Spielbericht: 1. FC Kaiserslautern – VfL Bochum 2:2

Der erste hörbare Fan-Frust

Der erste hörbare Fan-Frust


Der vermeintliche Siegtorschütze Sebastian Jacob war gefühlt schon auf dem Zaun, als der VfL Bochum gegen den 1. FC Kaiserslautern das 2:2 machte. Doch auch die drei Punkte hätten nicht darüber hinweggetäuscht, dass der FCK zwei Baustellen hat. Welche das aus Fansicht sind, erörtert Marky in seinem Spielbericht.

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Das erste Pfeifkonzert - mit Trillerpfeifen - gab es beim Einlaufen der Mannschaften, das zweite - mit den Fingern - folgte beim Halbzeitpfiff. Nach dem Schlussgong war gespenstische Stille, der Betze leerte sich gefühlt binnen einer Minute. Als die Mannschaft in die Kurve kam, standen dort höchstens noch zwei- bis dreitausend Fans. Immerhin klatschte man sich tapfer zu.

Der sonderbare Fußballabend begann mit einer ungewöhnlichen Aktion. Im Westen zeigte man der Fußballmogelpackung aus Leipzig geschlossen die rote Karte. Unterstützt von wenig schmeichelhaften Grüßen und eben Trillerpfeifen. Die Protestaktion gegen Ekel Red Bull dauerte Minuten an, bis kurz nach dem Anpfiff.

Und so wichtig solche Botschaften auch sind, sie bringen offensichtlich die Rädchen im Uhrwerk Betzenberg durcheinander. Richtig Anfeuerung kam erst, als Srdjan Lakic den Ausgleich erzielte. Da waren aber schon 48 Minuten gespielt. Einige fühlten sich bei dieser frostigen Atmosphäre an die (Protest-)Spiele gegen Regensburg und Aalen vor zwei Jahren erinnert.

Vorsänger Kempf wurde an diesem Freitag wieder von seinem Kollegen Niklas vertreten. Letzterer hatte im Pokal gegen Fürth einen ausgezeichneten Job gemacht - an ihm lag es nicht.

Aus der Reihe „Unfassbar, dass der nicht drin ist“

Vielleicht wäre das Feuer schneller entfacht worden, hätte Lakic nicht erst in der zweiten Halbzeit getroffen, sondern schon in der 10. Minute. FCK-Rechtsverteidiger Michael Schulze spielte in Höhe des Mittelkreises einen fantastischen Pass mit dem Außenrist auf den bereits durchstartenden Karim Matmour, der zentimetergenau für seinen Kapitän auflegte. Was für ein gnadenlos guter Spielzug, bis dahin. Denn Lakic nimmt den Ball mit dem Linken und nicht mit dem Rechten - und schießt den Ball in komischer Körperhaltung weit über das aus sechs Meter Entfernung riesig erscheinende Tor.

Lakic reihte sich damit - u.a. neben Ruben Jenssen und Philipp Hofmann - in die fiktive Reihe „Unfassbar, dass das kein Tor ist...“ ein. Und die YouTube-Gemeinde fällt lachend vom Stuhl, inklusive des Engländers auf der Nordtribüne, der mit seinem Handy fuchtelt und auf Lakic zeigend fragt: „Is that Hofmann?“. Ansonsten ist im Fritz-Walter-Stadion keinem zum Schenkelklopfen zumute. Nicht mehr. Weil eben selbst Ede Zimmermann nicht mehr von einem Einzelfall sprechen könnte.

„Es ist nicht so einfach, wie es aussieht“, erklärte Lakic hinterher gegenüber der „Rheinpfalz“. Aber er suche nicht nach Ausreden, so eine Chance wünsche sich jeder Stürmer. Naja...

Es ist doch keine höhere Macht oder ein Fluch, der auf dem FCK lastet. Oder redet man sich das etwa ein? Geht man in der Analyse zu lasch mit diesem Totalversagen vor dem Tor um? Schon nach den irrwitzigen Szenen gegen Union Berlin (1:0) sagte Trainer Kosta Runjaic - wenn auch mit Augenzwinkern - man werde diese sich noch einmal auf Video ansehen, dann auch darüber lachen, auch wenn es ein erstes Thema sei.

Es mag Gründe dafür geben, intern locker mit dem Problem Großchancenverwertung umzugehen. Die Mannschaft ist jung, befindet sich ausdrücklich in einem Lernprozess. Sie darf also Fehler machen, sich entwickeln. Fakt ist nur, der bislang sehr geduldige FCK-Anhang hat die Faxen dicke. Nach dem neuerlichen Blackout durch Lakic gab es wütende, nicht druckreife Kommentare in der Kurve. Sie betrafen Spieler, aber auch den Trainer, der den aufstrebenden Hofmann wieder aus der Mannschaft genommen hatte.

„In den ersten Minute habe ich geglaubt, dass Lautern uns an ganz schlechte Zeiten erinnert. Doch Glück und Andreas Luthe standen uns zur Seite, so dass wir diese Phase überstanden haben“, sagte Bochum-Trainer Peter Neururer auf der Pressekonferenz. Sein Team konnte seit sieben Partien keinen Sieg mehr einfahren. Nach der jüngsten 0:3-Heimpleite gegen das damalige Tabellen-Schlusslicht 1860 München gab es sogar „Neururer raus“-Rufe. Die nähere Vergangenheit merkte man dem VfL, der in der Transferperiode im Sommer durch Name-Dropping aufgefallen war, in den ersten 20 Minuten in Kaiserslautern deutlich an. Umso ärgerlicher - aus FCK-Sicht - dass Amin Younes, Kevin Stöger, Lakic & Co. nicht den Biss zeigten, der die Männer in Rot noch gegen Fürth ausgezeichnet hatte, als man das Spiel früh entschied.

Kein Ring on fire

Fehlte die Frische? Runjaic hatte vor dem Spiel schon angemerkt, dass das Leipzig-Gastspiel und die englische Woche zuvor viel Kraft gekostet hatte und er lieber Samstag oder Sonntag gegen Bochum angetreten wäre. Und natürlich wird auch Alexander Ring im Mittelfeld schmerzlich vermisst. Jenssen vertritt ihn ordentlich, aber die Power, die Spielintelligenz und die Passsicherheit von Ring geht ihm ab.

„Ballvorträge“ vom VfL - und Sippel im Shitstorm

„Dann hatten wir auch den ein oder anderen - Angriff will ich es nicht nennen - aber Ballvortrag“, beschrieb Neururer die Phase ab der 20. Minute. Seine Mannen kämpften sich ins Spiel. Aus einem dieser „Ballvorträge“ - Perthel marschierte dank Sicherheitsabstand von Schulze den linken Fügel entlang - ging der VfL in Führung. „Tief im Westen“ (frei nach Grönemeyer) segelte Perthels gar nicht mal so scharfe Flanke auf den langen Pfosten, wo Dominique Heintz und dahinter Simon Terodde warteten. „Der Ball wurde lang und länger, ich versuche noch, dran zu kommen, weil ich Terodde am langen Pfosten stehen sehe“, erklärte Tobias Sippel im Nachhinein seine Handlungen, die eigentlich nicht zu erklären sind. Sippel leitete den Ball zu Terrode weiter, der ins leere Tor einschieben konnte. Heintz schaute so verduzt wie hinter ihm 10.000 FCK-Fans. Doch das war nur die Ruhe vor dem Sturm. Die Tribünen schäumten über. Unverständnis, Zorn und Spott prasselten auf Sippel nieder. Immer wieder wurde auf die Größe des Keepers verwiesen und seine Fehler, die Punkte kosteten. Immer wieder fiel der Name Marius Müller, der im Pokal Lufthoheit hatte. Der als Sippel-Vertreter viel Ruhe ausstrahlte.

Und die Stimmung wäre wohl endgültig gegen den FCK-Dauerbrenner im Tor gekippt, hätte sein Harakiri-Kurzpassspiel mit Willi Orban und Chris Löwe in Strafraumnähe zum 0:2 geführt. Die Nerven lagen jetzt völlig blank - auf den Rängen wie auch auf dem Platz. Beim anschließenden Freistoß der Bochumer taumelte die FCK-Abwehr. Am Ende traf Terodde. Der Linienrichter hob die Fahne. Eine Fehlentscheidung!

Mit dem lautesten Pfeifkonzert der Saison wurde die Mannschaft in die Kabine geschickt. Es mag für Außenstehende übertrieben gewirkt haben. Aber mit zu hohen Erwartungen hatte es freilich nichts zu tun. Nein, der Frust über das vermeintliche Sturm- und Torwartproblem des FCK brach sich Bahn.

Man kann dieser Mannschaft ja sonst kaum böse sein. Sie schlug - wie so oft in dieser Saison - zurück. Eine messerscharfe Flanke von Matmour, der mit Schulze Lauterns Bester war - verwertete Lakic mit dem Kopf gegen die Laufrichtung von Torhüter Luthe (48. Minute). Danach war der FCK da. Und auch die Fans. Doch der Spaß dauerte nur wenige Minuten an. Die jungen Kreativen Younes und Stöger starben in Schönheit. Dribbelten, schlugen Haken, verdoppelpassten sich.

Schläft nie vor dem Tor: Sebastian Jacob

Wie Zug zum Tor aussieht, zeigte ihnen Sebastian Jacob, der wie schon gegen Düsseldorf eingewechselt wurde: Schulze mit unwiderstehlichem Solo auf der rechten Seite und Hacken-Pass auf Matmour, der glänzend auf Jacob durchsteckt. Und dieser Bruder Jacob schläft nicht. Er denkt nicht. Er ziert sich nicht. Er schiebt das Ding ins lange Eck. Das erste Profitor des 21-Jährigen gebürtigen Saarbrückers. Jacob hatte schon gegen die Fortuna auf sich aufmerksam gemacht, nicht zuletzt mit einem frechen Fallrückzieher. Dieser junge Kerl hat was!

Und wie sehr hätte man es ihm gegönnt, bei der Siegesfeier auf den Zaun zitiert zu werden. Als Siegtorschütze, der diese schwierige Partie gedreht hätte. „Das Spiel war eigentlich schon gelaufen“ (Neururer). Bochum hatte nicht mehr viel entgegenzusetzen. Doch wieder brachte der FCK die Blau-Weißen ins Spiel. Nach einer verunglückten Flanke senste Löwe seinen Gegenspieler in der Nähe der Eckfahne (!) um - und sah zurecht Gelb. So viel Dummheit muss bestraft werden, dachte sich der VfL: Der eingewechselte Stanislav Sestak nickte den folgenden Freistoß fast unbedrängt ein.

„Wir wollten das Spiel gewinnen, wir waren aber nicht gut genug“, sagte Lakic nach dem Ende. Oder anders gesagt: der Wille auf die Big Points war nicht groß genug. Warum auch immer. Die Bochumer spürten, dass am Betze noch was geht. Erzwangen den Ausgleich mit einer ihrer wenigen Chancen in der zweiten Halbzeit.

Spiel-Daten: Bochumer rannten um ihr Leben

Und wenn man auf die Daten schaut, auch gar nicht mal so unverdient: Der VfL lief unfassbare 123,2 Kilometer, der FCK ebenfalls erstaunliche 121,9. Im Saisonschnitt kommen beide ansonsten auf rund 114 Kilometer. Dass der FCK mehr Ballbesitz bekommen sollte (66%), war auch der Plan des Bochumer, die 52% der Zweikämpfe gewannen.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Marky

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