Spielbericht: 1. FC Kaiserslautern - Dynamo Dresden 0:1

Neue Hoffnung, alte Probleme

Neue Hoffnung, alte Probleme


Alles wie gehabt? Der 1. FC Kaiserslautern hat das Auftaktspiel der 3. Liga gegen Dynamo Dresden mit 0:1 verloren. Und dennoch gab es auch Grund zur Freude: Die Zeit der ganz strengen Geisterspiele ist vorbei.

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Endlich. Endlich sieht man sie wieder: Fans, die in roten Trikots und mit Schals "bewaffnet" den Betzenberg erklimmen, sich vorher an der "Betzebud" mit Speisen und Getränken eindecken. An der Osttribüne, wo seit Wochen und Monaten vor und während Spielen gähnende Leere herrschte, tummelt sich vor Anpfiff eine lange Schlange von Zuschauern, die ins Fritz-Walter-Stadion wollen. Bis kurz vor Spielbeginn hatte sie sich noch nicht aufgelöst. Ähnliche Bilder an der Südtribüne, wo zum gegenseitigen Schutz in Corona-Zeiten auch FCK-Gesichtsmasken verkauft wurden.

Im Stadion angekommen ist erstmals seit rund einem halben Jahr kein Vogelgezwitscher oder Taubengurren zu vernehmen. Stattdessen begrüßt eine altbekannte, vertraut klingende Stimme die Anwesenden mit einem lauten: "Endlich wieder Zuschauer. Hallo FCK-Fans!" Wie wohltuend die Stimme von Stadionsprecher Horst Schömbs sein kann, merkt mancher FCK-Fan erst in diesem Moment.

Und auch wenn der Betze an diesem Abend nur verhalten bebt - sei es wegen der ungünstigen Anstoßzeit oder der Corona-Situation - so ist es ein bemerkenswertes Gefühl, als um 17:12 Uhr die Roten Teufel zum Aufwärmen den heiligen Rasen betreten. In den letzten Monaten war es ein Leichtes, diesen Moment zu verpassen, denn es honorierte schlicht kein Mensch auf den Rängen. Doch jetzt brandet Applaus auf, in diesem Moment machen die 4.150 Fans Lärm für 10.000. Und viele denken sich: "Endlich bin ich wieder zu Hause."

Als rund fünf Minuten vor dem Anpfiff das "Palzlied" ertönt und kurz danach die Fans das "Betze-Lied" intonieren, fühlt es sich fast etwas nach "normalem" Betze an. Schweift der Blick allerdings gen Westen ab wird schnell klar: Alles ist anders. Die Westkurve ist menschenleer, keine Ultras, keine Fahnen, keine Stehplätze. Zurück zur Normalität? Es ist noch ein weiter Weg.

Um 17:49 Uhr ist es dann endlich so weit: Der Ball rollt wieder. Doch auch hier ist alles anders. Die Lautrer spielen in Halbzeit Eins auf die Osttribüne - so wie es sich FCK-Mannschaften seit jeher wünschen, um im zweiten Durchgang in Blickrichtung der eigenen Fans zu spielen. Doch an diesem Tag sitzen genau die eben (unter anderem) im Osten, denn die Westkurve ist geschlossen.

Ausgerechnet Mai: Manche Dinge ändern sich nicht

Doch es gibt gewisse Dinge, die bleiben auch in Corona-Zeiten konstant. So ist es in der 17. Spielminute wieder einmal eine Ecke, die den frühen Rückstand bedeutet. Und natürlich fällt dieser auf kuriose Weise: Patrick Weihrauchs Ball springt Kevin Kraus an den Oberschenkel, zunächst kann Avdo Spahic den Abpraller noch parieren, doch dahinter lauert Dresdens Sebastian Mai, der per Kopf abstauben kann. Sebastian Mai? Richtig, ausgerechnet der Sebastian Mai, der bis vor einigen Wochen als neuer Führungsspieler noch ganz hoch im Kurs am Betzenberg stand, sich dann aber für die Rückkehr in seine Heimat entschied.

Typisch FCK könnte man also meinen. Und dem kann man - vor allem in der ersten Hälfte nicht widersprechen. Das Schommers-Team ist zwar stets bemüht, geht aggressiv in die Zweikämpfe, Einsatz und Wille stimmen, aber im Spiel nach vorne geht lange gar nichts. Direkt nach dem Rückstand haben die Roten Teufel nach einem Sprint von Dominik Schad, der in der Mitte Elias Huth bedient, zwar die große Chance zum postwendenden Ausgleich, aber dennoch: Der finale Pass, er ist meist viel zu ungenau, sodass kein geordnetes Offensivspiel entstehen kann. Janik Bachmann ist rechts im Mittelfeld überfordert, Hendrick Zuck als "Zehner" ebenso.

Und noch schlimmer: Auch die Defensive zeigt sich anfällig. Kraus ist stellenweise völlig von der Rolle, sein Partner in der Innenverteidigung Carlo Sickinger hat seine liebe Mühe, das Zentrum der Pfälzer zusammen zu halten. Der FCK hat Glück, dass Dresden diverse Fehlpässe und Lücken in der Lautrer Hintermannschaft nicht konsequenter nutzt. In dieser Verfassung dürfte es schwer werden, wirklich eine Top-Mannschaft der 3. Liga zu werden.

Keine Durchschlagskraft trotz Überzahl

Kurz vor der Halbzeit scheint es dann aber doch in die Richtung des FCK zu laufen. Nachdem er in der sechsten Minute bereits die Gelbe Karte gesehen hatte, kassiert ausgerechnet der ehemalige Lautrer U19-Kapitän Paul Will zwei Minuten vor der Pause nach einem Handspiel die Gelb-Rote Karte. Die Roten Teufel spielen also urplötzlich über 45 Minuten in Überzahl.

Doch Boris Schommers schickt seine Elf nach der Pause unverändert auf dem Platz zurück, und so ändert sich zunächst auch nicht viel. Zwar ziehen sich die Gäste aus Dresden jetzt zunehmend zurück, doch der Schommers-Elf fehlen die Ideen. Gegen die großgewachsenen Dresdner Innenverteidiger Mai und Tim Knipping versucht es der FCK viel zu häufig mit langen, hohen Bällen, ein Geschenk für die Hintermannschaft der Sachsen.

Und so hat man den Eindruck, dass Kaiserslautern zwar will, aber teilweise nicht kann. Vor allem im Sechzehner fehlt der letzte geniale Pass oder Überraschungsmoment. Jeder Angriff versandet so entweder bereits im Ansatz oder wird zu unpräzise zu Ende gespielt. Und findet der Ball dann doch mal einen Abnehmer, wie in der 83. Minute, als Simon Skarlatidis aus spitzem Winkel zum Abschluss kommt, fehlt das Quäntchen Glück - oder doch die Cleverness?

Ein Schritt in die richtige Richtung - aber nur auf den Rängen

Und so verliert der FCK am Ende mit 0:1. Nicht verdient, denn er war feldüberlegen. Aber eben auch nicht unverdient, denn er hat aus seiner Überzahl sträflich wenig gemacht, spielerisch auf ganzer Linie enttäuscht - insbesondere im Vergleich zur zweiten Halbzeit im DFB-Pokal gegen Jahn Regensburg.

Was bleibt also von diesem Nachmittag? Sicher muss man - um die Worte der Verantwortlichen zu zitieren - nicht alles schwarz sehen, doch Schommers und sein Team müssen sich hinterfragen, ob sie in diesem System und in dieser Aufstellung wirklich ihre Ziele erreichen können. Das Potential dazu ist unbestritten vorhanden.

Doch es gibt eben auch Grund zur Freude: Die Geisterspiele haben zumindest vorerst ein Ende gefunden. Der Fußball, er macht wieder etwas mehr Sinn. Nach Spielende wurde aber erneut deutlich, "altes" Stadion-Feeling ist noch weit entfernt. Die Zuschauer dürfen nur blockweise das Stadion verlassen - um Abstandsregelungen einzuhalten. Die allermeisten halten sich daran oder sehen es nach einer Zurechtweisung der Ordner ein. Als Dank für die Geduld und das Verständnis der Fans, gibt es dann obendrein beim Verlassen noch kleine Hygienefläschchen als Präsent - eine nette Geste.

"Ein Schritt in die richtige Richtung", nennt Boris Schommers die Teilzulassung von Publikum nach der Partie. Da hat er recht. Auch wenn es nur der Anfang sein kann. Denn ohne Fans, ist nicht nur der Fußball nichts. Ohne Zuschauer, ohne Westkurve, ohne Fahnen, Choreos und Jubelstürme fehlt auch dem FCK und dem altehrwürdigen Betzenberg etwas: Denn sie sind Herz und Seele des Vereins. Seit gestern sind sie zumindest wieder vorsichtig in Schwung gekommen.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Gerrit1993

Weitere Links zum Thema:

- Stimmen zum Spiel | Sickinger: "Eine Niederlage, die sehr weh tut" (Der Betze brennt)
- Blick in die Kurve | Nicht ausverkauft: Nur 4.150 Zuschauer am Betze (Der Betze brennt)

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