Spielbericht: 1. FC Kaiserslautern - Türkgücü München 0:0

Unentschieden, was sonst?

Unentschieden, was sonst?

Foto: Neis/Eibner

Es ist zum verrückt werden. Gegen Türkgücü München krankt zwar nicht wie in Dresden die Defensive des 1. FC Kaiserslautern, dafür versagt wieder die Offensive vor dem Tor. Das 0:0 lässt die Angst vor dem Totalabsturz immer größer werden.

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Kurzzeitig rückte der Fußball in dieser Englischen Woche etwas in den Hintergrund. Im Vorfeld des Heimspiels gegen Türkgücü hatte eine Gruppe Nazis das Denkmal vor dem Fritz-Walter-Stadion für ihre rechten Parolen missbraucht und auf Flyern die Botschaft verteilt, ein türkischer Klub sei auf "ihrem" Betze nicht willkommen. Doch so etwas lässt man sich in der Pfalz nicht zweimal sagen: Der FCK und seine Fans reagierten schnell und machten in mehreren deutlichen Stellungnahmen (Verein, Fanbündnis FCK, Queer Devils) klar, dass Rassismus und Fremdenfeindlichkeit auf dem Betzenberg keinen Platz haben. Vor der Partie brachte das mehrere dutzend Fanclubs umfassende FCK-Fanbündnis außerdem einen Banner am Eingang der Westkurve an, auf dem unmissverständlich an die Nazis gerichtet zu lesen war: "Maul halten, wenn die Westkurve spricht! Wer hier willkommen ist, entscheidet ihr nicht!" Und auch eine kleine Abordnung der Jusos Kaiserslautern empfing coronakonform den Mannschaftsbus der Gäste mit einem freundlichen "Willkommen Türkgücü München". Passend dazu sei dieser Stelle nochmal kurz das Betze-Lied zitiert: "Jeder Klub ist uns willkommen, jede Mannschaft gern gesehen". Dem ist (fast) nichts hinzuzufügen, außer natürlich die prinzipiell immer noch geltende sportliche Folgezeile: "Doch die Punkte werden ihnen abgenommen, bevor sie wieder nach Hause gehen." Vor allem aber: Nazis raus!

Winkler tut der Defensive gut, aber die Offensive vergibt die Chancen

Doch zurück zum Sportlichen. Jeff Saibene veränderte seine Elf gegenüber dem 3:4 aus Dresden auf einer Position. Für den gesperrten Janik Bachmann rückte Alexander Winkler in die Innenverteidigung, so wie es sich im Vorfeld der Partie viele FCK-Fans gewünscht hatten. Carlo Sickinger musste dagegen wieder mit einem Platz auf der Bank Vorlieb nehmen. Das Duo Kraus/Winkler tat der Lautrer Hintermannschaft merklich gut. Die Gäste, bei denen FCK-Leihgabe Lucas Röser von Beginn an stürmte, Top-Torschütze Petar Sliskovic jedoch angeschlagen nur auf der Bank saß, kamen in den ersten 45 Minute nur zu einem nennenswerten Abschluss: In der 16. Minute zwang Atakan Akkaynak Avdo Spahic per Fernschuss zu einer Glanzparade.

Doch da hätten die Roten Teufel schon führen können. Bereits in der 5. Minute wirbelte Jean Zimmer über die rechte Seite, zog nach innen und sah auf links den Doppel-Torschützen aus Dresden, Kenny Prince Redondo. Der zog aus etwas spitz gewordenem Winkel ab, sein Schuss wurde zur Ecke abgewehrt. Spätestens aber in der 32. Minute hätten die Hausherren das 1:0 machen müssen. Marvin Pourié eroberte im Mittelfeld den Ball und lief geradewegs auf Keeper René Vollath zu. Er sah jedoch, dass Zimmer rechts mitgelaufen war, passte haargenau den richtigen Moment ab, spielte dem 27-Jährigen durch die Beine des Gegners den Ball zu, doch der scheiterte aus rund elf Metern am Torhüter. Wie viele Hände wären in diesem Moment wohl in der Westkurve vors Gesicht geschlagen worden? Doch die blieb natürlich auch heute wieder leer. So waren die Roten Teufel bei eisigen Temperaturen allein mit ihrem Tore-Frust und die leidenden Fans alleine zuhause vor dem Fernseher.

Ein Rasen, der keiner ist: Dann müssten eben Standards her

Von Minute zu Minute wurde auch deutlicher, was schon beim letzten Heimspiel kritisiert wurde: Der Rasen im Fritz-Walter-Stadion war (wieder einmal) seinen Namen nicht wert. Das darf nicht als Ausrede herhalten, schließlich findet man beispielsweise im Grünwalder Stadion (München) oder im Ludwigspark (Saarbrücken) ganz ähnliche oder sogar noch schlimmere Begebenheiten vor. So ist das eben im Januar, wenn wegen der Corona-Pause letztes Jahr quasi durchgespielt werden muss. Daran wird sich wohl auch in den nächsten zwei, drei, vier Heimspielen nichts ändern, auswärts freilich ebenfalls nicht. Zeitweise erinnerten die Bewegungsabläufe der 22 Männer eher an eine Mischung aus Beach-Volleyball und Eiskunstlauf.

Aber wie gesagt, das soll, kann und darf keine Ausrede sein! Dann müssen eben mal durch Standards die entscheidenden Tore fallen. Auch heute hatte der FCK wieder einige Eckbälle, Ertrag brachten sie (mal wieder) nicht. Und so tat sich im zweiten Durchgang offensiv insgesamt sehr wenig. In der 72. Minute wechselte Saibene den heute torlosen Marvin Pourié sowie Marlon Ritter aus, stellte auf ein 4-4-2-System mit Elias Huth und Daniel Hanslik als Doppelspitze um. Über diese Auswechslung war Pourié augenscheinlich sehr erbost, er schimpfte jedenfalls ausgiebig. Der Trainer kommentierte es nach Spielende nur knapp: "Marvin hatte über eine Stunde Zeit, sich zu beweisen."

Auch die Systemumstellung auf zwei Stürmer bringt nicht den Siegtreffer

Doch auch das neu eingewechselte Sturmduo vermochte keine Schlussoffensive zu entfachen. Und so blieb es zum insgesamt zwölften Mal bei einer Punkteteilung - ein Ausdruck mit Potential zum Unwort des Jahres. Schlimmer noch: Man hat immer mehr das Gefühl, es breitet sich eine Lethargie über Deutschlands höchstem Fußballberg aus. Aussicht auf Besserung? Nur spärlich in Sicht. Die Roten Teufel verharren weiter auf einem Abstiegsplatz. Sollte Unterhaching sein Spiel gegen Lübeck an diesem Spieltag gewinnen, könnte sich der Rückstand auf das rettende Ufer sogar erstmals in dieser Spielzeit auf drei Punkte vergrößern. Saibene hat also recht, wenn er sagt, jeder Punkt sei für den Abstiegskampf jetzt wichtig. Vor allem bräuchte er aber Siege. Siege und nochmals Siege. Ansonsten ist das Horrorszenario Regionalliga kein pessimistisches Hirngespinst mehr. Es zählen nur noch nackte Ergebnisse.

Quelle: Der Betze brennt | Autor: Gerrit1993

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