Spielbericht: TSG Hoffenheim - 1. FC Kaiserslautern 3:1

Da geht noch was!

Da geht noch was!


Der 1. FC Kaiserslautern hat das Relegationshinspiel bei der TSG Hoffenheim mit 1:3 verloren, aber dank seiner magischen Fans auch etwas (zurück)gewonnen: Die Erkenntnis, das alles möglich ist!

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„Das Vorspiel im Stadion war dann auch recht deftig. Bei den Schmähgesängen, vor allem aus dem Lauterer Block, fühlte man sich doch etwas unangenehm an den rauen Ton der 80er Jahre erinnert“, schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung nach dem Relegationsabend von Sinsheim. Diese Worte sind wohl als Kompliment aufzufassen. Denn was die über 6.000 mitgereisten FCK-Fans in der Rhein-Neckar-Arena zeigten, erinnerte tatsächlich an alte Zeiten - glorreiche alte Zeiten! Schon mehr als eine Stunde vor Anpfiff waren die lautstarken Gesänge aus dem Gästeblock bis auf den Stadionparkplatz und darüber hinaus zu hören. Doch das war nur das Vorglühen für den eigentlichen Höhepunkt des Abends, als die Schlachtenbummler aus der Pfalz das Fußballspiel in den ersten 25 Minuten nach der Halbzeitpause beinahe gedreht hätten. Episch!

Was hatte Dietmar Hopps Fußball-Spielbetriebs GmbH nicht alles versucht, um die FCK-Fans vom Besuch dieses Spiels abzuhalten. Freier Eintritt für alle 16.500 Dauerkarteninhaber, verlängerter Vorverkauf nur für TSG-Mitglieder, 700 verschenkte Tickets für SAP-Mitarbeiter, zig hundert, Gerüchten zufolge sogar tausende Freikarten für Kooperationspartner. Eine für ein offiziell mit 30.150 Zuschauern ausverkauftes Spiel beachtlich hohe Zahl an Schalensitzen blieb sogar komplett leer. Und trotzdem schafften es mehr als doppelt so viele FCK-Fans wie von den Gastgebern gewünscht, sich Zutritt zum Hinspiel des Jahres zu verschaffen. Die Lautrer hätten das Stadion auch alleine füllen können, wenn man sie gelassen hätte.

FCK-Trainer Franco Foda ließ seinen offensiven Worten Taten folgen und bot Jimmy Hoffer als zweite Sturmspitze neben Mo Idrissou auf. Rätselhaft bleibt allerdings, warum Foda diesen beiden, die in der Rückrunde noch nicht viel gemeinsame Spielpraxis sammeln konnten, nicht schon im Spiel gegen St. Pauli die Möglichkeit zum Einspielen über 90 Minuten bot. Wie dem auch sei, die Roten Teufel begannen im 4-4-2-System mit offenem Visier und boten den technisch überlegenen Hoffenheimern zunächst Paroli. Gerade in entscheidenden Relegationsspielen ist der finanzielle Faktor oft nicht der ausschlaggebende, der fast vierfache Spieleretat des Hopp-Teams machte sich dann aber doch früh bemerkbar: Roberto Firmino, dem von Ex-Trainer Marco Kurz noch die Fähigkeit zum Abstiegskampf abgesprochen wurde, sorgte mit einem Doppelpack (11., 29.) für Ernüchterung beim FCK. Vorbereitet wurden die Tore von Sejad Salihovic und Andreas Beck - überhaupt stellt man sich bei der Aufstellung der Hoffenheimer die Frage, wie eine so teure Mannschaft überhaupt ernsthaft in Abstiegsgefahr geraten konnte. Erwähnenswerte Szene am Rande: Nach dem 1:0 rannte Torschütze Firmino direkt zum Gästeblock, die halbe Mannschaft springend, jubelnd, faustschwingend, provozierend hinterher. Sieht so also das von den Vereinen vor dem Spiel groß propagierte „Fairplay auf und neben dem Platz aus“?

Mit dem 0:2-Rückstand ging es auch in die Halbzeit, was der guten, kämpferischen Stimmung bei den FCK-Fans jedoch keinen Abbruch tat. Im Gegenteil: Jetzt ging es erst richtig los! Von den Ultras ausgehend wurde ein Dauergesang gestartet, der immer lauter und lauter wurde. Das Motto der rot-weiß-roten Choreographie vor Spielbeginn „Alles geben! Lautern oben seh'n!“ wurde sinnbildlich aufgegriffen und mit „Lautern allez, allez“ in ungeahnte Dezibelstärke gepusht. Der ganze Gästebereich inklusive der benachbarten Blöcke stand auf seinen Sitzen, die nicht für den Kader nominierten Innenverteidiger Jan Simunek (verletzt) und Mathias Abel hüpfend und singend mittendrin, und der Bogen vom „rauen Ton der 80er Jahre“ zum von den Älteren gerne mal kritisierten „Ultra-Singsang“ war geschlagen. Es geht doch!

Spieler und Fans machten sich jetzt gegenseitig heiß, wie man es aus besseren Betze-Zeiten kennt. Und wem sonst sollte es vorbehalten gewesen sein, diese magischen Minuten mit einem Tor zu krönen, als Lauterns Goalgetter Mo Idrissou (58.). Der Torschrei des Lautrer Anhangs brachte die Arena zum wackeln! Und weiter ging es: „Lautern allez, Lautern allez“ - es war einfach nur laut und emotional. Die TSG-Spieler waren sichtlich beeindruckt von der plötzlichen Kraft ihrer Gegner und gerieten tatsächlich kurz ins schwimmen.

Bis, ja bis Hoffenheims Trainer Markus Gisdol ein glückliches Händchen bewies und Sven Schipplock einwechselte, der nach nur zwei Minuten mit dem 3:1 den alten Abstand wiederherstellte (68.). Vorausgegangen war ein schwerer Patzer des frisch zum „FCK-Spieler der Saison“ gekürten Marc Torrejón - bitter! Jetzt war die Luft erstmal raus. Erst eine minutenlange Verletzungsunterbrechung nach dem Zusammenstoß zweier TSG-Spieler brachte wieder etwas Emotion auf dem Platz und auf den Rängen, doch es sollte nicht mehr sein. Der FCK geht also mit einem 1:3-Rückstand in die „zweite Halbzeit“ der Relegation.

Das Spielergebnis von Sinsheim war unter dem Strich ernüchternd, und doch hat der ganze Abend bei vielen Fans auch neue Hoffnung geweckt. Da ist immer noch etwas in uns drin, was in den letzten zwei Jahren irgendwie verloren zu gehen schien. Dieses Gefühl der Einheit in der Fankurve, das sich nur schwer in Worte fassen lässt. Mit einem grandiosen „You'll never walk alone“ wurden die sichtlich beeindruckten Spieler in die Kabine und ins Rückspiel geschickt. Trotz der verdienten Niederlage und obwohl TSG-Trainer Gisdol das Spiel seiner Mannschaft sogar noch als schlecht bewertete, verließen viele FCK-Fans das Stadion mit dem Gefühl: Da geht noch was!

Klar ist aber auch, dass die Geldmaschine aus Hoffenheim nur mit 50.000-facher Unterstützung von den Rängen bezwungen werden kann. Wenn das Hinspiel in Sinsheim eine Erkenntnis gebracht hat, dann jene über den nach wie vor vorhandenen Einfluss des Publikums auf die Spieler und der Spieler auf das Publikum. Am Montag muss der Rasen umgepflügt werden und der Betze muss brennen. Wilde Tiere sollt Ihr sein!

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Thomas

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