Spielbericht: 1860 München - 1. FC Kaiserslautern 1:1

Schwierig einzuordnen

Schwierig einzuordnen


Umkehr geschafft oder auf der Stelle getreten? Die Partie von München wird man wohl erst in einigen Tagen richtig einordnen können. Ein klassisches Zwischenspiel hat DBB-Autor paulgeht gesehen, das erst ernüchtert und dann doch leise Hoffnung macht. Ruben Jenssen setzt außerdem ein wichtiges Signal.

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Schiedsrichter Florian Meyer hatte die Partie zwischen dem 1. FC Kaiserslautern und 1860 München gerade abgepfiffen, da richteten sich die meisten Blicke schon nach vorne auf das kommende FCK-Heimspiel gegen den 1. FC Nürnberg. Es zeigt, wie schwer das Remis von München aktuell einzuordnen ist. Zwar enttäuschten die Roten Teufel mal wieder in der ersten Halbzeit. Vor allem die letzten 30 Minuten machten aber ganz leise Hoffnung. Es war ein Zwischenspiel innerhalb einer kritischen Saisonphase, das weder als Offenbarungseid, noch als Rückkehr zu alter Stärke gewertet werden kann. Wohin das Pendel ausschlägt, wird sich frühestens am Dienstag gegen den Club zeigen.

Der nach den letzten mageren Auftritten seiner Mannschaft in Kritik geratene Kosta Runjaic veränderte die Startelf im Vergleich zur 0:2-Niederlage gegen Freiburg auf mehren Positionen. Wie schon zuvor Antonio Colak wurde dieses Wochenende Stipe Vucur nach seinem folgenschweren Fehler im letzten Spiel komplett aus dem Kader gestrichen. Seinen Platz in der Innenverteidigung nahm Patrick Ziegler ein. Außerdem wurde Ruben Jenssen anstelle von Markus Karl ins Zentrum gezogen und die beiden Neuzugänge Robert Pich (links) und Marcus Piossek (rechts) auf die Außenbahnen beordert. Beide Teams begannen bei bestem Fußballwetter eher verhalten und bemühten sich um Stabilität, wie es Kosta Runjaic schon vorab angekündigt hatte.

15 Minuten ging das auch gut, dann allerdings musste der FCK einen Rückschlag hinnehmen. Marcus Piossek spielte von der Grundlinie einen verhängnisvollen Befreiungsschlag zurück an die Strafraumkante, von wo Löwenspieler Milos Degenek den Ball mit einem satten Schuss im Tor des chancenlosen Marius Müller versenkte. Das erst dritte Saisontor der Löwen sorgte für ausgelassenen Jubel in der Heimkurve – und natürlich lange Gesichter beim Gäste-Anhang.

„Wir woll’n euch kämpfen sehen!“, brüllt der Gästeblock

Gut 2.500 Lautrer Anhänger hatten den Weg in die Arena im Münchener Norden gefunden und auf den zweiten Auswärtssieg der Saison gehofft. Mit vielen Zaunfahnen beflaggt, verschaffte sich der Gästeblock zunächst am Anfang mehrfach Gehör, fiel allerdings nach dem Rückstand in eine lange, tiefe Schockstarre. Ratlosigkeit und Frust beherrschten die Gefühlswelt. Als die Mannschaft auch nach 35 Minuten keine echte Gefahr, nicht mal eine richtig echte Torchance zu Stande brachte, kam auch Wut dazu: „Wir woll’n euch kämpfen sehen“, stimmte der Gästeblock an und war damit das erste und letzte Mal wirklich laut zu vernehmen (ausgenommen der Torjubel und die „Scheiß FC Bayern-Wechselgesänge mit den Löwenfans). Auch zum Halbzeitpfiff zehn Minuten später wurde die Mannschaft mit dieser Aufforderung in die Kabine verabschiedet.

Mangelnden Kampf könne man der Mannschaft nicht vorwerfen, fand allerdings Daniel Halfar nach dem Spiel. „Das sind die Grundtugenden, die jeder mitbringt.“ Entsprechend habe das Team in der zweiten Halbzeit besser Fußball spielen wollen, erklärte auch Kosta Runjaic später. Vier Minuten nach Wiederanpfiff wäre die Partie allerdings beinahe gelaufen gewesen. Korbinian Vollmann knallte aus wenigen Metern einen Schuss an den rechten Pfosten und verpasste damit die 2:0-Führung seiner Mannschaft. „Dann wäre das Spiel wohl gelaufen gewesen“, kommentierte Löwen-Trainer Torsten Fröhling später die Szene, die auch bei den Heimfans für großen Frust sorgte.

Immerhin 21.000 Weiß-Blaue hatten den Weg ins Stadion gefunden. Eine ansehnliche Kulisse gemessen am letzten Aufeinandertreffen an jenem Dezembermittwoch 2014, als sich zu den 1.200 Lautrern kaum mehr als 10.000 TSV-Anhänger gesellten. „Wenn das Wetter stimmt und ein großer Gegner kommt, dann sind auch wieder viele Fans da“, meinte in der U-Bahn ein 1860-Anhänger. „Da wird der Oktoberfestbesuch auch gerne mal um ein paar Stunden verschoben.“ Der zeitgleiche Fassanstich auf der Theresienwiese war sowieso während der ganzen Partie präsent. 1860 spielte in extra angefertigten Wiesn-Trikots (inklusive seltsam anmutender Hosen im Lederhosen-Style) und die ansonsten gut aufgelegte Nordkurve präsentierte eine Oktoberfest-Choreographie, deren Durchführung leider nicht ganz glückte, da das Hochziehen des großen „Wiesn-Schriftzugs“ misslang. Das tat der guten Stimmung aber keinen Abbruch. Die 59. Minute dagegen schon.

Ruben Jenssen trifft und setzt ein wichtiges Signal

Mit der Hereinnahme von Stürmer-Talent Lukas Görtler stellte Kosta Runjaic auf ein 4-2-2-2 um, zog Daniel Halfar auf die reichte Seite und ließ fortan mit zwei Stürmern spielen. Der Lohn war eine starke Drangphase der Roten Teufel, aus der – wenn auch etwas glücklich – der 1:1-Ausgleich durch Ruben Jenssen resultierte. Der sympathische Norweger versenkte einen 20-Meter-Flachschuss im Tor und hatte Glück, dass der Löwen-Keeper nicht seinen besten Tag erwischte. „Hauptsache drin“, dachte sich Jenssen wohl (der später in den Katakomben noch einmal mit einem breiten Grinsen die Spielzusammenfassung auf dem Monitor verfolgte) und setzte danach vor allem noch ein viel wichtigeres Signal: Mit ausholender Ruderbewegung forderte er die ganze Mannschaft auf, ihm vor den Gästeblock zu folgen, um gemeinsam mit den Fans das Tor zu feiern. Eine geile Szene, die endlich auch wieder ein bisschen Annäherung im zuletzt krankenden Verhältnis zwischen Mannschaft und Anhang brachte. „Wir schaffen es nur gemeinsam! Vielen Dank für eure Unterstützung“, legte Jenssen am Sonntag via Twitter noch nach.

Beschwingt vom Tor und dem gemeinsamen Erfolgserlebnis drängte Lautern nun auf die Führung. Kosta Runjaic setzte ein weiteres Offensivzeichen, brachte mit Maurice Deville den dritten Stürmer, der nun im 4-3-3 gemeinsam mit Kacper Przybylko und Lukas Görtler Dampf machte. Eben jener Görtler, der mit seinen Sturmläufen einen guten Eindruck hinterließ, hätte kurz vor Schluss den Mut des Trainers beinahe belohnt. In einer unübersichtlichen Szene bewahrte der gebürtige Franke kühlen Kopf, tanzte sich durch den Strafraum und hatte das 2:1 auf dem Fuß. Doch es fehlte ein Fünkchen Glück, ebenso wie dem im Nachschuss scheiternden Ruben Jenssen und wenig später Tim Heubach (Kopfball knapp über die Latte), sowie Daniel Halfar (Freistoß touchiert die Latte).

Einen Punkt gewonnen oder zwei verschenkt?

So wäre aufgrund der letzten 30 Minuten ein Sieg durchaus verdient gewesen. Zusammengenommen mit der harmlosen ersten Hälfte ist die Punkteteilung allerdings gerecht. Dass auch Runjaic dies erkannte und das Glück nicht herausfordern wollte, zeigte die Auswechslung in der Nachspielzeit, als er, wohl um etwas Zeit von der Uhr zu nehmen, noch André Fomitschow ins Spiel brachte.

Und nun? Was ist das Ergebnis wert? „Ein Punkt ist ok, denke ich. Natürlich wäre ein Sieg schöner gewesen“, sagte Daniel Halfar und Kosta Runjaic schlug ähnliche Töne an: „Wir wollten gerne siegen, nehmen den Punkt nun aber mit und konzentrieren uns auf die nächste Aufgabe am Dienstag.“ Viel Zeit zur Analyse bleibt vor dem Spiel gegen Nürnberg sowieso nicht. Allerdings sollten Trainer, Mannschaft und Fans die Leistung der zweiten Halbzeit nicht überbewerten. Denn noch immer blieben viel Arbeits- und Nachholbedarf, wie die erste Hälfte bewiesen hat. Wie angespannt die Situation ist, zeigt nicht zuletzt auch, dass inzwischen ein Punkt beim Tabellenvorletzten als positives Signal gewertet wird. Auch im Gästeblock, der die Mannschaft größtenteils mit Applaus verabschiedete, nur wenige pfiffen. Ob das Remis von München wirklich eine Umkehr in den zuletzt schlechten Leistungen und Ergebnissen darstellt oder sich in der Nachbetrachtung in die Gruppe verschenkter Spiele einreiht, wird man sehen. Die Chance nun den nächsten Schritt zu machen, bietet sich Mannschaft und Trainer schon übermorgen.

Mein Spieler des Spiels: Vor der Partie musste er noch ordentlich Kritik einstecken, weil Ruben Jenssen „mindestens einen Punkt“ aus München mitnehmen wollte. Tatsächlich könnte man vom FCK schon erwarten, dass er beim sang- und klanglosen Tabellenvorletzten mehr als ein Remis anpeilt. Ironischerweise war es dann tatsächlich Jenssen, der den Treffer erzielte und das angepeilte Minimalziel somit sicherstellte. Dass er nach seinem Tor die Mannschaft vor den Gästeblock zum gemeinsamen Jubel holte – einfach klasse, Ruben!

Was sonst noch auffiel: Er gehört zu den erfahrensten Schiedsrichtern in Deutschland und tatsächlich traf Florian Meyer in den meisten Fällen – vor allem dann wenn es drauf ankam – die richtige Entscheidung. Allerdings fiel der Unparteiische aus Burgdorf mehrfach durch seltsames Stellungsspiel auf: Mehrere Male behinderte er die Spieler bei Pässen, einmal resultierte daraus sogar ein ärgerlicher Konter für die Heimmannschaft.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: paulgeht

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