Pure Orientierungslosigkeit, auch im übertragenden Sinne auf Schalker Seite.

Da überraschte es nicht mehr besonders, dass eben jener Metzelder in der 76. Minute Lakic im Strafraum foulte und Schiri Günter Perl folglich auf den Punkt zeigte. Ivo Illicevic verwandelte humorlos, auch für ihn schon der fünfte Saisontreffer. Nachdem Trainer Kurz noch dreimal ausgewechselt hatte und Pierre de Wit, Adam Nemec sowie Ilian Micanski für Tiffert, Lakic und Ilicevic gebracht hatte, markierte ausgerechnet Moravek nach großartiger Vorarbeit von Dick zwei Minuten vor dem Ende noch das 5:0. Zuvor hatten die FCK-Fans schon ironischerweise mehrfach „Schalke Null-Vier“ besungen, nun eben „Schalke Null-Fünf“ (beziehungsweise „Scheiße Null-Fünf“). Ein enthusiastischer und großartig aufgelegter 1. FC Kaiserslautern hatte seinen hochdekorierten Gästen eine Lehrstunde erteilt.

Der Schlusspfiff ging fast unter im ohrenbetäubenden Jubel im Fritz-Walter-Stadion. Westkurve und Südtribüne sangen und hüpften im Einklang, Teile der Ost- und Nordtribüne schlossen sich an. Marco Kurz wurde als „bester Mann“ genauso gefeiert wie die Mannschaft, die auf ihrer langen Ehrenrunde immer wieder von niedergeschlagenen, sich auslaufenden Schalkern überholt wurde - deren Trainer Felix Magath, bedacht mit lautstarken „Magath raus“-Rufen der FCK-Fans, zeigte sich hier von seiner gnadenlosen Seite. Zuvor mussten sich die hochbezahlten Gästekicker noch ein wüstes Pfeifkonzert ihrer wenigen verbliebenen Fans in der Ostkurve anhören.

Dies war den FCK-Fans aber reichlich egal, sie begannen schon zu kalkulieren, wie wohl das Spiel am Millerntor nächste Woche enden könnte. Darauf darf man in der Tat gespannt sein. Das nötige Selbstvertrauen für weitere Großtaten ist jedenfalls bei den Männern in Rot vorhanden!
 

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Altmeister

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