Spielbericht: Hallescher FC - 1. FC Kaiserslautern 4:3 n.V.

Der nächste Sturm

Der nächste Sturm


In Halle an der Saale geht die „Unzerstörbar“ zur 1. Runde im DFB-Pokal vor Anker. Erneut hat das Schiff im Sommer einige Umbauarbeiten erlebt. Die Mannschaft werkelt noch immer unter dem Deck und auf der Brücke, aber der Pokalhafen wirkt vertraut. DBB-Autor Toco rettet sich ein wenig desillusioniert und umso mehr ernüchtert in nautischen Metaphern.

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Viele Geschichten von Pokal-Triumphen des 1. FC Kaiserslautern machen die Runde. Die letzte große Geschichte ist fester Bestandteil des Liedguts im Turnier: „Trotz der zweiten Liga, Deutscher Pokalsieger, 1996 FCK.“ Dieses Ereignis vor 20 Jahren würdigt auch der Anhang im – initiiert vom Pfalz Inferno – ganz in weiß gehaltenen Gästeblock: „20 Jahre Deutscher Pokalsieger 1996“ ziert in roter Schrift auf weißem Stoff die zahlreichen T-Shirts im südöstlichen Eck des neugebauten Kurt-Wabbel-Stadions. Zusätzlich bereichern einige Schwenkfahnen und Zaunfahnen das Bild.

Auf der anderen Seite basteln die Fans des Halleschen FC, nostalgisch auch „HFC Chemie“ genannt, zum Einlauf der Mannschaften an der Siegerformel und beschwören den „chemischen Wahnsinn“. Ein (w)irrer Wissenschaftler mit bengalisch-roten Augen mischt, umrahmt von rot-silbernen Fahnen, ein paar Flüssigkeiten zusammen und am Ende – wenn wundert's? – raucht es. Nur die Tafel mit der Siegesformel ruinieren die Heimfans in rot beim hochziehen gleich selbst. Auf den Rängen ist alles bereitet für einen glänzenden Pokal-Tag, doch über dem grauen Wellblech-Dach verdunkeln nicht weniger graue Wolken den Himmel. Gewitter droht. Ein Sturm zieht auf.

Osawe und Stieber lassen die Gästefans jubeln

Nach einer Schweigeminute zum Gedenken an den bei Olympia in Rio verstorbenen Hallenser Kanu-Trainer Stefan Henze, bei der skurrilerweise die Lautrer den Halleschen Anhang zwischendurch zur Ordnung rufen müssen, pfeift Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus die Partie an. Auf dem Platz versuchen die Roten Teufel im schwarzen Outfit die Kontrolle zu übernehmen. Die Heimmannschaft genügt sich in wenigen Störmanövern, hält den FCK aber zunächst auch gut vom eigenen Tor fern. Die Stimmung und Motivation beim reisefreudigen Anhang aus der Pfalz, einmal mehr im Osten von zahlreichen Fans aus dem Umland bereichert, ist prächtig und wird in der 23. Minute dank Osayamen Osawe von einer großen Portion Erleichterung versüßt. Gegen seinen Ex-Verein zeigte sich der mit Pfiffen empfangene Engländer treffsicher und bringt die Gäste in Führung. So weit, so standesgemäß. Wenig später geht ihm die Treffsicherheit jedoch ab und statt eines souveränen 2:0 lässt Halle in der 33. Minute Naser Aliji per Eigentor zum 1:1-Ausgleich einnetzen. Ungläubige Blicke wandern durch den Gästeblock. Einen Moment lang verschlägt es den Pfälzer Krischern die Sprache, aber mit einem lauten „Kämpfen, Lautern, Kämpfen“ kommt der Block wieder zu sich.

Gegen die steigende Stimmung der Heimfans wirft sich Zoltan Stieber mit einer schönen Einzelaktion und erfolgreichem Abschluss. Der Dämpfer zur rechten Zeit für Halle, Oberwasser für den Zweitligisten und Erleichterung für die Fans. Das erste Comeback dieser Saison. Mit einer verdienten 2:1-Führung und Applaus von den Rängen gehen die Roten Teufel in die Pause.

Statt allerdings nach Seitenwechsel den Kurs Richtung Runde 2 zu setzen, überlässt der FCK der Heimmannschaft das Ruder. Die „Chemiker“ nutzen die Gelegenheit und drehen das Spiel. Die Lautrer Innenverteidigung macht dabei erneut keine glückliche Figur. Die Konfusion auf dem Platz schmälert die Stimmung bei den Roten Teufeln auf den Rängen. Es mangelt an Drang zum Tor und an der zündenden Idee, auch wenn Trainer Korkut nach und nach die Offensive verstärkt. Während der Abpfiff näherrückt, kommt der FCK nicht näher ans Tor. Doch statt daran zu verzweifeln, sparen sich die Gästefans den Unmut erstmal für das unnötige Zeitspiel der Hallenser auf. Bei einem letzten Angriff in der 94. Minute schnürt ausgerechnet Osawe seinen Doppelpack. Vor lauter Freude weiß der Gästeblock kaum wohin. Zäune werden erklommen, die Leute liegen sich in den Armen, die Stimmbänder werden strapaziert und auch die ausgelassenen Betze-Spieler sammeln sich vor dem Block und versuchen die Stimmung in immer weitere Höhen zu schrauben.

Kein Aufbäumen nach dem erneuten Rückstand

Doch auf dem Platz liefern sie in der Verlängerung keinen weiteren Anlass. Auf einen Abwehrpatzer von Phillipp Mwene folgt ein unnötiges Foul des überraschten André Weis im eigenen Strafraum. Den unstrittigen Foulelfmeter verwandelt Kapitän Klaus Gjasula – Bruder des ehemaligen FCK-Spielers Jurgen Gjasula – zum 4:3-Endstand für Halle. Zu diesem Zeitpunkt sind allerdings noch 27 Minuten zu spielen. Während sich die Wolken am Himmel wieder aufhellen und das meteorologische Unwetter an Halle vorbeigezogen ist, plätscherte das Spiel dahin. Viel Zeit für den Anhang, die eigene Mannschaft nach vorne zu singen, aber auch um sich auf das drohende Erstrunden-Aus einzustellen.

Gegen 18:00 Uhr endet dann verdient die Pokalsaison der Roten Teufel. Außer einem knappen Freistoß von Aliji ist in der Verlängerung nicht mehr viel zu sehen vom FCK – das war viel zu wenig vom Zweitligisten gegen den Drittligisten. Unnötig ist aber nicht nur die Niederlage, sondern auch die Reaktion der Mannschaft auf dem Weg zum Anhang. Anders als in der 90+4. Minute klatscht das sichtlich angeschlagene Team mit deutlichem Sicherheitsabstand Richtung Gästeblock, was mehr und mehr von lauten Pfiffen und wilden Gesten quittiert wird. Eine kleine Gruppe um Gerry Ehrmann (wer sonst?) und Daniel Halfar verharrt am Platz, während große Teile der Mannschaft in Richtung Kabine verschwinden, und insbesondere der Kapitän nähert sich schließlich doch noch den Fans. Der Himmel öffnet allmählich doch noch die Schleusen. Manch ein Profi mag sich wundern, aber FCK-Fans wissen warum. #ZusammenLautern geht anders.

Der Kurs für die „Unzerstörbar“ ist gesetzt, die Zeit für Reparaturarbeiten wird knapper. Keine Chance zur Wiedergutmachung, denn der Weg im DFB-Pokal ist jäh gestoppt. Die Saison ist aber noch nicht verloren. Leider fällt es immer mehr Fans stetig schwerer, dass der Mannschaft wieder und wieder zu vermitteln. Die Aufbruchstimmung droht zu versickern.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Toco

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