Spielbericht: 1860 München - 1. FC Kaiserslautern 0:1

Florian Riedel. Matchwinner.

Florian Riedel. Matchwinner.


Mieses Auftaktspiel zum Re-Start nach der Winterpause. Der 1. FC Kaiserslautern müht sich vor gähnend leeren Rängen in der Münchner WM-Arena gegen den TSV 1860 und alle richten sich schon langsam auf ein 0:0 ein. Aber dann kommt Florian Riedel...

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Montagabend in München: Während Deutschland die Füße hochlegt und sich vom ersten Arbeitstag der Woche erholt, sind rund 1.500 FCK-Fans in die bayrische Landeshauptstadt gereist, um ihr Team beim ersten Pflichtspiel des neuen Jahres zu unterstützen. Insgesamt haben sich nur 19.100 Zuschauer in der Arena eingefunden, die bei nasskaltem Schmuddelwetter eine etwas magere Kulisse bilden. Die Anhänger der Münchner Löwen zeigen zum Spielbeginn eine Choregraphie mit weiß-blauen Bändern und einem Spruch, der sich an diesem Abend auch für den FCK bewahrheiten wird: „Der Chaosverein lebt wie eh und je.“

Die Schlachtenbummler aus der Pfalz haben es derweil schwer. Ohne Vorsänger mühen sich die Betze-Fans zu einem Support ab, der aufgrund der äußeren Bedingungen (Montagsspiel, Winter, schlechtes Spiel, leeres Stadion, Megaphon verboten) wohl auch mit Vorsänger nicht besser geworden wäre. Der rote Faden der schlechten Stimmung in dieser Saison setzt sich auch im Jahr 2013 fort und erst in der zweiten Halbzeit gibt ab und zu der ganze Gästeblock gemeinsam Gas. Erwähnenswert wie immer gegen die Sechzger: Die Fanfreundschaft lebt und neben vielen blau-roten Schals gibt es zwischendurch auch entsprechende Gesänge, von „Sechzig und der FCK“ bis „Scheiß FC Bayern“.

Auf dem Rasen zeigt der FCK nach sieben Wochen Pause ein neues Gesicht. Mit Chris Löwe, Markus Karl, Benjamin Köhler und Mitchell Weiser stehen gleich vier Wintertransfers in der Startformation, später beleben mit Christopher Drazan und Jimmy Hoffer zwei weitere als Einwechselspieler die Partie. Darüber hinaus ändert FCK-Trainer Franco Foda sein System und opfert im neuen 4-1-3-2 einen defensiven „Sechser“ zugunsten eines zweiten Stürmers.

Der Auftakt des neuen Teams gestaltet sich aber zäh, die Löwen sind ein harter Gegner. Kein Wunder, schließlich könnten sie sich mit einem Heimsieg und dann nur noch zwei Punkten Rückstand im Aufstiegsrennen zurückmelden. Entsprechend motiviert gehen die Gastgeber zu Werke und treffen unter anderem die Latte durch den Ex-Lautrer Daniel Halfar. „Höhepunkt“ der ersten 45 Minuten aus Lautrer Sicht ist der (unabsichtliche) Einsatz von Mo Idrissou als Kieferorthopäde, der seinen Gegenspieler Kai Bühlow blutüberströmt und mit einem Zahn weniger vom Platz schickt - es geht um viel, das spürt man!

Dennoch oder gerade deswegen wird das Spiel nicht hochklassig und bleibt auch im zweiten Abschnitt chancenarm. Belebung kommt auf FCK-Seite erst mit der Einwechslung der beiden neuen Österreicher nach einer guten Stunde. Zuvor konnte sich die Mittelfeldreihe mit Weiser, Köhler und Mimoun Azaouagh nicht so recht durchsetzen, verwirrte den Gegner aber immer wieder durch schnelle Positionswechsel - die taktischen Möglichkeiten scheinen sich durch die Neuzugänge zumindest nicht verringert zu haben. Bester Lautrer: Markus Karl, der in der defensiven Mittelfeldzentrale ein starkes Debüt abliefert.

In der Schlussphase ist nun Schwung drin, viele Gelegenheiten auf beiden Seiten, aber weiter keine Tore. 75 Minuten gespielt, 80, 84, 85, 86... langsam verrinnt die Zeit und die Zuschauer beginnen, sich mit einer Nullnummer abzufinden. Immerhin, für den FCK würde das drei Punkte Vorsprung auf Platz 4 bedeuten und einen Rückrundenstart, mit dem man irgendwie leben kann. Wenigstens den Verfolger aus München auf Distanz gehalten, Cottbus hat auch nur Unentschieden gespielt, aber Köln und Ingolstadt drücken nach ihren Heimsiegen von hinten.

Und dann kommt Florian Riedel: Der gelernte Rechtsverteidiger trabt vom Aufwärmen zur Ersatzbank, streift sein Trikot über. Er erhält seine Instruktionen von Co-Trainer Thomas Kristl. Danach noch kurz beim Cheftrainer vorbei, zum Abklatschen. Und rauf aufs Feld.

Bei seinem ersten Einsatz für die Roten Teufel, im September gegen Braunschweig, war Riedel noch wegen einer übermotivierten Blutgrätsche vom Platz geflogen - nach gerade mal sieben Minuten. In München brauchte der 22-jährige nun sogar nur 48 Sekunden, um zum Matchwinner zu werden: Eine Flanke von Drazan landet irgendwie bei Riedel. Der fasst sich ein Herz und haut einfach drauf. Tor. TOR! TOOOOOR!!! Das nicht mehr erwartete 1:0 für die Roten Teufel, ein echter Big Point in der 87. Minute. Ekstase auf dem Platz, wo Torschütze, Mitspieler und Ersatzleute aufeinander zu rennen. Und Ekstase natürlich auch im Gästeblock, wo der Zaun gestürmt wird und Bierduschen durch die Luft fliegen. Wenige Minuten später ist es Gewissheit: Auswärtssieg!

Die dreckigen Siege, die unerwarteten in der letzten Minute sind eben doch die schönsten! Jetzt ist das miese Wetter egal, das schlechte Spiel, das leere Stadion, das verbotene Megaphon, die fünf, sechs Stunden Rückfahrt zum klingelnden Wecker, der viel zu früh den neuen Arbeitstag einläuten wird. Mannschaft und Fans feiern noch eine Weile am Zaun. Der FCK antwortet den vielen Skeptikern mit Punkten: Fünf Zähler beträgt momentan der Vorsprung auf den Tabellenvierten Union Berlin, während ganz oben Braunschweig und die Hertha fast uneinholbar ihre Bahnen ziehen. Den Relegationsplatz „mit Messern und Gabeln verteidigen“ (Martin Wagner) heißt jetzt die Aufgabe für die nächsten Wochen. Alles weitere wird sich zeigen.

Für eine kleine Busreisegruppe von FCK-Fans endete die Nacht mit einer 90-minütigen Verlängerung irgendwo in der pfälzischen Pampa, weil der Busfahrer Kaiserslautern ohne Sprit zu erreichen meinte. Irgendwann fielen dann aber doch alle Schlachtenbummler in die Federn oder gingen gleich zur Schule, zur Uni, zur Arbeit. Mit dabei hatten sie die Freude über einen wichtigen Auswärtssieg.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Thomas

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